„Daß von Hellas’ und Italiens vergangener Herrlichkeit zu dem stolzeren Bau der neueren Weltgeschichte eine Brücke hinüberführt, daß Westeuropa romanisch, das germanische Europa klassisch ist, daß die Namen Themistokles und Scipio für uns einen anderen Klang haben, als Asoka und Salmanassar, daß Homer und Sophokles nicht wie die Veden und Kalidasa nur den literarischen Botaniker anziehen, sondern in dem eigenen Garten uns blühen, das ist Caesars Werk; und wenn die Schöpfung seines großen Vorgängers im Osten von den Sturmfluten des Mittelalters fast ganz zertrümmert worden ist, so hat Caesars Bau die Jahrtausende überdauert, die dem Menschengeschlecht Religion und Staat verwandelt, den Schwerpunkt der Zivilisation selbst ihm verschoben haben, und für das, was wir Ewigkeit nennen, steht er aufrecht.“ (Theodor Mommsen, „Römische Geschichte“)
Dieser Brückenschlag zwischen dem Altertum und der Neuzeit durch unseren möglichen Erschaffer Julius Cäsar blieb lange Zeit freilich nur auf die Gebildeten und die höheren Stände beschränkt. Denn die Werke der griechischen und römischen Dichter und Denker konnte nur lesen, wer deren Sprache kannte. Waren dies zu den Hochzeiten der althumanistischen Bildung ein Zehntel unseres deutschen Volkes war, so wäre dies schon sehr viel gewesen. Geändert hat dies unser Dichter und Gelehrter Heinrich Voß. Der übertrug nämlich die Werke Homers („Ilias“ und „Odyssee“), Vergils („Äneis“), Hesiod („Theogonie“), Ovid, Horaz und weiteren Schrecken des altsprachlichen Unterrichts ins Deutsche. Seine eigenen dichterischen Arbeiten mögen viel dazu beigetragen haben, daß seine Übersetzungen derart gut gelungen sind. Im mecklenburgischen Sommersdorf wurde unser Voß 1751 geboren und legte eine recht ordentliche Gelehrtenlaufbahn hin. Mußte er sich auch einige Jahre als Schulleiter durchschlagen, so erhielt er doch einen Lehrstuhl an der Heidelberger Universität und wurde in die Bayerische und in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen. Seine Übersetzungen fanden selbst den Beifall von so strengen Kunstrichtern wie unserem Goethe. Seine Herzensdame Ernestine Boie führte er 1777 zum Traualtar und zeugte mit ihr der Söhne fünf. Zu seinen Ehren tragen wir Panzertiere heute ein wenig aus seinen Werken vor. In der Voßschen Übertragung von Homers Ilias beschließt deshalb nun der Göttervater Zeus den Untergang Trojas, um häusliches Ungemach von Seiten seiner Gattin Hera zu vermeiden: http://www.zeno.org/Literatur/M/Homer/Epen/Ilias
„Aber die Götter um Zeus ratschlageten all in Versammlung,
Sitzend auf goldener Flur; sie durchging die treffliche Hebe,
Nektar umher einschenkend; und jen‘ aus goldenen Bechern
Tranken sich zu einander und schaueten nieder auf Troja.
Schnell versuchte Kronion das Herz der Here zu kränken
Durch aufregende Wort‘ und redete solche Vergleichung:
„Zwo sind hier Menelaos der Göttinnen jetzo gewogen,
Here von Argos zugleich und Athen‘, Alalkomenens Göttin.
Aber beide von fern des Anschauns nur sich erfreuend
Sitzen sie, weil dem andern die holdanlächelnde Kypris
Stets als Helferin naht und die graulichen Keren ihm abwehrt.
Nun auch entzog sie jenen, da Todesgraun er zuvorsah.
Aber gesiegt hat wahrlich der streitbare Held Menelaos.
Uns nun laßt erwägen, wohin sich wende die Sache:
Ob wir hinfort durch Kriegsgewalt und verderbende Zwietracht
Züchtigen oder in Frieden die beiderlei Völker versöhnen.
Wäre dies euch allen so angenehm und gefällig,
Gern noch möchte sie stehn, des herrschenden Priamos Feste,
Doch Menelaos zurück die Argeierin Helena führen.“
Jener sprach’s, da murrten geheim Athenäa und Here.
Nahe sich saßen sie dort, nur Unheil sinnend den Troern.
