Die Nornen sind manchmal wahrhaft garstig zu den Sterblichen und nahmen unserem Feldmarschall Alfred von Schlieffen seinen Feldherrenruhm oder vielmehr die Gelegenheit sich solchen zu erwerben. In Berlin 1833 geboren machte er wohl als Stabsoffizier unsere deutschen Einigungskriege mit, doch nach herrschte fast ein halbes Jahrhundert Frieden. In diesem stieg unser Schlieffen zwar 1891 zum Generalstabschef auf, aber als er 1906 abtrat, mußte er seinen Feldzugsplan in die Hände seiner Nachfolger legen. Wäre er nicht 1913 heimgegangen, so wäre er vielleicht zurückberufen worden, aber so werden wir niemals wissen, ob unser Schlieffen seinen Feldzugsplan auch hätte ausführen können. Allerdings war sein Gedanke eines Angriffsschwerpunkts auf der Flanke der Nachwelt ein Leitstern und trug nicht wenig zu unseren Siegen über Polen und Gallien im Sechsjährigen Krieg bei. Die Hohenzoller ehrten unseren Schlieffen mit dem Roten und Schwarzen Adlerorden, dem Eisernen Kreuz, ihrem Hausorden und mit dem Blauen Verdienstorden Friedrichs des Großen. Zur Frau nahm unser Feldmarschall 1868 die Gräfin Anna von Schlieffen. Zwei Töchter vergönnten die Nornen dem Paar. Seine Schriften wurden unter dem Namen „Cannä“ herausgegeben – und das nicht grundlos. Denn unser Schlieffen nahm sich die legendäre Schlacht Hannibals gegen die Römer zum Muster für die Vernichtung einer Übermacht mittels Umzingelung. Sozusagen der Heilige Gral der Kriegskunst… Wir Panzertiere lesen zu Ehren unseres Schlieffens aus dessen Schriften vor und genehmigen uns dazu den ein oder anderen Schädel Met. In seiner Abhandlung „Der Feldherr“ endet unser Schliffen nun mit der Nachbetrachtung unserer deutschen Einigungskriege:
„Um den aufgefundenen Feind zu vernichten, ist es im allgemeinen Napoleons Bestreben gewesen, ihm die eine Flanke abzugewinnen, ihn zur Schlacht mit verwandter Front zu zwingen. Er erreichte damit 1806, daß die preußische Armee zum Rückzug in der ungünstigsten Richtung nach Westen gezwungen wurde, aus der sie nur im weiten Bogen den Weg hinter die Oder finden konnte. Moltkes Plan war 1866 nicht auf Rückzug des Feindes in ungünstiger Richtung, sondern auf dessen Einschließung und völlige Vernichtung abgesehen. Er mißlang, nicht weil Moltke falsch gerechnet hatte, auch nicht, weil es ihm an Beharrlichkeit und Tatkraft, aber wohl, weil es den Armee- und Korpsführern an Schulung und Disziplin fehlte und weil die eine Armee zu langsam und nur mit einem Teil ihrer Kräfte zum entscheidenden Angriff vorrückte. Der Feind fand die Zeit, sich der Einschließung zu entziehen. Es wurde keine Vernichtung erreicht, sondern nur, wie 1806, ein Rückzug in ungünstiger Richtung. Zur Durchführung der Verfolgung fehlte aber den preußischen Oberkommandos die Napoleonische Tatkraft. Der Feind wurde allerdings gezwungen, auf großem Umweg den Schutz der Donau aufzusuchen. Während aber 1806 die preußische Armee noch diesseits der Oder zertrümmert wurde, entzog sich die österreichische 1866 unter Zuhilfenahme der Eisenbahn dem Verfolger und gelangte, wenn auch in sehr üblem Zustand, hinter die Donau. Dort wurde ein Heer versammelt, das dem am anderen Ufer gegenüberstehenden preußischen an Zahl überlegen war. Die Lage erschien für Preußen um so mißlicher, als Frankreich, ähnlich wie Rußland 1806, bereits eingegriffen hatte. Damals hatte Preußen noch ein Korps rechts der Weichsel in Reserve. Mit ihm vereinigte sich eine russische Armee, um dem weiteren Vordringen Napoleons Einhalt zu gebieten. Das mißlang freilich, aber nur nach einem langwierigen, blutigen, mühevollen Feldzug, der das stolze Napoleonische Gebäude zum ersten Male ins Wanken brachte. Preußen hatte jedoch allein den Schaden zu tragen; Rußland brachte noch einen Gewinn heim. Ebenso gedachte Frankreich 1866 zu verfahren und sah sich schon im Besitze des linken Rhein-Ufers und an der Spitze eines neuen Rhein-Bundes. Aber nicht durch Schlachten