Im Jahre 1871 streckte die gallische Hauptstadt Paris zum dritten Mal die Waffen. Zu Fall gebracht hat sie dieses mal unser Feldmarschall Helmuth von Moltke der Ältere, der hier wahrhaft in die Fußstapfen von unserem Blücher getreten ist. Alle Versuche zum Ausbruch und Entsatz seitens der Gallier schmetterten wir Deutschen ab. Hunger und Beschuß taten ein übriges. Mit dem Fall von Paris fand auch der gallische Krieg von 1870-71 ein Ende. Das gallische Feldheer war nämlich schon vorher fast gänzlich zerschlagen und mit dem Freiwerden unserer Belagerungsarmeen sah es für die Gallier zappenduster aus. Wir Deutschen waren also am Ziel und konnten unser Herzogtum Lothringen nach fast 200 Jahren gallischer Fremdherrschaft endlich befreien. Die Aufgabe von Paris schildert uns Moltke der Ältere zur Feier des Tages: https://archive.org/details/geschichtedesdeu00moltuoft
„Seitdem Herr Thiers von seiner diplomatischen Rundreise zurückgekehrt war, wußte man, daß ein vermittelndes Einschreiten der auswärtigen Mächte nicht zu erwarten sei. Die Bedrängnis der Hauptstadt war mehr und mehr gestiegen. Längst schon hatten Mangel und Teuerung auf den Bewohnern gelastet. Ihre Vorräte waren erschöpft, und selbst die Bestände der Besatzungsarmee bereits stark in Anspruch genommen. Bei der andauernden Kälte fehlte es an Heizmitteln, und die Gaserleuchtung konnte nur unzureichend durch Petroleum ersetzt werden. Vor der vom Gegner lange verzögerten Maßregel des Bombardements bargen sich im südlichen Teil von Paris die Einwohner in den Kellern oder flüchteten in entfernte Stadtviertel, während bei der nun auch im Norden beginnenden Beschießung die Bevölkerung von Sankt Denis massenweise zuströmte. Der große Ausfall am 19. war vollständig gescheitert, ein Entsatz von außerhalb nicht mehr zu hoffen, seitdem Gambetta den Mißerfolg bei Le Mans mitgeteilt hatte. Die Armee von Paris, welche er der Untätigkeit anklagte, war durch Frost, Krankheit und Desertion um ein Drittel ihrer Stärke vermindert und durch verunglückte Unternehmungen geistig herabgedrückt. Um Fleisch zur Ernährung der Einwohner zu beschaffen, hatte sie ihre Pferde hergeben müssen, auch erklärte General Trochu jede weitere Angriffsunternehmung für hoffnungslos, selbst für den passiven Widerstand seien die Mittel erschöpft. Bisher hatte die Regierung durch schöngefärbte Berichte die Bevölkerung bei guter Laune zu erhalten gewußt, aber die schlimme Lage der Dinge ließ sich nicht mehr verschleiern. Jetzt wurden alle ihre Maßregeln getadelt. Es gab in Paris eine zahlreiche Klasse, welche vor der allgemeinen Not wenig berührt war. Die aus der Zivilbevölkerung bewaffneten Vaterlandsverteidiger wurden von der Regierung ernährt und reichlich besoldet, ohne daß sie sich allzu sehr auszusetzen gehabt hätten. Ihnen schlossen sich alle die unsicheren Elemente an, welche bei ungeordneten Zuständen ihre Rechnung fanden. Diese waren mit den Verhältnissen ganz zufrieden, wie sie der 4. September geschaffen, und wenig später traten sie in der Schreckensgestalt der Kommune auf. Schon zuvor hatten Volksaufläufe nur mit Waffengewalt zerstreut werden können, und selbst ein Teil der Nationalgarde war meuterischen Kundgebungen nicht ferngeblieben. Unterstützt durch die Presse, forderten die demagogischen Klubs auch jetzt noch neue Unternehmungen, ja selbst einen Massenausfall aller Bewohner von Paris. So befand sich die schwache, weil nur auf Volksgunst ruhende Regierung im Gedränge zwischen unerfüllbaren Forderungen der einsichtslosen Menge und dem