Die Konvention von Tauroggen

Das Panzerjahr geht mal wieder mit dem Jahrestag der Konvention von Tauroggen zu Ende. Mit diesem Seitenwechsel der preußischen Truppen unter Yorck wurde 1812 die Befreiungskriege eingelöst und damit der Sturz Napoleons eingeläutet. Von deren Abschluß besitzen wir, dank unserem Kriegsphilosophen Carl von Clausewitz, der an deren Abschluß entscheidend beteiligt war, einen Bericht aus erster Hand. Natürlich hat es sich unser Clausewitz nicht nehmen lassen, die Vorgänge vielfach strategisch zu erläutern und so suche ich mir aus seinem berühmten Buch „Der russische Feldzug von 1812“ seine strategische Beurteilung von Napoleons Rußlandfeldzug aus: https://archive.org/details/derfeldzuginrus00unkngoog

„Jetzt sei es dem Verfasser noch erlaubt, seine Meinung über den Operationsplan Bonapartes in diesem viel besprochenen Feldzug zu sagen. Bonaparte wollte den Krieg in Rußland führen und endigen, wie er ihn überall geführt und geendigt hatte. Mit entscheidenden Schlägen anzufangen und die dadurch erhaltenen Vorteile zu neuen entscheidenden Schlägen zu benutzen, so den Gewinn immer wieder auf eine Karte zu setzen, bis die Bank gesprengt war, das war seine Art, und man muß sagen, daß er den ungeheuren Erfolg, welchen er in der Welt gehabt hat, nur dieser Art verdankt; daß dieser Erfolg bei einer anderen kaum denkbar war. In Spanien war es ihm damit nicht gelungen. Der österreichische Feldzug von 1809 hatte Spanien gerettet, weil er ihn verhindert hatte die Engländer aus Portugal zu vertreiben. Seitdem war er dort in einen Verteidigungskrieg verfallen, der ihn ungeheure Kräfte kostete, ihn gewissermaßen an einem Arm lähmte. Sonderbar ist es und vielleicht der größte Fehler, den Bonaparte gemacht hat, daß er nicht im Jahre 1810 nach der Halbinsel gegangen ist, um den Krieg in Portugal zu beendigen, worauf er in Spanien auch nach und nach erloschen sein würde, denn unstreitig trugen der spanische Insurrektions- und der portugiesische Hilfskrieg einander gegenseitig. Immer würde indessen Bonaparte genötigt gewesen sein eine beträchtliche Armee in Spanien zu lassen. Sehr natürlich und auch wohl richtig war es daher, daß bei dem neuen Kriege mit Rußland es sein Augenmerk war, nicht in einen ähnlichen langwierigen und kostspieligen Verteidigungskrieg auf einem noch viel entfernteren Kriegstheater verwickelt zu werden. Er hatte also das dringende Bedürfnis, den Krieg in einem, höchstens zwei Feldzügen zu beendigen. Die feindlichen Streitkräfte schlagen, zertrümmern, die Hauptstadt erobern, die Regierung in den letzten Winkel des Reichs hindrängen und dann in der ersten Bestürzung den Frieden gewinnen war bisher der Operationsplan seiner Kriege. Bei Rußland stand ihm die ungeheure Ausdehnung des Landes und der Nachteil entgegen, daß es zwei weit von einander entfernte Hauptstädte hat. Was ihm dadurch an moralischer Wirkung seiner Waffenerfolge verloren gehen mußte, hoffte er wahrscheinlich durch zwei Dinge ersetzt zu sehen: durch die Schwäche der russischen Regierung und durch den Zwiespalt, den es ihm gelingen konnte, zwischen ihr und den Großen des Reichs zu erwecken. In beiden fand er sich getäuscht, darum war ihm das verlassene und zerstörte Moskau so widerwärtig. Von hier aus hatte er auf Petersburg und ganz Rußland durch die Meinung zu wirken gehofft. Daß Bonaparte unter diesen Umständen wo möglich mit einem Stoß nach Moskau zu kommen suchte, war nur konsequent. Die Wirkungen der gewaltigen Landesausdehnung und eines möglichen Volkskrieges, kurz der Druck des großen Staates mit seiner ganzen Schwere konnte sich erst nach einiger Zeit zeigen, und konnte überwältigend sein, wenn er nicht im ersten, raschen Anlauf überwunden wurde. Wenn Bonaparte auch wirklich darauf rechnen mußte, diesen Krieg erst in zwei Feldzügen zu beendigen, so machte es doch einen großen Unterschied, ob er in dem ersten Feldzuge Moskau eroberte oder nicht. Hatte er diese Hauptstadt genommen, so durfte er hoffen die Vorbereitungen zum ferneren Widerstande zu untergraben, indem er mit der ihm übrig gebliebenen Macht zu imponieren, die Meinung in jedem Betracht irre zu führen, das Gefühl von der Pflicht abwendig zu machen suchte. Blieb Moskau in den Händen der Russen, so bildete sich von da aus für den nächsten Feldzug vielleicht ein so kräftiger Widerstand, daß die notwendigerweise geschwächten Kräfte Bonapartes nicht mehr hinreichten. Kurz, mit der Eroberung Moskaus glaubte er über den Berg zu sein. Dies hat uns die natürlichste Ansicht eines Mannes wie Bonaparte geschienen. Es fragt sich nur, ob ein solcher Plan für Rußland ganz untunlich war, und ob nicht ein anderer vorzuziehen gewesen wäre. Wir sind nun dieser Meinung nicht. Die russische Armee schlagen, zerstreuen, Moskau erobern war ein Ziel, welches in einem Feldzuge füglich erreicht werden konnte; aber wir sind der Meinung, daß diesem Ziel noch eine wesentliche Bedingung fehlt, diese war: auch in Moskau noch furchtbar zu bleiben. Wir glauben, daß Bonaparte dieses Eine nur aus dem übermütigen Leichtsinn vernachlässigt hat, der für ihn charakteristisch war. Er ist mit 90,000 Mann nach Moskau gekommen, – und er hätte mit 200,000 hinkommen sollen. Dies wäre möglich gewesen, wenn er sein Heer mit mehr Schonung und Sorgfalt behandelt hätte. Aber das sind Dinge, die ihm ewig fremd gewesen sind. Er würde vielleicht 30,000 Mann weniger in den Gefechten verloren haben, wenn er nicht überall den Stier bei den Hörnern angegriffen hätte. Mit mehr Vorsorge und besseren Anordnungen in Betreff der Verpflegung, mit einer überlegteren Einrichtung des Marsches, durch welche nicht unnötigerweise so ungeheure Massen auf einer Straße zusammengedrängt worden wären, würde er der von Anfang an herrschenden Hungersnot vorgebeugt und dadurch sein Heer vollständiger erhalten haben. Ob 200,000 Mann, im Herzen des russischen Reiches aufgestellt, die gehörige moralische Wirkung gehabt und den Frieden herbeigeführt haben würden, ist freilich noch eine Frage; aber es scheint uns, daß es wenigstens vor dem Ereignis erlaubt war auf diesen Erfolg zu rechnen. Daß die Russen Moskau verlassen, verbrennen und einen Vertilgungskrieg einleiten würden, war nicht mit Gewißheit vorauszusehen, war vielleicht nicht einmal wahrscheinlich; wenn es aber geschah, so war der ganze Krieg verunglückt, wie man ihn auch geführt hätte. Ferner ist es als eine zweite große Nachlässigkeit Bonapartes anzusehen, so wenig für seinen Rückzug gesorgt zu haben. Wenn Wilna, Minsk, Polozk, Witebsk und Smolensk durch Verschanzungen mit tüchtigen Palisaden befestigt, und jeder dieser Orte mit fünf- bis sechstausend Mann Besatzung versehen wurde, so würde der Rückzug dadurch auf mehr als eine Art erleichtert worden sein; namentlich durch eine bessere Verpflegung. Wir wollen nur an die 700 Stück Ochsen erinnern, welche die Kosaken am 9. November in der Gegend von Smolensk genommen haben. Denkt man sich dabei, daß die französische Armee stärker in Moskau angekommen und also auch wieder stärker von da abmarschiert wäre, so verliert der Rückzug das Ansehn eines tiefen Abgrundes, welches er damals hatte. Welches war nun der andere Plan, den man apres Coup für vernünftiger oder, wie man sich auszudrücken pflegt, für methodischer gehalten hat? Bonaparte sollte am Dnjepr und der Düna Halt machen, allenfalls den Feldzug mit der Eroberung von Smolensk beschließen, sich dann in dem eroberten Teile festsetzen, seine Flügel sichern, dadurch eine bessere Basis gewinnen, die Polen unter die Waffen bringen, dadurch die Offensivkraft vermehren und so in dem nächsten Feldzuge mit besserem Ansatz und verstärktem Atem auf Moskau marschieren. Das klingt ganz gut, wenn man es nicht näher untersucht, und besonders, wenn man nicht daran denkt, es mit den Aussichten zu vergleichen, welche der von Bonaparte befolgte Plan darbot. Nach jener Idee sollte er sich also in dem ersten Feldzuge mit der Eroberung von Riga und Bobruisk beschäftigen (denn das waren die einzigen befestigten Plätze in dem bezeichneten Landstrich) und für den Winter eine Verteidigungslinie von dem Rigaischen Meerbusen längs der Düna bis Witebsk, von da bis Smolensk, dann längs dem Dnjepr etwa bis Rohatschew, dann hinter dem Prczipiec und der Muchawiec bis an den Bug ziehen, was etwa 200 Meilen beträgt. Er hätte also den Feldzug beschlossen, ohne die russische Armee besiegt zu haben, diese wäre gewissermaßen intakt und Moskau sogar unbedroht geblieben. Die russischen Streitkräfte, die bei Eröffnung des Feldzuges noch schwach waren und sich im Laufe desselben beinah verdoppeln sollten, hätten nun Zeit gehabt, sich ganz auszubilden, um dann im Laufe des Winters gegen die ungeheure Verteidigungslinie der Franzosen mit einer Offensive zu beginnen. Das war keine Rolle im Geschmack Bonapartes. Das Schlimmste war, daß ein Sieg, den er unter diesen Umständen erfocht, ganz ohne positive Wirkung blieb, weil er mit der Siegeskraft mitten im Winter oder auch selbst im Spätherbst nichts anzufangen wußte, kein Objekt dafür hatte. Er konnte also nichts tun, als die Streiche der Russen stets abwehren, ohne je einen wieder zu führen. Und denkt man nun gar an die Ausführung! Wie sollte er sein Heer aufstellen? In Quartieren? Das war nur in der Nähe einiger beträchtlichen Städte für mäßige Korps tunlich. In Lagern? Das war im Winter unmöglich. Hätte er seine Kräfte aber bei einzelnen Städten zusammengehalten, so war das Land zwischen ihnen niemals sein, sondern gehörte den Kosaken an. Die Verluste, welche die französische Armee im Laufe eines solchen Winters gemacht hätte, wären wahrscheinlich nicht durch die Bewaffnung der Polen ersetzt worden. Diese Bewaffnung des polnischen Volkes hatte bei Licht besehen auch noch große Schwierigkeiten. Einmal blieben immer die Provinzen, die Österreich besaß, davon ausgeschlossen, ferner diejenigen, welche im Besitz der Russen blieben; dann konnte diese Bewaffnung auch Österreichs wegen gar nicht in dem Sinne geschehen, in welchem die Polen sie wünschten, nämlich zur Wiederherstellung des alten polnischen Reichs; das lähmte den Enthusiasmus sehr. Die Hauptschwierigkeit aber war, daß ein Land, in welchem sich eine ungeheure Masse fremder Streitkräfte niedergelassen hat, gar nicht im Stande ist große Rüstungsanstrengungen zu machen. Die außerordentlichen Anstrengungen, welche die Bürger eines Staates machen können, haben ihre Grenzen; werden sie von der einen Seite in Anspruch genommen, so können sie nicht nach einer anderen hin gemacht werden. Wenn der Bauer genötigt ist mit seinem Vieh den ganzen Tag auf der Landstraße zu liegen, um dem fremden Heere die Bedürfnisse hin- und herzuschaffen, wenn er das Haus voll Soldaten hat, wenn der Edelmann seine Vorräte zum Unterhalt hergeben muß, wenn überall der nächste Augenblick mit den ersten Bedürfnissen drängt und drückt: dann kann nicht erwartet werden, daß freiwillige Opfer an Geld und Geldeswert und freiwillige persönliche Dienste die Mittel zu außerordentlichen Rüstungen geben werden. Dessenungeachtet wollen wir die Möglichkeit zugeben, daß ein solcher Feldzug dennoch seinen Zweck erfüllt und den weiteren Angriff für den folgenden Feldzug vorbereitet hätte. Denken wir uns aber zugleich, was von der andern Seite zu überlegen ist, daß Bonaparte die Russen halb unvorbereitet antraf, eine ungeheure Überlegenheit gegen sie anwenden, ihnen den Sieg mit Gewalt entreißen und seiner Unternehmung die ganze Plötzlichkeit geben konnte, die für das Verblüffen so nötig ist, daß er die ziemliche Gewißheit hatte, in einem Zuge bis Moskau vorzudringen, und die Möglichkeit, im ersten Vierteljahr den Frieden in der Tasche zu haben, – denken wir uns das alles und vergleichen wir diese Aussichten mit dem Erfolge eines sogenannten methodischen Feldzugs, so dürfte es sehr zweifelhaft werden, ob, alles verglichen, der Plan Bonapartes nicht mehr Wahrscheinlichkeit des endlichen Erfolgs für sich gehabt hat als der andere, und in diesem Falle wäre er also auch nach der richtigen Methode und nicht nach der gewagteren, sondern der vorsichtigeren gewesen. In jedem Falle aber begreift man, daß ein Mann wie Bonaparte sich nicht lange bei der Wahl besonnen haben wird. Die Gefahren des Augenblicks beherrschen den Menschen stets am gewaltsamsten und darum erscheint oft als eine Verwegenheit, was in letzter Instanz gerade der einzige Rettungsweg, also die höchste Vorsicht ist. Selten ist der bloße Verstand hinreichend den Menschen bis auf diesen Grad zu stärken, und es ist also meist nur die angeborne Kühnheit des Charakters, welche fähig macht solche Wege der Vorsicht zu gehen. An dieser Kühnheit aber fehlte es dem berühmten Eroberer so wenig, daß er gerade aus Neigung das Kühnste gewählt haben würde, wenn sein Genie es ihm auch nicht als das Weiseste geraten hätte. Wir wiederholen es: Alles, was er war, verdankt er dieser kühnen Entschlossenheit, und seine glänzendsten Kriege würden denselben Tadel erfahren haben, wenn sie nicht gelungen wären…“