Jene nunmehr blieb schweigend und redete nichts, Athenäa,
Eifernd dem Vater Zeus, und ihr tobte das Herz in Erbittrung.
Here nur konnte den Zorn nicht bändigen, sondern begann so:
„Welch ein Wort, Kronion, du Schrecklicher, hast du geredet!
Willst du, daß ganz ich umsonst arbeitete, daß ich vergebens
Schweiß der Mühe vergoß, und umher mit ermatteten Rossen
Völker erregt‘, um dem Priamos Gram und den Söhnen zu schaffen?
Tu’s! Doch nimmer gefällt es dem Rat der anderen Götter!“
Unmutsvoll nun begann der Herrscher im Donnergewölk Zeus:
„Grausame, was hat Priamos doch und Priamos‘ Söhne
Dir so Böses getan, daß sonder Rats du dich abmühst,
Ilios auszutilgen, die Stadt voll prangender Häuser?
Möchtest du doch, eingehend durch Tor‘ und türmende Mauern,
Roh ihn verschlingen, den Priamos selbst und Priamos‘ Söhne,
Samt den Troern umher; dann würde dein Zorn dir gesättigt!
Tue, wie dir’s gefällt, daß nicht der Hader in Zukunft
Beiden, dir selber und mir, zu größerem Zwiste gedeihe.
Eines verkünd ich dir noch, und du bewahr es im Herzen:
Wenn auch mir im Eifer hinwegzutilgen gelüstet
Eine Stadt, wo dir erkorene Günstlinge wohnen,
Daß du alsdann nicht weilest den Rächenden, sondern mich lassest!
Gab doch ich selbst dir willig, obgleich unwilligen Herzens.
Denn was unter der Sonn und dem sternumleuchteten Himmel
Irgend erscheint von Städten der sterblichen Erdebewohner,
Hoch mir vor allen geehrt war Ilios‘ heilige Feste,
Priamos selbst und das Volk des lanzenkundigen Königs.
Nie ja mangelte mir der Altar des gemeinsamen Mahles,
Nie des Weins und Gedüftes, das uns zur Ehre bestimmt ward.“
Ihm antwortete drauf die hoheitblickende Here:
„Siehe, drei vor allen sind mir die geliebtesten Städte,
Argos und Sparta zugleich und die weitdurchwohnte Mykene;
Diese verderb im Zorn, wann etwa dein Herz sie erbittern,
Niemals werd ich solche verteidigen oder dir eifern.
Wenn ich ja gleich mißgönnend dir wehrete, sie zu verderben,
Nichts doch schaffte mein Tun; denn weit gewaltiger bist du.
Aber auch mein Arbeiten geziemet es nicht zu vereiteln.
Denn auch ich bin Göttin, entstammt dem Geschlechte, woher du:
Ich, die erhabenste Tochter, gezeugt vom verborgenen Kronos,
Zweifach erhöht: an Geburt, und weil ich deine Genossin
Ward ernannt, der du mächtig im Kreis der Unsterblichen waltest.
Aber wohlan, dies wollen wir nachsehn einer dem andern,
Dir ich selbst und du mir; auch andre unsterbliche Götter
Folgen uns dann. Doch jetzo beschleunige Pallas Athene,
Hinzugehn in der Troer und Danaer furchtbare Schlachtreihn,
Daß sie versuch, ob die Troer die siegesstolzen Achaier
Etwa zuerst anfahn zu beleidigen wider den Eidschwur.“
Sprach’s, ihr gehorchte der Vater des Menschengeschlechts und der Götter,
Wandte sich schnell zur Athen‘ und sprach die geflügelten Worte:
„Eile sofort in das Heer der Troer hinab und Achaier,
Daß du versuchst, ob die Troer die siegesstolzen Achaier
Etwa zuerst anfahn zu beleidigen wider den Eidschwur.“
Also Zeus, und erregte die schon verlangende Göttin;
Stürmenden Schwungs entflog sie den Felsenhöhn des Olympos.
Gleich wie ein Stern, gesendet vom Sohn des verborgenen Kronos,
Schiffenden oder dem Heere gewaffneter Völker zum Zeichen,
Strahlend brennt und im Flug unzählige Funken umhersprüht:
Also senkt‘ hineilend zur Erde sich Pallas Athene
Zwischen die Heere hinab, und Staunen ergriff, die es ansahn,
Rossebezähmende Troer und hellumschiente Achaier…“
Um auch dem Schaffen unseres Voß als Dichter gerecht zu werden, gibt es dazu noch sein Gedicht „An Agnes Gräfin zu Stolberg“: http://www.zeno.org/Literatur/M/Vo%C3%9F,+Johann+Heinrich/Gedichte
„Ob wir dein noch gedenken, du Freundliche? Ja, es umschwebet
Deine süße Gestalt, ach der Entfernten, uns stets.