unerbittlichen Ernst der wirklichen Tatsachen. Unzweifelhaft gab es keinen Ausweg mehr als die Kapitulation der Hauptstadt, jede Zögerung steigerte die Not und zwang zur Annahme härterer Bedingungen. Wurden nicht ungesäumt alle Eisenbahnen freigegeben, um aus weitestem Umkreise Lebensmittel heranzuführen, so mußten unausbleiblich die Schrecknisse einer wirklichen Hungersnot über mehr als zwei Millionen Einwohner hereinbrechen, denen später nicht mehr zu begegnen war. Aber Niemand wagte das verhängnisvolle Wort Kapitulation auszusprechen, Niemand die Verantwortlichkeit für das unausweichlich Gewordene zu übernehmen. Am 21. wurde ein großer Kriegsrat gehalten. Da alle älteren General weitere Angriffsunternehmungen für unausführbar erklärten, glaubte man, sich auch bei den jungen Militärs Rat erholen zu sollen, kam jedoch zu keinem Entschluß. Weil aber doch irgend Jemand an allem Unheil schuldig sein mußte, so wurde nun General Trochu, das ursprünglich populärste der Regierungsmitglieder, seiner Stellung als Gouverneur enthoben und dem General Vinoy der Befehl über sämtliche Truppen verliehen. General Ducrot legte sein Kommando nieder. Gebessert wurde dadurch in den Verhältnissen nichts, und so erschien denn am 23. Herr Jules Favre in Versailles, um Verhandlungen, zunächst wegen Waffenstillstandes, anzuknüpfen. Auf deutscher Seite kam man diesem Wunsche entgegen, mußte aber selbstverständlich Bürgschaft dafür fordern, daß nach erfolgter Versorgung der Hauptstadt dort nicht der Widerstand fortgesetzt werde. Die Übergabe sämtlicher Forts, einschließlich des Mont Valerien und der Stadt Sankt Denis, sowie die Entwaffnung des Hauptwalles wurden gefordert und zugestanden. Am 26. abends sollten die Feindseligkeiten vor Paris eingestellt und alle Zufuhren freigegeben werden. Ein allgemeiner einundzwanzigtägiger Waffenstillstand würde dann mit dem 31. Januar in Kraft treten, ausgeschlossen von demselben aber würden die Departements Doubs, Jura und Cote d’Or sowie die Festung Belfort bleiben, wo zur Zeit noch Operationen sich im Gang befanden, von denen beide Teile sich Erfolg versprachen. Dieser Waffenstillstand gewährte der Defense Nationale die nötige Zeit, um eine drei gewählte Versammlung nach Bordeaux zu berufen, welche zu entscheiden haben werde, ob der Krieg fortzusetzen oder unter welchen Bedingungen der Friede zu schließen sei. Auch in den von den Deutschen Besetzen Landesteilen blieb die Wahl der Abgeordneten völlig ungehindert und unbeeinflußt. Die Kriegsbesatzung von Paris, Linientruppen, Marinesoldaten und Mobilgarden, hatten sofort die Massen auszuliefern, nur 12,000 Mann und die Nationalgarde durften sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern der Stadt behalten. Während des Waffenstillstandes blieb die Besatzung dort interniert, nach Ablauf desselben trat sie in Gefangenschaft. Von sofortiger Abführung nach Deutschland, wo schon alle irgend geeigneten Orte mit Gefangenen überfüllt waren, nahm man bei der nahen Friedensaussicht einstweilen Abstand. Ohne Störung erfolgte am 29. Januar die Besetzung der Forts. Ausgeliefert wurden von der Feldarmee 603 Geschütze, 1,770,000 Gewehre und über 1000 Munitionswagen, von der Festung 1362 schwere Geschütze, 1680 Lafetten, 860 Protzen, ferner 3,500,000 Patronen, 4000 Zentner Pulver, 200,000 Granaten und 100,000 Bomben. Die 132tägige Einschließung von Paris war beendet, der größere Teil der vor seinen Mauern festgehaltenen deutschen Streitkräfte frei geworden, um im offenen Felde das Ende des Krieges zu erkämpfen…“