Karl der Große, der Gründer unseres alten deutschen Reiches

„Denn der König, der alle Fürsten seiner Zeit an Klugheit und Seelengröße überragte, ließ sich von nichts, was zu unternehmen und auszuführen war, durch die Mühe abhalten oder durch Gefahren abschrecken, sondern er hatte sich gewöhnt alles, wie es kam, zu bestehen oder zu ertragen, weder im Unglück nachzugeben, noch den falschen Lockungen des Glücks zu folgen.“ (Einhard)

Von Karl dem Großen ist da die Rede und der hat mal wieder Geburtstag. Als Sohn des Frankenkönigs Pippin des Jüngeren und der Königin Bertrada wurde er 742 (oder 747) in Ingelheim geboren und bestieg den fränkischen Thron bereits 768. In den Jahren darauf verdoppelte er die Größe des Frankenreiches und fügte diesem alle unsere deutschen Stämme hinzu – und namentlich die Sachsen waren ein harter Brocken. Damit waren zum ersten Mal alle unsere deutschen Stämme in einem Reich geeint und sollten dies auch bis zum Untergang unseres alten Reiches bleiben. Die Erneuerung der römischen Kaiserwürde im Jahre 800 sollte auch nicht unerwähnt bleiben. Ebenso wie der Feldzug gegen die Awaren, der zur Einrichtung der Awarenmark führte, die wir heute als Österreich kennen, und natürlich die Errichtung der spanischen Mark, die entscheidend zur Rückeroberung Spaniens von den teuflischen Mauren beitrug. Auch der größte Herrscher ist nicht von Verschwörungen gefeit, wie wir dem Bericht Einhards entnehmen: https://archive.org/details/kaiserkarlsleben00einh

„Er hatte von einem Kebsweib einen Sohn mit Namen Pippin, dessen ich unter den andern Erwähnung zu tun unterlassen habe, schön von Angesicht aber durch einen Höcker verunstaltet. Der stellte sich, während sein Vater mit dem Krieg gegen die Hunnen beschäftigt in Bayern den Winter zubrachte, krank und verschwor sich mit einigen fränkischen Großen, die ihn durch eitle Hoffnungen auf das Königtum verführt hatten, gegen seinen Vater. Der böse Anschlag ward aber entdeckt, die Verschworenen bestraft, den Pippin ließ Karl scheren und nach seinem Willen im Kloster Prüm ein gottgeweihtes Leben führen. Schon früher war gegen ihn noch eine andere Verschwörung in Deutschland angestiftet worden, deren Urheber teilweise geblendet, teilweise am Leib nicht geschädigt, alle aber verbannt wurden; keiner von ihnen kam ums Leben, drei ausgenommen, die um nicht ergriffen zu werden das Schwert zogen, einige sogar dabei töteten und, weil sie auf keine andere Weise zu bewältigen waren, niedergemacht wurden. Diese Verschwörungen hatten jedoch, wie man glaubt, ihren Grund und Ursprung in der Grausamkeit der Königin Fastrada, und darum verschwor man sich beide Male gegen den König, weil er dem grausamen Sinn seiner Gemahlin zustimmend von seiner angeborenen Güte und seiner gewöhnlichen Milde eine schreckliche Ausnahme gemacht zu haben schien. Im übrigen genoß er während seines ganzen Lebens im In- und Auslande der höchsten und allgemeinsten Liebe und Zuneigung, so daß gegen ihn niemals auch nur der geringste Vorwurf wegen ungerechter Grausamkeit von jemanden erhoben wurde. Er liebte die Fremden und nahm sich ihrer mit der größten Sorge an, so daß ihre große Anzahl gar häufig nicht bloß für den Palast, sondern das ganze Reich eine wahre Last zu sein schien. Er selbst jedoch ließ sich in seiner Hochherzigkeit derlei Bedenken wenig anfechten und wog vielmehr die bedeutendsten Nachteile mit dem Ruhm der Freigebigkeit und dem Lohn eines guten Namens auf…“

Mit dem Nachruhm Karls des Großen endet unser Geschichtsforscher Friedrich Kohlrausch in seinen „Bildnissen der deutschen Könige und Kaiser“: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10016311_00005.html