wie Preußisch-Eylau und Friedland wollte es zu seinem Ziele kommen, sondern durch einen diplomatischen Feldzug. Auf diesem Gebiete war aber Napoleon III. Bismarck nicht gewachsen. Nach einigen vergeblichen Anstrengungen mußte er den Rückzug antreten. Österreich, auf sich angewiesen, durch Ungarn bedroht, mußte sich zum Frieden bequemen, nachdem seine Generale erklärt hatten, die Armee vermöge nicht mehr anzugreifen. Eine gewisse Gesetzmäßigkeit in den modernen Kriegen, eine gewisse Übereinstimmung in den Aufgaben des Feldherrn läßt sich schwerlich verkennen. Auch 1870 war eine Koalition gegen Deutschland geplant. Sie wäre zustande gekommen, wenn wie 1866 lange Verhandlungen geführt worden wären. Der Krieg brach aus, bevor die Traktate abgeschlossen werden konnten. Der Kanonendonner von Wörth nahm jede Lust, das Versäumte nachzuholen. Diesmal gelangen die Vernichtungsschlachten, weil die Unterführer, wenigstens zum Teil, ein gewisses Verständnis für die Moltkeschen Absichten gewonnen hatten. Metz und Sedan waren so glänzende Waffentaten, daß die außenstehenden Mächte jeder Versuchung widerstanden, sich in den Streit der Nachbarn einzumischen. Die Scheu vor ähnlichen Katastrophen legte ihnen Zurückhaltung auf. Dafür trat ein anderes Moment in die Erscheinung: Die Reste der französischen Armee, und was an neuen Kräften aufgestellt werden konnte, flüchteten nach Paris. Der Kampf um Festungen, der in alten Zeiten das Wesentliche des Krieges gebildet, seit 100 Jahren aber auf den Scheiterhaufen geworfen zu sein schien, kam plötzlich zur Geltung. Auf die Belagerung einer solchen Riesenfestung war man so gut wie gar nicht vorbereitet. Mit wenigen Schlägen hatte der Krieg zu Ende gebracht werden sollen. Jetzt zog er sich in die Länge. Der Feind gewann Zeit, neue Armeen aufzustellen, und die scheel sehenden Mächte konnten zur Besinnung und Überlegung kommen, ob nicht doch noch die neu aufstrebende Macht unterdrückt werden könnte. Der normale zweite Teil jedes Krieges, den Napoleon 1805. durch die ertrotzten Friedensschlüsse von Schönbrunn und Preßburg vermied, den er 1807 auf sich nehmen mußte, in dem er 1813 erlag, den 1866 Bismarcks Entschlossenheit beseitigte, mußte hier als großartige Belagerung durchgeführt, alle Gefahren mußten überwunden werden, die bei einer solchen ungenügende Mittel einerseits, Ausfälle und Entsatzversuche von nah und fern anderseits bringen. Nur Moltkes ruhige Klarheit konnten diesen zweiten Teil des Feldzuges, allerdings in weit längerer Zeit, aber kaum weniger glänzend als den ersten, zu Ende bringen. Es hat nicht den Anschein, als ob der Kampf um Festungen von den künftigen Kriegsprogrammen wieder gestrichen werden würde. Der Feldherr wird mit ihm zu rechnen haben. In allen unseren großen Schlachten, Königgrätz, Gravelotte, Sedan, Paris, haben aber die feindlichen Festungen eine für Preußen und Deutschland äußerst hilfreiche Rolle gespielt. Sie ziehen den Gegner, der nicht zum Angriff entschlossen ist, unwillkürlich an, bringen ihn zum Stehen und ermöglichen oder erleichtern seine Einschließung. Es liegt daher schwerlich der Grund vor, die Einebnung von Wällen und Gräben, Panzertürmen und Betonblöcken zu wünschen. Der Angreifer wird sich durch sie nicht abschrecken lassen, sondern aus ihnen Gewinn ziehen. Allerdings können die Schwierigkeiten, die die Neuheit der Erscheinungen und die Menge der Festungen bringen, stutzig machen. Sie sind aber zu überwinden, wenn das Ziel, den Feind nicht zurückzudrängen, sondern zu vernichten, im Auge behalten wird. Zum Gelingen gehört aber freilich unter den gegenwärtigen Bedingungen wie unter den früheren ein wahrhafter Feldherr. Daß dieser durch ein Triumvirat dargestellt wird, ist 1866 und 1870 geglückt, braucht aber nicht immer zu glücken. Eins wenigstens der Mitglieder des Komitees, das gegenwärtig den Feldherrn zu ersetzen hat, muß etwas von dem Salböl Samuels abbekommen haben…“