Johannes Brahms

Unsere großen deutschen Tondichter haben wahrlich eine vollendete Kunstform geschaffen. Diese will gehegt und gepflegt sein. Die Geburtstage unserer großen deutschen Tondichter bieten dazu einen schönen Anlaß. So auch heute, wo unser Johannes Brahms Geburtstag hat. Zur Welt kam unser alter Meister 1833 in Hamburg und lebte und wirkte später in Wien. Doch nun ein Werk von Brahms. Das Doppelkonzert soll es sein: https://www.youtube.com/watch?v=5OjLKhmzQTA Dazu gibt es einen weiteren Auszug aus dem Buch „Johannes Brahms“ von unserem Musikgeschichtsschreiber Max Kalbeck: http://www.zeno.org/Musik/M/Kalbeck,+Max/Johannes+Brahms

Es änderte sich nichts in dem ärmlichen Zuschnitt des Hausstandes. Mit den erhöhten Einnahmen, die Vater Brahms als Mitglied des Sextetts seit 1840 erzielte, waren auch die Ausgaben gewachsen. Fritz, der jetzt schon dreizehn Jahre alt war, machte Miene, in die Fußstapfen seines älteren Bruders zu treten, löste Johannes im Unterricht bei Marxsen ab und zeigte soviel Begabung für das Klavierspiel, daß es schien, als würde er den Bruder einholen, wenn nicht überflügeln. Er blieb dann aber auf einer mittleren Stufe der Entwicklung sitzen und war trotz aller liebevollen und ernsten Ermahnungen des Bruders nicht weiter vorwärts zu bringen. Mutter Brahms stand nach wie vor am Waschschaffe und Küchenherd und hantierte mit Hader und Besen, Elise saß mit verbundenem Kopfe über ihre Näharbeit gebeugt – sie nähte in und außer dem Hause – Johannes studierte emsig fort, dirigierte im Sommer auch einmal zur Erholung in der kleinen hannöverschen Stadt Winsen an der Luhe einen aus Dorfschullehrern der Umgegend gebildeten Männergesangverein, für den er Volkslieder arrangierte, ließ sich beim Stiefelwichsen die schönsten Melodien einfallen, die er dann auf dem Wall oder in den Vororten spazieren führte, las, im Grase auf dem Bauche liegend, den Kopf mit den Händen gestützt, seine Schmöker und griff nach jeder Gelegenheit, zum Tanze aufzuspielen, mit allen zehn Fingern. Wenn er nur seinen Kaffee zu trinken bekam, den die Mutter Tag und Nacht für ihn am Herde bereit stehen hatte, so war er zufrieden; er kehrte von seinem Geschäft gewöhnlich erst zwischen zwei und drei Uhr morgens heim und schlief keine fünf Stunden. Seit der Eröffnung der Hamburg-Bergedorfer Eisenbahn (1842), mit welcher der Anfang zu der erst vier Jahre darauf dem Verkehr übergebenen Strecke von Hamburg nach Berlin gemacht wurde, war die alte Hauptstadt der fruchtbaren Landherrenschaft Bergedorf ein vielbesuchtes Ziel der Hamburger Feiertags-Ausflügler. Dort im Gasthof „Zur schönen Aussicht“, der dem Senator Selbusch gehörte, unterhielt Johannes die zugereisten Gäste an schönen Sonntagen mit seiner Kunst. Er spielte nachmittags und abends für freie Zeche und drei Mark Kurant. Und er tat es mit solcher Lust und genialen Keckheit, daß der um wenige Jahre ältere Hamburger Musiker Christian Miller, der ihm einmal zuhörte, um Erlaubnis bat, mitspielen zu dürfen. Sie konzertierten öfters zusammen und regalierten das Publikum nicht nur mit Tanzmusik, sondern auch mit vierhändigen Schubertschen Märschen und Mozartschen Sonaten. Brahms, der sich gerade in seinen Flegeljahren befand, war nach solchen goldenen Sonntagen immer besonders gut zu allerlei losen Streichen aufgelegt. Einer seiner Hauptspäße bestand darin, daß er mit seinem Freunde in den Häusern anläutete und nach längst verstorbenen Größen der Kunst und Literatur fragte. Sie taten dann sehr erstaunt, wenn sie auf wiederholtes dringendes Anfragen bedeutet wurden, daß Herr Georg Friedrich Händel oder Herr Johann Hinrich Voß ganz gewiß nicht mehr im Hause wohne, und hielten sich auf der Straße die Seite vor Lachen. Ihre Scherze wären ihnen beinahe übel bekommen. Denn als sie sich einmal bei einem ehrsamen Professionisten nach Herrn Klopstock erkundigten und dabei das Lachen nicht verbeißen konnten, langte der biedere Handwerksmann, der alles eher als ein Literaturkenner war, nach seinem spanischen Rohr und jagte die erschreckten Spaßmacher mit der Drohung in die Flucht: „Na wartet, ihr entsamten Spitzbuben, ich will euch man beklopstocken!“ Welch ein munterer Spielkamerad Johannes auch als Jüngling noch sein konnte, berichtet Hermann Grädener, in dessen Vaterhause Brahms um die Mitte der Fünfzigerjahre häufig verkehrte. Grädener durfte mit seinen Brüdern und andern Jungen den um elf Jahre ältern Freund des Hauses manchmal auf den „Wall“, die Hamburger Promenade, begleiten, wo sie miteinander allerlei Unfug trieben. Johannes trug damals auf den langen blonden Haaren eine breitschirmige Mütze, unter der die großen blauen Augen trotzig und übermütig hervorblitzten, und wenn seine Bande beim Schneeballwerfen oder Fangespiel in Konflikt mit der lustwandelnden Bürgerschaft geriet, so wendeten sich die gekränkten Philister an ihn als den Ältesten, ohne zu merken, daß sie es mit keinem Knaben mehr zu tun hatten. An harmlosen Mystifikationen hat Brahms sein Leben lang Gefallen gefunden, wie er zum Beispiel die Kölner Bürger damit aufzuziehen pflegte, daß er sie auf dem Domplatz anhielt und höflich um Auskunft bat, sie möchten ihm doch sagen, wo denn eigentlich ihr berühmter Dom sei. Er stellte sich dann ungläubig, wenn ihm immer ärgerlicher versichert wurde, dies da wäre der Dom, und ergötzte sich an ihrer Wut, wenn er endlich im Tone mitleidiger Enttäuschung erwiderte: „So? Wirklich? Das ist der berühmte Kölner Dom? Den habe ich mir aber viel größer gedacht.“ Wie nach Bergedorf, unternahm der junge Brahms auch Ausflüge nach anderen näher oder ferner gelegenen Orten, um bei außerordentlichen Gelegenheiten als Klavierspieler Geld zu verdienen. – So ging er zu Anfang der Fünfzigerjahre mit der Konzertgesellschaft Molinario für die „Domzeit“ – so wird die 14 Tage währende Zeit des Weihnachtsmarktes genannt – nach Lübeck. Die Gesellschaft bestand aus zwei Sängerinnen und einem Violinspieler und konzertierte jeden Abend in Rigels Weinrestaurant am Klingenberge. Brahms begleitete die Vorträge der andern, streute auch manchmal einige Solostücke ein. Der Pianist und Komponist A. Schultz in Lübeck, dem wir diese Mitteilung verdanken, fügt noch hinzu, daß Brahms eine kleine Komposition, die er ihm gab, bereitwillig in sein Programm aufgenommen habe. – …“

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