„Der Palast mit seinen Hallen, Höfen und Säulengängen, seinen Türmen und Kuppeln, die ins Tal herabglänzten, und dem Adler, der von seiner höchsten Spitze nach Osten sah, ist bis aus wenige Reste verschwunden; aber noch steht der achteckige Dom, den Karl der heil. Jungfrau baute, und an seinem Eingange die eherne Wölfin aus Rom und der Pinienapfel, aus dessen Blätterspitzen seine Strahlen zu einen Wassergarbe emporsprangen. Aus Ravenna nahm Karl den Mosaikboden und die meisten Marmorsäulen, womit er seinen Dom schmückte, – die Franzosen haben sie teils zertrümmert, teils nach Paris gebracht; – aus Konstantinopel war die große Orgel; aus Jerusalem vom heiligen Grabe sandte der Patriarch hochheilige Reliquien, und aus Bagdad Haroun-al-Raschid zwei große Leuchter, die am Hochaltare die Kerzen trugen. Das Haupt der Christenheit selber kam von Rom, die „Kapelle“ zu weihen, und mit solcher Verehrung sah die folgende Zeit auch dieses Werk des großen Kaisers an, daß die Dichtung, welche überhaupt sein Leben zum Gegenstande ihrer Bildungen in den nächsten Jahrhunderten machte, sich nicht enthalten konnte, auch diesen heiligen Ort mit einer Legende im Sinne jener frommen Zeiten zu verherrlichen. 365 Bischöfe und Äbte, so erzählt sie, kamen mit Papst Leo zur Weihung der Kapelle. Aber als das Hochamt beginnen sollte, waren zwei Sitze leer, denn zwei der Geladenen hielt schwere Krankheit zurück. Da erhuben sich, damit nichts die feierliche Handlung störe, zwei heilige Bischöfe von Tongern, Gondulf und Mondulf, aus ihren Gräbern, nahmen die leeren Sitze am Altare ein, und als der Papst das Hochamt vollendet, stiegen sie schweigend wieder hinunter in ihre Gruft. – Mit welcher Andacht mögen später Hunderttausende gebetet haben an einer Stelle, zu deren Weihung, nach ihrem frommen Glauben, selbst die Gräber ihre Toten sandten! Und wie seine Werke, so, hat auch das Mittelalter ihn selbst und die Genossen seiner Größe in vielen Dichtungen verherrlicht. Die Zeiten nach ihm werden bald verworren, flach und klein; von seinen Pflanzungen verkümmert eine nach der andern; nur einzelne Samenkörner bleiben, um später mit neuer Frühlingskraft auszugehen. Sein herrliches Reich spaltet sich und die Teile feinden einander an. Zwischen der Gestalt, welche Karl dem vereinigten Reiche fast aller christlichen Völker geben wollte, und derjenigen, welche die Christenheit hundert Jahre nach seinem Tode wirklich hatte, ist eine große Kluft. Aber um so höher und einsamer ragt aus der Nacht, die aus ihn folgte, die gewaltige Gestalt des großen Kaisers hervor; und wie sie bald in den sächsischen und noch mehr in den hohenstaufischen Kaisern den hohen Sinn für die große Bestimmung des römisch-deutschen Kaisertums geweckt hat, so ist sie auch für die Phantasie der Dichter ein unerschöpflicher Quell der Begeisterung geworden. Seine Jugend, sein Mannesalter, seine Kriegszüge und Eroberungen, so wie seine Person selbst, sind ins Großartigste ausgeschmückt und ausgedehnt. Am liebsten aber verweilte die Phantasie bei dem Sarazenen-Kriege in Spanien, der den Kaiser mit dem märchenhaften Morgenlande in Berührung brachte, und dazu die Weihe eines Glaubenskampfes trug. Hier schmückte sie ihn mit allem Wunderbaren und Abenteuerlichen. Aus seinen Raten und Heerführern schuf sie, eingedenk der runden Tafel von Golde, die zwölf Paladine: Erzbischof Turpin, Herzog Naimis von Bayern, Oliver, Oger der Däne, Ganelon der Verräter, Graf Richard, Lambert von Bourges, Garin von Lothringen, Oöllus von Nantes, Haimon, Milo von Anglante, und vor Allen Roland der Vielbesungene. Seine Kämpfe mit dem Riesen Eisenhart, den Abschied von seinem guten Schwert Durranda, seinen Tod in Ronceval, „dem tauigen Thale“, feierte das Lied durch Jahrhunderte. Noch jetzt singen die Basken seine Liebe zur Donna Alda; und im Norden, den sein Fuß nie betrat, wo Wittekind lange vergessen ist, nennt das Volk die alten Sinnbilder des Blutbannes einer Stadt, riesige Steinbilder mit Schwert und Schild, „Roland, den Schildträger des großen Karl“; (wie in Bremen, Halberstadt, Bonn und so weiter). So lebte Karl nach seinem Tode noch ein glänzendes Leben als Mittelpunkt eines großen Sagenkreises und bald der ganzen romantischen Poesie. Und daß nichts ihm fehle von Allem, wovor jene Zeit in Andacht und Begeisterung sich beugte, so erhob auch die Kirche aus Friedrichs I. Antrieb den alten Kaiser feierlich unter ihre Heiligen, und für alle Zeiten trägt der 28. Januar den Namen des großen Kaisers Karl…“

Kaiser Friedrich der Zweite

Unser alter deutscher Kaiser Friedrich der Zweite wurde 1194 bei Ancona geboren. Der Sohn Heinrichs des Sechsten und der Konstanze von Sizilien regierte unser altes deutsches Reich von 1212 bis 1250. Er mußte sich gegen Kaiser Otto den Vierten durchsetzen, was dem Enkel Friedrichs Barbarossa allerdings recht mühelos gelang. Im Jahre 1220 erlangte er die römische Kaiserwürde und widmete sich vor allem dem Ausbau seiner sizilianischen Hausmacht zum neuzeitlichen Musterstaat. Dies rief allerdings das Papsttum auf den Plan, mit dem sich unser Kaiser Friedrich fortan beständig Fehden lieferte. In deren Rahmen wurde unter anderem Palästina (durch Verhandlungen) zurückerobert und unser Deutscher Orden gar sehr gefördert. Seinen rebellischen Ältesten Heinrich mußte er absetzen und ließ stattdessen den jüngeren Konrad 1237 zum deutschen König wählen. Gegen Ende seiner Herrschaft trafen unseren Kaiser Friedrich einige Rückschläge und sein Haus nach seinem Tod der Untergang. Geheiratet hat unser Kaiser Friedrich 1209 Konstanze von Aragon, mit der er den Sohn Heinrich hatte. Eine zweite Ehe schloß er 1225 mit Isabella von Brienne, die ihm den Sohn Konrad schenkte. Zum dritten Mal heiratete unser Stauferkaiser 1235 Isabella von Plantagenet, mit der er einen Sohn und eine Tochter hatte. Daneben hatte er zahlreiche Techtelmechtel und etliche natürliche Kinder – darunter auch Manfred, der ihm als König von Sizilien nachfolgte. Seine langjährige Geliebte Bianca Lancia heiratete er kurz vor seinem Tod. Neben den Staatsgeschäften und Feldzügen fand unser Stauferkaiser auch Zeit für die Förderung der Wissenschaften und Künste. Der hohe Minnesang darf bei der Geburtstagsfeier für unseren alten deutschen Kaiser Friedrich dem Zweiten keinesfalls fehlen. Sein Zeitgenosse Walther von der Vogelweise spielt uns daher nun sein schwermütiges Alterslied vor, um uns an die Vergänglichkeit der Dinge zu erinnern: https://www.youtube.com/watch?v=3PQaZTMx7Ig

„O Weh! Wohin entschwunden ist mir doch Jahr um Jahr?

War nur ein Traum mein Leben? Ach, oder ist es wahr?

Was ich als wirklich wähnte, wars nur ein Traumgesicht?

So hätt ich denn geschlafen und wüßt es selber nicht?

Nun bin ich wach geworden und mir blieb unbekannt,

Was mir zuvor vertraut war wie diese jener Hand.

Und Leut und Land, darin ich von Kindheit an erzogen,

Sind mir so fremd geworden, als war es schier erlogen.

Die mir Gespielen waren, sind heute träg und alt,

Umbrochen ist der Acker, geforstet ist der Wald.

Wenn nicht genau wie einstmals noch heut das Wasser flösse,

Fürwahr, ich wähnte wirklich, daß Unglück mich umschlösse.

Mich grüßet lauwarm mancher, der sonst mich gut gekannt,

Die Welt ist voller Ungnad und fiel aus Rand und Band.

Mit Schmerz denk ich an manchen so wonnevollen Tag,

Der spurlos mir zerronnen als wie ins Meer ein Schlag:

Für Ewigkeit, o weh!

O weh, wie sich gehaben die jungen Leute nun,

Wie sind sie voller Kleinmut und wie verzagt sie tun!

Sie wissen nur von Sorgen, doch warum tun sie so?

Wohin den Blick ich wende, ich sehe keinen froh.

Das Tanzen, Lachen, Singen verging in Not und Leid,

Nie hört ich Christen klagen ob solcher Jammerzeit.

Seht an den Schmuck der Frauen, der einst so zierlich stand,

Selbst stolze Ritter tragen ein bäurisches Gewand.

Jüngst sind uns Unglücksbriefe von Rom zuhand gekommen:

Man gab uns Recht auf Trauern, die Freude ward genommen.

Nun schmerzt michs tief – wir lebten dereinst so freudenvoll –

Daß ich mein lustig Lachen in Tränen tauschen soll.

Die Vögel unterm Himmel betrübt selbst unsre Not:

Was Wunder, wenns mich selber betrübt bis in den Tod?

Ich dummer Mann, was sprech ich im Zorn manch unnütz Wort?

Wer Erdenwonnen nachgeht, verscherzt die andern dort

Für Ewigkeit, o weh!

O weh, man hat vergiftet uns mit der Süßigkeit,

Im Honig seh ich schweben die Galle allezeit.

Die Welt ist außen lieblich, ist weiß und grün und rot,

Doch innen schwarz von Farbe und finster wie der Tod.

Wen sie verführt, verleitet, der suche Trost und Heil,

Ihm wird für kleine Buße Verzeihung noch zuteil.

Daran gedenkt, o Ritter, auf daß es euch gelinge,

Ihr tragt die hellen Helme, tragt Panzer, Kettenringe,

Dazu den Schild, den festen, und das geweihte Schwert;

Wollt Gott, ich selber wäre solch eines Sieges wert!