Hier und dort, wo wir gehn: in der blauen Stub‘ und der gelben,
Wo dein Kanapee stand, wo du im Sopha geruht;
Oder im grünen Gemach, wo wir nachts vom Lager im Mondlicht
Blühender Rosen uns freu’n, die wir ins Fenster gebeugt;
Zwischen den Blumenbeeten an rosendurchschimmerter Fruchtwand,
Wo uns zuletzt des Aprils wärmende Sonne beschien;
Unten im Dunkel der Laube, wo Silberrosen mit Erdbeern
Und Maililien blühn, die du so emsig gepflegt,
Wo wir unter die Schatten der Lind‘ und des zarten Ligusters
Geisblattranken gepflanzt, wie du uns scheidend befahlst!
Und auf der traulichen Bank des beschatteten Agneswerders,
Also nannten wir ihn, gegen die Insel des Sees:
Wo du fröhlich mit uns in des Sommers Schwüle den Seewind
Atmetest, unter des Rohrsperlinges hellem Gesang;
Oft die schwebende Möwe betrachtetest, lachend des Freundes,
Welchen der weiße Schein mähender Männer betrog;
Oder in sonniger Flut des Fischleins Spiele belauschtest,
Welches aus falbem Moos perlend die Fläche durchglitt,
Aber schnell vor dem Schatten der blumigen Mümmelchenblätter
Stutzte, da weit in den See kräuselnd ein Wind sie erhob;
Ach an dem lieblichen Orte, wohin du im Schimmer des Abends
Noch zu guter Letzt schweigend am Arme mir gingst,
Dort noch einmal den See im Glanz vielfarbiger Wolken
Sahst, und des grünen Gesträuchs zitternde Schemen umher,
Lächelnd riefst: „O wie schön! Vergeßt nicht meiner, ihr Lieben!“
Und an des Freundes Brust schluchzend dein Antlitz verbargst:
Überall gedenken wir dein, und erzählen uns wieder,
Was du gesagt und getan, sinnen und senken den Blick!
Wallte nicht jüngst dein Herz von zärtlicher Freud‘ und Wehmut,
Daß dir heller der Tag schimmerte, grüner die Flur?
Wir Verlassenen feirten der trautesten Freundin Gedächtnis,
Deren süße Gestalt uns, wo wir gehen, umschwebt.
Dort am buschigen Ufer des kleinen Sees, wo wir ehmals
Froher gingen mit euch, gingen wir Einsamen froh;
Sahn, wie des Dorfes Schar mit Karst und Schaufel den Rasen
Ebnete, künftig das Grab deiner Bewohner, Eutin:
Wo auch unser Gebein zur Seite des schlummernden Sohnes
Ruhen wird, an des Sees vögelumschwirrtem Geräusch;
Und im Gespräche von Tod und Trennungen, pflückten wir emsig
Blaue Vergißmeinnicht unten am sumpfigen Bord;
Wandelten heim, und reihten die Blumen rings in der Schale:
Und mit Wasser erfrischt, hob sich ein blühender Kranz.
Diesen trugen wir froh in den schönen Saal mit der Aussicht
Über Garten und See, welchen dein Bildnis verschönt;
Stellten, mit herzlichem Gruße, den blauen Kranz vor dein Bildnis,
Und betrachteten stumm, Agnes, dein holdes Gesicht,
Lange betrachteten wir’s: und von inniger Lieb‘ und Wehmut
Bebend, umarmten wir uns heftig mit bräutlichem Kuß.
Ob wir dein noch gedenken, du Freundliche: straf‘ ihr, o Stolberg,
Für dies schalkhafte Wort küssend den lächelnden Mund:
Wie, wenn sie, schöner von Freud‘, auf den blühenden Säugling hinabblickt,
Der, mit dem Busentuch spielend, in Schlummer sich lallt;
Und dann mütterlichstolz, voll unaussprechlicher Anmut
Seitwärts schielend, dich fragt: „Trautester, hast du mich lieb?“