So wollt ich armer Sünder verdienen reichen Sold,

Nicht mein ich Hufen Landes, nicht mein ich Fürstengold:

Des ewgen Lebens Krone, die wollt ich selig tragen,

Die leicht ein Söldner könnte mit seinem Speer erjagen.

Könnt ich die selge Reise doch wagen über See,

So wollt ich jubelnd singen und nimmermehr o weh –

Für ewig nicht, o weh!“

Mehr über unseren Stauferkaiser weiß unser Geschichtsforscher Franz Kampers in seinem Buch „Kaiser Friedrich II. – Der Wegbereiter der Renaissance“ zu berichten und darin hören wir von der Ausgestaltung des Kaisertums durch unseren Staufer:

„Dieser Kaiser, dessen sizilische Untertanen ihn als leibhaftigen unbedingten Herrn schalten sahen und ihn – nach der harten Schule der despotischen Herrschaft der Byzantiner und Araber – auch als einen solchen anerkannten, nahm gern von Byzanz die äußeren Zeichen der knechtischen Huldigung seiner hochthronenden Majestät. Auch dem Staufer nahte man sich in der in der Kaiserstadt am Bosporus üblichen Proskynese zum Fußkuß. Das Volk verharrte in Prosternation, wenn sich der Kaiser zeigte. Dieser blieb in erhabenem Schweigen im Hintergrund. Auf seinen Wink teilte der Logothet – der Setzer der Worte, der Mund des Kaisers – den kaiserlichen Willen als Orakel unter Glockengeläute mit. Ein solcher römischer Kaiser mußte das, wozu auch die Politik des sechsten Heinrich schließlich geführt hätte, vollenden! Er mußte das Kaisertum wieder zu einer italienischen Angelegenheit machen und den Schwerpunkt des Reiches nach Rom verlegen. Italien ist für Friedrich der „Sitz des Imperium“. Stadtrömer aus dem Geblüte des Romulus, so will er, sollen Gesamtitalien wieder regieren. Sein Kaisertum verdichtet sich immer mehr auf das alte „Haupt der Welt“. Er betont, daß das Kaisertum von Rom den Namen habe. Roma, „das Haupt aller Städte, hat durch den Sitz des Kaisertums die Macht über alles staatliche Wesen erlangt.“ Den Römern, die ihn zum Kaiser wählten, fühlt er sich menschlich nahe. Er nennt sich „Mitrömer“. Roma ist ihm die geistige Mutter. Der nach dem Siege bei Cortenuova geborene Sohn, dem, „unter glücklichem Stern empfangen, solche Triumphe als Vorzeichen bei seiner Geburt vorangingen,“ soll nach des Vaters Wort „dem in den alten Rechtswahrzeichen, den Fasces (Romas) erneuerten Imperium die Kraft des ersehnten Friedens und der begehrten Gerechtigkeit verbürgen.“ Nach jenem Siege über das stolze Mailand sendet er, wie ein antiker Imperator, den Fahnenwagen der verhaßten Stadt nach Rom, damit er auf dem Kapitol Aufstellung finde. In einem Schreiben bemerkt er dazu: „Die übermächtige Vernunft, welche dem Könige gebietet“ – die Fortuna Caesarea – „macht es Uns zur Pflicht, den Glanz der Stadt zu erhöhen, den durch die Glorie von Triumphen die Ahnen zu steigern glaubten.“ Der Sieg bei Cortenuova wird hier ein „römischer Sieg“ genannt. „Eueren Titeln schreiben wir zu, was immer wir seither unter günstigen Auspizien vollführten, da wir uns mit dem Ruhme des glorreichen Ausgangs zurückwenden zu der Stadt, die wir (als Knabe) mit der Bängnis zweifelhaften Geschicks verließen.“ Rom sah wieder eine antike Siegesfeier. Es beginnt die später häufig lächerlich wirkende „Sucht nach Trionfi, nach Lorbeer, nach persönlichem Ruhm und nach Verewigung des Menschen.“ Doch nur ein Schaustück für die Eigenliebe und Neugier der Römer war Friedrichs Triumph. Seine ideale Hauptstadt konnte er sich nicht erkämpfen. Friedrichs Romkult hat ihm selbst nicht genützt. Große geistige Wirkungen aber strahlten von ihm aus: Wegen des literarischen Ruhmes der Manifeste der kaiserlichen Kanzlei, in denen sich dieser Romkult ausspricht, wird er das Erbe des Humanismus…“

Bei unserem Geschichtsforscher Friedrich Kohlrausch in den „Bildnissen der deutschen Könige und Kaiser“ sagt unser Kaiser Friedrich der Zweite einmal mehr dem Papsttum die Fehde an: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10016311_00005.html

„Es war, ohne Zweifel, viel Wahres darunter, denn Friedrichs oft in Grausamkeit ausartende Strenge, seine Leidenschaft, seine Herrschsucht hatten ihn oft über die Grenzen des Rechts und der Wahrheit hinweggerissen; allein wie Alles in dem Härtesten und gehässigsten Lichte dargestellt war, so waren auch unerwiesene Beschuldigungen als gewiß mit ausgeführt, wie zum Beispiel die, daß Friedrich den Herzog Ludwig von Bayern durch die Hand von Assassinen habe morden lassen. Der Schluß der Bulle lautete so: „Wegen dieser und anderer fluchwürdigen Missetaten erklären Wir, nach sorgfältiger Beratung mit Unsern Brüdern, den Kardinälen, und dem heiligen Konzilium, jenen Fürsten, der sich des Kaisertums und seiner Königreiche unwürdig gemacht hat, der seiner Verbrechen halber von Gott verworfen ist, aller seiner Ehren und Würden beraubt und entsetzt. Alle, die ihm durch den Eid der Treue verpflichtet sind, entbinden Wir für immer von demselben und gebieten aus apostolischer Vollmacht, daß ihm niemand ferner als einem Kaiser und König gehorche, und erklären Alle, die ihm mit Rat und Hilfe beistehen möchten, als selbst in den Kirchenbann verfallen. In Deutschland mögen die, welchen die Wahl eines Kaisers zu steht, einen andern erwählen; über das Königreich Sizilien werden wir selbst das Nötige festsetzen.“ Bei diesem harten Spruche, der, wie Matthäus Paris sagt, gleich einem schmetternden Blitze die Hörenden erschreckte, schlugen die kaiserlichen Gesandten an ihre Brust und vergossen Tränen, und Thaddäus von Suessa rief: „Dies ist ein Tag des Zornes, ein Tag der Trauer und des Elends! Nun werden sich freuen die Ketzer, die Cbowaresmier werden herrschen und die Mongolen hereinbrechen!“ Aber Innozenz sprach: „Ich habe das Meinige getan, Gott möge das Weitere lenken nach seinem Willen!“ Hierauf wurde „Herr Gott, dich loben wir“ angestimmt und nach dessen Beendigung senkten Innozenz und die Prälaten Fackeln zur Erde, daß sie erlöschten, und warfen sie aus den Boden. Der Urteilsspruch wurde sogleich niedergeschrieben und mit den Siegeln der anwesenden Prälaten versehen. Es war eine der verhängnisvollsten Tatsachen, welche die Geschichte kennt, als eine Kirchenversammlung, die sich als die Vertreterin der ganzen Christenheit ansah, das weltliche Haupt derselben und sein Geschlecht mit dem Fluche belegte und des Thrones entsetzte; der große Riß, welcher das Kaisertum von seiner Höhe als Schutzwehr der Kirche herabstürzte, war durch diesen Urteilsspruch vollzogen. Die Kardinäle bekamen rote Hüte zugeteilt, um des Blutzeugnisses eingedenk zu sein; Innozenz aber war so von seinem Rechte und seiner Pflicht überzeugt, daß er in seiner nachherigen Verteidigungsschrift gegen Friedrich den Ausspruch tut: „er sei bereit, was er getan, bis zum Tode zu vertreten, er und seine Brüder, die Kardinäle, würden den Kampf für die Sache Gottes und der Kirche bis zum letzten Atemzuge bestehen.“ Wäre der Kaiser Friedrich ein schwacher Charakter gewesen, so würde ihn der Spruch des Lyoner Konziliums sofort in Vernichtung gestürzt haben; aber noch stand er im Bewußtsein seiner Kraft und der reichen Mittel seiner Herrschaft aufrecht. Da ihm nach Turin die Nachricht seiner Absetzung gebracht wurde, geriet er in großen Zorn und rief aus: „Mich hat der Papst und seine Versammlung meiner Kronen zu berauben gewagt? Laßt doch sehen, ob sie wirklich verloren sind.“ Auf seinen Befehl wurden seine Kronen herbeigeholt, er ergriff eine und setzte sie aus sein Haupt. Mit erhobener Stimme und funkelnden Augen sprach er zu den versammelten Großen: „Noch habe ich meine Kronen und werde sie ohne blutigen Kampf an keinen Papst und keine Kirchenversammlung verlieren. Welcher Hochmut und welche steche Anmaßung, mich, den ersten Fürsten der Erde, dem keiner gleich steht, mit leeren Worten der Willkür von der kaiserlichen Höhe herabstürzen zu wollen! Aber wahrlich, meine Lage ist besser geworden, als sie war; der, welchem ich, wenn auch nicht Gehorsam, doch Verehrung schuldig war, hat sich so ungerecht und feindlich gezeigt, daß ich von aller Liebe und Ehrfurcht gegen ihn entbunden bin und ihn als Feind behandeln darf“, – Und in seinem Schreiben an alle Könige, Fürsten und Barone der Christenheit, welches er ergehen ließ, spricht er es nun ohne allen Rückhalt aus, wie er von der Weltherrschaft des römischen Stuhles denkt. Er warnt alle Fürsten vor dieser Herrschaft, welche bald, nachdem sie den Kaiser, das Haupt aller Herrscher, der seine Majestät allein von Gott habe, unter ihre Füße werde gebracht haben, auch der übrigen weltlichen und geistlichen Fürsten nicht schonen werde. Er schildert die weltlichen Güter, welche die Kirche erworben habe, als die Quelle ihres Verderbens, weshalb es ein Werk der Liebe sei, sie wieder aus ihre ursprüngliche Einfachheit zurückzubringen. Dazu müßten alle Könige und Fürsten mithelfen, statt ihre Länder ausplündern zu lassen, um Rom reich zu machen, Rom, welches, je freigebiger sie ihre Hände auftäten, um so begieriger, nicht bloß nach den Händen, sondern auch nach den Ellenbogen greise. Sein Amt sei es jetzt, für die Freiheit Aller zu kämpfen, wenn auch die Übrigen fortschliefen, als würde die Feuersbrunst, deren Flammen über dem Erdball zusammenschlügen, ihr Häuflein nicht erreichen. Und wenn er, der Vorkämpfer, auch unterliege, so bleibe ihm doch bei der Mit- und Nachwelt der Ruhm des Widerstandes. Die Antwort des Papstes spricht mit gleicher Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit seines Standpunktes als eines Richters über alles Irdische, auch das Höchste, aus. „Nicht bloß eine priesterliche, auch eine königliche Herrschaft gründete Christus und gab dem heiligen Petrus zugleich die Zügel des irdischen und des himmlischen Reiches, wie durch die Mehrheit der Schlüssel augenscheinlich aus gedrückt ist. Auch die Gewalt des Schwertes ist bei der Kirche und stammt von ihr; sie gibt es dem Kaiser bei seiner Krönung; wenn er aber statt des Unkrautes die gesunden Zweige abhaut, so ist es nicht Anmaßung, sondern milde Strenge der Kirche, ihm das Schwert wieder zu nehmen, mit welchem er sich und die Welt töricht zu Grunde richtet.“ …“

Thea von Harbou

Mit unserer Thea von Harbou hat heute eine der großen Gestalten unseres altdeutschen Filmes Geburtstag. Zur Welt kam sie 1888 in Tauperlitz im Frankenland. Die Drehbücher für Filme wie „Der müde Tod“, „Dr. Mabuse, der Spieler“, „Die Nibelungen“, „Metropolis“, „M“, „Das Testament des Dr. Mabuse“, „Hanneles Himmelfahrt“, „Prinzessin Turandot“, „Ein idealer Gatte“, „Der alte und der junge König“, „Eine Frau ohne Bedeutung“, „Der zerbrochene Krug“ oder „Via Mala“ schrieb sie. Dazu noch Bücher wie „Die nach uns kommen“, „Der Krieg und die Frauen“, „Der unsterbliche Acker“, „Deutsche Frauen. Bilder stillen Heldentums“, „Die deutsche Frau im Weltkrieg. Einblicke und Ausblicke“, „Der belagerte Tempel“, „Die unheilige Dreifaltigkeit“, „Gold im Feuer“, „Die Insel der Unsterblichen“ und „Aufblühender Lotos“. Da ein Teil der guten Filme schon vergriffen ist und ein anderer im Netz nicht zu finden ist, suche ich mir „Das wandernde Bild“ aus: https://www.youtube.com/watch?v=KgojfUY276w

Johannes Kepler

Nicht nur ein Volk der Dichter und Denker, sondern auch der Forscher und Erfinder sind wir Deutschen. Einer unserer größten Forscher ist unzweifelhaft unser Johannes Kepler, der die Gesetze zur Berechnung der Planetenlaufbahnen aufgestellt und noch so manches mehr erforscht und erfunden hat. Neben der Sternenkunde befaßte er sich nämlich noch mit der Sichtlehre und der Rechenkunst. Zur Welt kam er 1571 im schwäbischen Weil als Sohn des Händlers Heinrich Kepler und dessen Gattin Katharina, einer Wirtstochter. Sein Studium meisterte er an der Universität von Tübingen und trat bald darauf in kaiserliche Dienste. Unsere Kaiser Rudolf II., Matthias I. und Ferdinand II. beschäftigten ihn als Rechenkünstler und Sterndeuter. Ebenso ließ sich der Feldherr Wallenstein von unserem Kepler die Sterne deuten. Ein jeder Versucht halt dem Nebel des Krieges so gut zu wehren wie er kann… Sein häusliches Glück fand unser Kepler 1597 mit Barbara Müller. Die beiden hatten drei Söhne und zwei Töchter. Bei seinem Geburtstag soll natürlich auch unser Kepler zu Wort kommen. Ich lese daher ein Stück in seiner „Neue Stereometrie der Fässer“ weiter: https://archive.org/details/bub_gb_qnM3AAAAMAAJ

„Verlassen wir die Achse CJ, so kommt zunächst in derselben Ebene eine dazu Normale in Betracht TX, die vorerst außerhalb der Figur gelegen sein soll. Bei der Rotation um TX entstehen ringförmige Körper, die bei der Parabel und Hyperbel nach außen hin unbegrenzt sind, weil ja die nach außen sich öffnenden Arme CP, CQ im Kreise gedreht werden (12, 13). Die Ellipse dagegen erzeugt bei der Rotation um eine solche zur Hauptachse CR normale, außerhalb der Figur gelegene Gerade TX einen flachen oder niedrigen Ring, (annulus supinus seu sessilis), ähnlich jenen auf den Kopf zu legenden Kränzen, wie sie zum Tragen von Gefäßen verwendet werden (14). Man kann sich diese Form wieder nach 2, III vorstellen, wenn man an die Stelle der Schnittkreise Ellipsen setzt, deren Scheitel von TX weggerichtet sind. Berührt die Achse CS den Kegelschnitt im Scheitel C, so entstehen durch Rotation drei Arten von geschlossenen Ringen, von denen zwei wie früher nach außen hin unbegrenzt sind (15, 16), während der von der Ellipse CJ erzeugte begrenzt ist (17), es ist dies ein flacher, niedriger oder gedrückter Ring, (annulus pressus). Man erhält ihn aus 2, II, wenn man statt der Schnittkreise Ellipsen setzt, die sich mit ihren Scheiteln berühren. Endlich möge jene zur Hauptachse des Kegelschnitts normale Rotationsachse die Figur schneiden, wie ON. Die Figur wird so in zwei Teile zerlegt, die bei der Parabel und Hyperbel immer ungleich sind, weil der eine Teil PONQ unendlich, der andre ONC endlich ist, so daß die Kegelschnitte drei Segmente ergeben, zwei unbegrenzte und ein begrenztes; in der Ellipse ist das eine, obwohl beide endlich begrenzt sind, doch meistens größer als das andere. Durch Rotation dieser sechs Segmente um ON entstehen ebensoviel neue Formen von Körpern, von denen zwei um die Mitte, nämlich bei O und N und nach außen ringsherum unbegrenzt sind, weil sie durch die ins Unendliche reichenden Linien PONQ erzeugt werden (18, 19), das größere Ellipsensegment erzeugt einen linsenförmigen, oben und unten nabelförmig eingedrückten Körper (20). Diese Form besitzt eine gewisse Art von kleinen flachen Melonen, (melones sessiles), die ganz gegessen werden können, auch gibt es manche Pilze von dieser Gestalt. Man kann sich diese Form nach 2, III vorstellen, wenn man an Stelle der zusammenhängenden Schnittkreise ebensolche Ellipsen setzt wie in Figur Drei. Schließlich entstehen durch Rotation der kleineren Segmente ONG noch drei Körper, die dem Aussehen nach einander ähnlich, ihrer Natur nach aber verschieden sind: den elliptischen Körper OCNR könnte man als eine dicke Pflaume, (prunum crassum) (21), die parabolischen und hyperbolischen Körper OCNJ der Unterscheidung wegen nicht unpassend als „Spindeln“ (fusus), bezeichnen (22, 23). Und diese beiden Körper, besonders der durch eine sehr stumpfwinklige Hyperbel erzeugte, sind besonders bemerkenswert. Denn es entstehen mit Spitzen versehene Körper, die um den Bauch gewölbt sind, während sich der übrige Teil nach den Spitzen hin immer mehr der geraden Kegelform anschließt. In diesen werden wir, wenn die Scheitel O und N abgeschnitten sind, die natürliche Faßform zu suchen haben. Wie erwähnt, sind aber die Ellipsensegmente bei dieser Art des Schnitts nicht immer ungleich. Wenn nämlich die zur Hauptachse Normale durch den Mittelpunkt N geht, in welcher Lage sie auch normaler oder kürzerer Durchmesser heißt, dann erzeugt die halbe Ellipse, wenn bei der Rotation von ECA der Scheitel C durch J hindurchgeht, eine andere Form eines breiten Sphäroids (24) mit den Scheiteln E und A und dem größten Kreis CHJ, über das schon Archimedes Untersuchungen angestellt hat. Die Betrachtung und Unterscheidung dieser Formen würde für die Untersuchung der Faßform genügen; da ich mir aber vorgenommen habe, bei dieser Spekulation etwas über die Grenzen des Buches hinauszugehen, so mögen der Erkenntnis wegen auch die übrigen Körperarten angefügt werden…“

Ernst Moritz Arndt

Ein großer Wahlpreuße feiert heute Geburtstag: Ernst Moritz Arndt. Geboren wurde der wortgewaltige Dichter und Denker der Befreiungskriege 1769 auf Rügen. Von der Erlangung der akademischen Weihen und Würden, der Demagogenverfolgung und der Frankfurter Paulskirche abgesehen verlief sein Leben in recht ruhigen Bahnen. Seine Bedeutung für uns Deutsche liegt in seinen Schriften und Dichtungen. Als Kostprobe hierfür nehme ich einen Auszug aus seinem Aufruf an die Preußen vom Januar 1813:

„Preußen! Für die Welt und für euch ist ein neuer Stern der Glorie und des Heils aufgegangen, nach ihr alle schauen müsst Ihr habt das hohe Beispiel vor euch, was ein Volk vermag mag, das Gott fürchtet und sein Vaterland und seine Freiheit über alles liebt. Der Wahn der euch und die Welt hielt, ist verwehet, eure Fesseln sind zerbrochen, ihr seid frei. – Auf denn! wagt euren Vätern zu gleichen! wohlan! ihr habt das Beispiel, – geht auch da, Beispiel. Ihr Glücklichen! Euch fällt das schöne Los, die ersten Deutschen zu sein, welche in dem neuen Leben und der neuen Kraft des Volkes allen als glänzendes Muster der Ehre, der Vaterlandsliebe, der Aufopferung der Begeisterung voranschreiten. Es ist für die ganze deutsche Nation eine große eine herrliche Zeit erschienen, es wird mit der Schande und der Verruchtheit ein heiliger und schwerer Kampf beginnen, aber ihr werdet ihn durchfuhren, wenn ihr die Tugenden wieder erfasst wodurch eure Vater so gepriesen waren, Ihr seid die ersten Deutschen, die aufstehen! Ihr müsst mit der Hand, mit dein Herzen, mit den Waffen, ihr müsst mit Worten und Taten mit jeder großen Gesinnung und jedem edlen Stolz die ersten sein, damit eure Bruder das Beispiel haben, dein jeder hintenan zu bleiben sich schäme. Preußen! Viel Unglück muss in Glück, viele Schande in Ehre, viele Verwirrung in Ordnung, viele Unzucht in Zucht verwandelt werden, ehe der deutsche Name wieder mit Glanz in der Reihe der Völker steht. Preußen! Die Schatten eurer edlen Vorfahren, die Geister eurer großen Herrscher, der Geist eures unsterblichen Friedrich, die Tugenden und Werke und Künste unsre so vieler wackerer deutschen Männer, welche die Weltgeschichte verherrlichen, ermahnen euch, wacker und frisch zu sein das schwere Unglück, die schwerere Schande der letzten Jahre, die Drangsale die ihr erlitten, die Gräuel, die ihr erlebt habt, ermahnen euch zum Mut zum Stolz zur Rache, dass auch durch euren Heroismus die verruchten Fremdlinge in den deutschen Grenzen vertilgt und die deutschen Ehren wieder aufgerichtet werden. Es ist eine große und gewaltige gewaltige Zeit. Gott, der ewige und mächtige W alter aller Dinge, hat gerichtet, sein Finger hat sich sichtbar bewiesen, er hat das Seinige getan – es ist an euch, das Eurige zu tun. Eine neue Zeit wird beginnen, eine große und herrliche deutsche Zeit, wenn jede lebendigste Kraft, jedes glühendste Herz, jede freudigste Tugend und jede reinste Gesinnung, wenn die ganze Liebe und Treue des deutschen Volke, in den großen Kampf gesetzt wird. Hass gegen die Fremden Hass gegen die Franzosen, gegen ihren Tand, ihre Eitelkeit, ihre Liederlichkeit, ihre Sprache ihre Sitten, ja brennender Hass gegen alles, was nur von ihnen kommt das muss alle Deutsche fest und und brüderlich vereinen und deutsche Tapferkeit deutsche Freiheit, deutsche Zucht, deutsche Ehre und Gerechtigkeit oben schweben lassen, und wieder in die alte Würde und Herrlichkeit stellen, wodurch unsre Väter vor den meisten Völkern der Erde leuchteten. Und wofür wird gestritten werden in dem großen Kampfe für das Heiligste und Ehrwürdigste, für die Ehre, die Freiheit, die Gerechtigkeit für die Wissenschaft und für die Kunst, für jede schönste Tugend und jedes höchste Gut des menschlichen Geschlechts, die der abscheuliche Tyrann von der Erde vertilgen möchte; für das Liebste und heiterste, für die Eltern und für die Kinder, für die Weiber und für die Bräute, für das gegenwärtige Geschlecht und für die künftigen Geschlechter, die elende Sklaven sein werden, wenn ihr nicht kühne Männer sein wollet. Eures Unterdrückers und Schänders Macht liegt zerschmettert durch Gottes Arm, eure hinterlistigen Feinde, die Franzosen, sind durch seine Wut erniedrigt entkräftet und entgeistert aber wäre der Krieg den ihr als redliche Deutsche mit ihnen zu führen habt, auch der schwerste erste und längste – ihr müsstet davor nicht zittern. Was euch in Schande gebracht hat, muss euch wieder zu Ehren bringen. Nur ein blutiger Franzosenhass kann die deutsche Kraft vereinigen, die deutsche Herrlichkeit wieder herstellen, alle edelsten Triebe des Volkes hervortreiben und alle niedrigsten versenken; dieser Hass, als Palladium deutscher Freiheit den Kindern und Enkeln überliefert, muss künftig an der Schelde, an dem Vogesus und den Ardennen Germaniens sicherster Grenzhüter sein. Preußen! das Zeitalter, das Vaterland, die Welt sieht auf euch; die ersten müssen die glänzendsten sein. Ihr werdet nicht kleiner sein wollen, als euer Beruf ist, ihr werdet nicht schlechter sein wollen, als eure Vater waren. Auf denn! wackre Beginner der Freiheit und Ehre! auf mit euren Herzen zum deutschen Gott und zur deutschen Tugend! Auf zu jedem kühnsten Mut und zu jeder reinsten Hingebung! und ihr werdet wieder in Ehren leben und eure Kinder und Enkel in Freiheit wohnen. Gott hat Gericht gehalten, Gott hat die Bahn geöffnet Gott will, wollet auch! …“

Von seinen dichterischen Werken lasse ich unseren Arndt „Das Lied vom Schill“ zum Besten geben, in welchem natürlich unser legendärer Held Ferdinand von Schill besungen wird:

„Es zog aus Berlin ein tapferer Held,

Er führte sechshundert Reiter ins Feld,

Sechshundert Reiter mit redlichem Mut,

Die dürsteten alle Franzosenblut.

Auch zogen mit Reitern und Rossen im Schritt

Wohl tausend der tapfersten Schützen mit,

Ihr Schützen gesegn‘ euch Gott jeglichen Schuß,

Durch welchen ein Franzmann erblassen muß!

So zieht der tapfre, der mutige Schill,

Der mit den Franzosen sich schlagen will;

Ihn sendet kein Kaiser, kein König aus,

Ihn sendet die Freiheit, das Vaterland aus.

Bei Dodendorf färbten die Männer gut

Das Magdeburger Land mit französischem Blut,

Zweitausend zerhieben die Säbel blank,

Die übrigen machten die Beine lang.

Drauf stürmten sie Dömitz, das feste Haus,

Und jagten die Schelmenfranzosen heraus,

Dann zogen sie lustig ins Pommerland ein,

Da soll kein Franzose sein Kiwi! mehr schrein.

Auf Stralsund stürmte der reisige Zug –

O Franzosen, verständet ihr Vogelflug!

O wüchsen euch Federn und Flügel geschwind!

Es nahet der Schill, und er reitet wie Wind.

Er reitet wie Wetter hinein in die Stadt,

Die der Wallenstein weiland belagert hat,

Wo der zwölfte Karolus im Tore schlief.

Jetzt liegen ihre Mauern und Türme tief.

O weh euch, Franzosen! Jetzt seid ihr tot,

Ihr färbet die Säbel der Reiter rot,

Die Reiter sie fühlen das deutsche Blut,

Franzosen zu säbeln, das deucht ihnen gut.

O Schill, o Schill, du tapferer Held!

Was sind dir für bübische Netze gestellt!

Viele ziehen zu Lande, es schleichet vom Meer

Der Däne, die tückische Schlange, daher.

O Schill, o Schill, du tapferer Held!

Was sprengst du nicht mit den Reitern ins Feld?

Was schließest in Mauern die Tapferkeit ein?

In Stralsund, da sollst du begraben sein.

O Stralsund, du trauriges Stralesund!

In dir geht das tapferste Herz zugrund‘,

Eine Kugel durchbohret das treueste Herz,

Und Buben sie treiben mit Helden Scherz.

Da schreiet ein frecher Franzosenmund:

„Man soll ihn begraben wie einen Hund,

Wie einen Schelm, der an Galgen und Rad

Schon fütterte Krähen und Raben satt.“

So trugen sie ihn ohne Sang und Klang,

Ohne Pfeifenspiel und ohne Trommelklang,

Ohne Kanonenmusik und Flintengruß,

Womit man die Tapfern begraben muß.

Sie schnitten den Kopf von dem Rumpf ihm ab

Und warfen den Leib in ein schlechtes Grab,

Da schläft er nun bis an den Jüngsten Tag,

Wo Gott ihn zu Freuden erwecken mag.

Da schläft der fromme, der tapfre Held,

Ihm ward kein Stein zum Gedächtnis gestellt;

Doch hat er auch keinen Ehrenstein,

Sein Name wird nimmer vergessen sein.

Denn zäumet ein Reiter sein schnelles Pferd,

Und schwinget ein Reiter sein blankes Schwert,

So rufet er immer: „Herr Schill! Herr Schill!

Ich an den Franzosen Euch rächen will.“

Die Schlacht an der Hallue

„Gehen wir die Kriegsgeschichte des neueren Europa durch, so finden wir keine Beispiele von Marathon. Friedrich der Große schlug bei Leuthen mit etwa 30,000 Mann 80,000 Österreicher, bei Roßbach mit 25,000 Mann einige 50,000 Mann Verbündete; das sind aber auch die einzigen Beispiele eines gegen den doppelt und mehr als doppelt so starken Feind errungenen Sieges. Karl XII. in der Schlacht bei Narwa können wir füglich nicht anführen. Die Russen waren damals kaum als Europäer zu betrachten, auch sind selbst die Hauptumstände dieser Schlacht zu wenig bekannt. Bonaparte bei Dresden hatte 120,000 gegen 220,000, es war also noch nicht das Doppelte. Bei Kolin wollte es Friedrich dem Großen mit 30,000 Mann gegen 50,000 Österreicher nicht gelingen, und ebenso Bonaparte in der verzweiflungsvollen Leipziger Schlacht, wo er 160,000 Mann gegen 280,000 stark, die Überlegenheit also lange nicht das Doppelte war. Es geht hieraus wohl hervor, daß im heutigen Europa es dem talentvollsten Feldherrn sehr schwer ist, einer feindlichen Macht von doppelter Stärke den Sieg abzugewinnen; sehen wir die doppelte Streitkraft gegen die größten Feldherren ein solches Gewicht in die Waagschale legen, so dürfen wir nicht zweifeln, daß in gewöhnlichen Fällen bei großen und kleinen Gefechten eine bedeutende Überlegenheit, die aber doch das Doppelte nicht zu übersteigen braucht, hinreichen wird, den Sieg zu verleihen, wie nachteilig auch die anderen Umstände sein mögen.“ (Carl von Clausewitz, „Vom Kriege“)

Unser Feldmarschall Edwin von Manteuffel hat sich also 1870 an der Hallue einen großen Sieg erfochten. Denn mit nur 22,600 Mann und 108 Geschützen hat er 50,000 welsche Kriegsknechte mit 82 Geschützen aus dem Feld geschlagen. Freilich, eine vernichtende Niederlage – anders als Friedrich der Große bei Roßbach – konnte er den Welschen nicht zufügen. Jedoch genügte sein erfolgreicher Angriff am ersten Schlachttag, um den Kampfgeist der Welschen zu brechen und darauf kommt es ja im Krieg vor allen Dingen an. Als die Welschen am zweiten Tag sang- und klanglos abzogen, hatten sie 3000 Mann verloren, während wir Deutschen einen Verlust von 900 Mann zu beklagen hatten. Die Pläne der Welschen zur Rückeroberung von Amiens und zur Störung der Belagerung von Paris waren damit gescheitert. Auch dank unserem General August von Goeben, der sich an der Hallue mal wieder als Unterführer bewährt hat. Die Schlacht an der Hallue geht nun bei unserem Geschichtsschreiber Wilhelm Blume im „Feldzug 1870-71“ zu Ende und unser Feldmarschall von Manteuffel kann zur Verfolgung schreiten: https://archive.org/details/feldzugdieopera00blumgoog

„Im Hinblick auf die große Stärke des Feindes, welcher mindestens 50,000 Mann mit circa 80 Geschützen zur Stelle hatte, und auf die Festigkeit der von demselben auf dem linken Ufer der Hallue besetzten Position, beschloß der General von Manteuffel, sich am 24. Dezember zunächst auf die Behauptung des gewonnenen Abschnitts zu beschränken, das Herannahen der in Aussicht stehenden Verstärkungen abzuwarten, eventuell aber auch einen sich bietenden günstigen Moment zu sofortiger Wiederaufnahme der Offensive zu benutzen. Das VIII. Armeekorps richtete sich demnach im Laufe der Nacht in den eroberten Stellungen zu hartnäckiger Verteidigung ein. Dem General Senden wurde, um ihn der Gefahr eines isolierten Zusammenstoßes mit überlegenen feindlichen Kräften zu entziehen, der Befehl gesandt, seinen Marsch von Sankt Quentin aus auf dem linken Sommeufer fortzusetzen. Am 24. Dezember standen beide Armeen wiederum in Schlachtordnung einander gegenüber. Der Feind versuchte, die XVI. Division von Contay her überflügelnd anzugreifen, wurde jedoch abgewiesen und verzichtete auf weitere Angriffe. Von Mittags an wurde viel Bewegung beim Feinde beobachtet, ohne daß der Zweck derselben sogleich zu erkennen gewesen wäre. Gegen Abend nahm die Bewegung zu, und es wurde wahrscheinlicher, daß der Feind Vorbereitungen zum Abzuge träfe. Für den Fall, daß sich dies am folgenden Morgen bestätigen sollte, erhielt das VIII. Armeekorps Befehl, unmittelbar zur Verfolgung überzugehen, und wurde demselben für diesen Zweck auch die Mittags auf dem Schlachtfelde eingetroffene kombinierte Gardekavalleriebrigade Prinz Albrecht von Preußen zur Verfügung gestellt. Die Armeereserve sollte beim Abzuge des Feindes sogleich Corbie besetzen und dann gegen Peronne abrücken. Der folgende Morgen brachte die bereits erwartete Entscheidung. Der Feind hatte unter dem Schutze der langen Nacht und unter Benutzung der Eisenbahn seinen Rückzug angetreten und zwar, wie sich aus den späteren Rekognoszierungen ergab, über Bapaume bis hinter die Scarpe – Linie nach Douai. Der Rückzug wurde mit Ordnung ausgeführt. Die Verluste des Feindes in den vielfachen Dorfgefechten und besonders bei dem Offensivversuche am 23. Dezember Abends müssen sehr erheblich gewesen sein. 1100 unverwundete Gefangene befanden sich in den Händen des Siegers, der freilich auch einen Verlust von 38 Offizieren, 824 Mann an Toten und Verwundeten, so wie 93 Vermißten zu beklagen hatte. Das VIII. Armeekorps nebst der III. Kavalleriedivision und der Kavalleriebrigade Prinz Albrecht von Preußen folgte am 25. mit der Tete bis Albert, am 26. bis Bapaume, Achiet und Bucquoy. Die von Rouen herangezogenen sechs Bataillone kehrten vom 26. an zur Eisenbahn nach Rouen zurück. Am 27. wurde Peronne von Süden her durch das Detachement von Senden, von Norden her durch die Armeereserve (III. Infanteriebrigade mit vier Eskadronen und zwei Batterien) zerniert. Die baldige Wegnahme dieser kleinen Festung, welche die feindlichen Offensivunternehmungen außerordentlich begünstigte, erschien im hohen Grade wünschenswert; und da ihr Verteidigungszustand sehr zweifelhaft war, ein Belagerungspark auch augenblicklich nicht zur Verfügung stand, beschloß der General von Manteuffel, zu einem Versuche mit Feldgeschütz zu schreiten. Die am 28. Dezember begonnene Beschießung blieb jedoch erfolglos; es wurde daher die Heranführung einiger schwerer französischer Geschütze aus der Zitadelle von Amiens eingeleitet…“

König Konrad der Erste

Wir wollen an seinem heutigen Todestag (918) unserem alten deutschen König Konrad dem Ersten gedenken. Über diesen sind sich unsere alten Geschichtsschreiber nicht so ganz einig: Während Widukind von Corvey und Thietmar von Merseburg den Eindruck zu erwecken versuchen, daß König Konrad weder mit den Bayern unter Arnulf dem Bösen noch mit den Sachsen unter Heinrich dem Vogler so richtig fertig geworden wäre, berichten uns Liutprand von Cremona und Adalbert von Magdeburg das Gegenteil. Einig sind sich aber alle unsere Geschichtsschreiber, daß König Konrad der Erste den Sachsenherzog Heinrich zu seinem Nachfolger bestimmt hat. Als Heinrich der Erste bestieg er den deutschen Thron und festigte unser altes deutsches Reich nach Innen und nach Außen. Der Geschichtsschreiber Adalbert von Magdeburg gibt uns – zur Feier des Tages – einen kurzen Abriß über die Herrschaft König Konrads des Ersten, die vor allem von den wiederholten Einfällen der Ungarn geplagt war:

„CMXI. Starb König Ludwig, der Sohn des Kaisers Arnulf, dem Konrad, der Sohn des von Adalbert getöteten Konrad, da der königliche Stamm jetzt ausging im Reiche folgte.

CMXII. Verwüsteten die Ungarn wiederum ohne Widerstand Franken und Thüringen. Es verschied der Erzbischof Hatto, ein gar tüchtiger und verständiger Mann, und Heriger folgte ihm. Otto, Herzog der Sachsen verschied.

CMXIII. Ein allzu starker Winter. Die Ungarn verwüsteten die alamannischen Gefilde und wurden am Flusse Inn von Bayern und Alamannen erschlagen. In demselben Jahre wurde Einhard der Bischof von Speyer von den Grafen Bernhard und Konrad geblendet.

CMXIV. Wird Otbert der Bischof von Straßburg getötet. Der Bischof Salomon wurde gefangen.

CMXV. Verwüsteten die Ungarn ganz Alamannien mit Feuer und Schwert, ganz Thüringen und Sachsen aber durchzogen sie und kamen bis zum Kloster Fulda.

CMXVII. Gelangten die Ungarn durch Alamannien ins Elsaß und bis zu den Grenzen des Lothringischen Reiches. Erchanger und Bertold werden enthauptet. Arnulf der Herzog der Bayern empört sich gegen den König.

CMXVIII. Feierte der König Konrad die Geburt des heiligen Johannes im Kloster Hersfeld.

CMXIX. Verschied König Konrad, ein in allen Lagen milder und einsichtiger Mann und ein Freund der göttlichen Lehre. Als er fühlte, daß der Tag seines Hinscheidens bevorstehe, rief er seine Brüder und Verwandten, nämlich die Großen der Franken, zu sich, sagte voraus, der Tod stehe ihm bevor und ermahnte sie mit väterlicher Rede, daß bei der Wahl eines Königs nach ihm kein Zwist im Reiche entstehe; er gebot ihnen aber auch, Heinrich, den Herzog der Sachsen, den Sohn Ottos, einen tatkräftigen Mann und eifrigen Förderer des Friedens zu erwählen, und indem er erklärte, es lasse sich kein Anderer finden, der gleich würdig sei für dieses Amt, über schickte er ihm durch dieselben Szepter und Krone und die übrigen Zierrate der königlichen Würde unter der Bedingung, daß er das Reich schütze und bewahre. Er selbst aber schied aus diesem Leben und wurde in dem Kloster Fulda mit ehrenvollem Begräbnis bestattet. In vielen Kämpfen ist er aber während der wenigen Jahre, die er herrschte, von den Bayern und Alamannen und Sachsen ermüdet worden, die sich gegen ihn empörten und die er unter Gottes Beistand vor seinem Tode besiegte…“

Leopold von Ranke

Viele große Dichter und Denker hat unser altes Preußen hervorgebracht. Zu den letzteren gehört unzweifelhaft unser Leopold von Ranke, dem wir die Einführung der wissenschaftlichen Geschichtsforschung verdanken. Und viel Licht ins Dunkel der Vergangenheit hat die Sammlung und Auswertung der alten Chroniken und Urkunden fürwahr gebracht. Im thüringischen Örtchen Wiehe erblickte unser Ranke 1795 das Licht der Welt. Die Gotteslehre und die alten Sprachen studierte er an den Hochschulen von Leipzig und Halle an der Saale. Seine Anstellung als Gymnasiallehrer in Frankfurt an der Oder blieb eine Zwischenstation und so wurde er bereits 1825 zum außerordentlichen Professor für Geschichte an die Berliner Universität berufen. Die ordentliche Professur folgte 1834 und diese begleitete unser Ranke bis 1871. Vor den Traualtar trat er 1843 mit der Engländerin Helena Clarissa Graves, mit der er eine Tochter und drei Söhne zeugte. Die Hohenzollern erhoben unseren Ranke in den preußischen Adelsstand, ernannten ihm zum Geheimrat und verliehen ihm den Blauen Verdienstorden Friedrichs des Großen. Von Rankes Werken seien auswahlweise „Geschichten der romanischen und germanischen Völker von 1494 bis 1514“, „Fürsten und Völker von Südeuropa im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“, „Die römischen Päpste in den letzten vier Jahrhunderten“, „Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation“, „Zwölf Bücher preußischer Geschichte“, „Französische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“, „Englische Geschichte, vornehmlich im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“, „Geschichte Wallensteins“, „Der Ursprung des Siebenjährigen Krieges“, „Die deutschen Mächte und der Fürstenbund“, „Ursprung und Beginn der Revolutionskriege 1791 und 1792“, „Zur Geschichte von Österreich und Preußen zwischen den Friedensschlüssen zu Aachen und Hubertusburg“, „Hardenberg und die Geschichte des preußischen Staates von 1793 bis 1813“, „Friedrich der Große. Friedrich Wilhelm IV. Zwei Biographien“, „Weltgeschichte“, „Über die Verschwörung gegen Venedig, im Jahre 1618“, „Die Osmanen und die spanische Monarchie im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert“ und „Zur deutschen Geschichte. Vom Religionsfrieden bis zum dreißigjährigen Krieg“ genannt. Gefeiert wird unser Ranke natürlich mit Auszügen aus seinen Werken, passenden Bildern dazu und unserem altdeutschen Panzergetränk Met. Wenig überraschend habe ich mir Rankes „Neun Bücher preußischer Geschichte“ ausgesucht, in denen er die Geschichte des Aufstieg unseres Militärstaates zur europäischen Großmacht schildert: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10015001_00007.html

„In Anfange des achtzehnten Jahrhunderts hatte Frankreich, allem Widerstande zum Trotz, die pyrenäische Halbinsel seinem Einfluß, wenn nicht unterworfen, doch auf eine ferne Zukunft hinaus eröffnet: Österreich hatte hauptsächlich durch den Erfolg seiner ungarischen Feldzüge den festen Bestand einer großen Macht gewonnen; Rußland in den Gefahren der schwedischen Anfälle das Übergewicht im Norden an sich gebracht. England, mit Holland verbündet, jeder fremden Einwirkung erledigt, hielt die Wage des europäischen Gleichgewichtes in starker Hand. Die vier großen Mächte standen einander wie eben so viele Weltkörper gegenüber, die nach eingepflanzten Gesetzen ihre eigenen Bahnen beschreiben. Von den übrigen Staaten waren die einen im Kriege überwunden, die andern von einer von außen auferlegten Verfügung betroffen; nur in Norddeutschland hatte man an den Siegen Teil gehabt und war nicht gemeint, sich in die Bahnbewegungen der gewaltigen Nachbarn mit fortziehen zu lassen. Hier war noch ein Platz für eine große europäische Selbständigkeit: Preußen nahm ihn ein. In dem vorliegenden Buche sollen die Ereignisse dargestellt werden, durch welche dies geschehen ist. Von geringen Anfängen, wie alles Lebendige, war der preußische Staat schon zu einer ansehnlichen Größe gediehen, als er, nicht so sehr in bewußtem Ehrgeiz, wie durch die Pflicht der Selbsterhaltung gedrängt, eine nach allen Seiten unabhängige Stellung zu ergreifen versuchte. Nach einer kurzen Zusammenfassung des Früheren werden wir uns mit der Epoche dieser Erhebung und den gefährlichen Kämpfen, unter denen sie vollzogen ward, beschäftigen: hauptsächlich mit den späteren Jahren König Friedrich Wilhelms I., und den ersten jenes Friedrich, welchen die Nachwelt den Großen genannt hat. Dieser Fürst hat über die Ereignisse, in denen er die entscheidende Rolle spielte, auch selbst das Wort genommen: die Schlachten, die er geschlagen, hat er auch beschrieben. Seine Schriften, großenteils auf die Berichte gegründet, die mitten in den Begebenheiten entstanden, in ihrer ursprünglichen Gestalt unter der Eingebung der frischesten Erinnerungen aufgesetzt, zunächst zum Andenken an die tapfern Taten der Armee bestimmt, sind unschätzbare Denkmale von Wahrhaftigkeit und Einsicht: sie vereinigen scharfe Beobachtung mit umfassend königlichen Gesichtspunkten: literarisch enthalten sie manchen glücklichen Wurf gelungener Darstellung. Was von Cäsars Kommentarien gesagt worden ist, gilt vielleicht noch in eigentlicherem Sinne von den Denkschriften Friedrichs; Niemand könnte versucht sein, sie als historische Materialien zu behandeln; kaum entschließt man sich etwas daraus zu wiederholen: so eigen tragen sie das Gepräge ihrer Zeit und vor allem des Genius, aus dem sie hervorgegangen sind. Unmöglich aber konnte sich das tätige und reiche Leben, von welchem diese Schriften wieder Momente bilden, schon selbst historisch werden. Wer hat nicht den Wunsch gefühlt oder aussprechen gehört, über die preußische Geschichte und besonders Friedrich II. noch einmal ausführlichere, eingehendere Mitteilungen zu erhalten, als er selber gegeben hat? Es ist eine allgemeine Überzeugung, daß man die Dinge in ihrem allmähligen Verlaufe noch genauer beobachten, ihnen noch von andern Seiten nahe treten und zu vollerer historischer Einsicht gelangen könne, besonders wenn man Gelegenheit habe, die Archive zu durchforschen, wo in dem die Begebenheiten Tag für Tag begleitenden Schriftwechsel die ursprünglichste Kunde niedergelegt ist. Dieser Vorteil ward mir – und ich kann nicht dankbar genug dafür sein – zunächst in Berlin selbst in erwünschter Fülle gewährt. Der gefaßten Absicht gemäß hatte ich mich vor allem in die weitschichtigen Akten zu vertiefen, die über die Staatshandlungen Friedrich Wilhelms I. übrig sind. In Bezug auf die innere Verwaltung habe ich künftigen Forschern noch eine reiche Ernte übrig gelassen, von der ich nur wünsche, daß sie einmal in die Scheuern gelange. Welch ein Werk könnte eine Geschichte der preußischen Verwaltung werden, wenn man ihre Schritte nach dem jedesmaligen Bedürfnis und Erfolg ohne theoretische Befangenheit zu würdigen, die lebendigen Momente in ihrem Zusammenhange mit dem gesamten Staatsleben zu ergreifen verstünde, so von den alten auf die neueren Zeiten fortschritte. – Auch die Verhandlungen mit dem Ausland konnte ich nicht in aller Ausführlichkeit mitteilen, wie etwa Pufendorf für eine andere Epoche getan hat: denn nicht die Regierungsgeschichte Friedrich Wilhelms war mein eigentlicher Gegenstand: ich hatte nur die vornehmste Richtung seiner Politik zu verfolgen. Schon hierbei aber ward ich auf Friedrich II. geführt; die Irrungen, in welche derselbe mit seinem Vater geriet, konnte ich zum ersten Mal aus den echten Denkmalen darlegen. Nicht alles, was man bisher darüber angenommen hat, will ich, indem ich davon schweige, für unwahr erklären, aber der Widerspruch, den ich zwischen den unzweifelhaften Urkunden und der gang und gäbe gewordenen Überlieferung wahrnahm, flößte mir ein solches Mißtrauen gegen diese ein, daß ich mich auch dann, wenn sie sich allenfalls mit jenen hätten vereinigen lassen, nicht entschließen konnte, sie zu wiederholen. Und Niemand tadle, daß ich das Persönlich-Denkwürdige in die Geschichte des Staates gezogen habe: es ist der Geist der Epoche, daß eins mit dem andern auf das genaueste zusammen greift. Erst nach dem Regierungsantritt Friedrichs II. hebt sich die Beschränkung, die allerdings darin liegt. Dann erst tritt die durch die erfolgreiche Anstrengung wohl verwandter Friedensjahre gezeitigte Kraft des Landes in die ihr bestimmte Laufbahn ein; unter der Führung eines Fürsten, welcher immer die Sache ins Auge faßt, scharf und richtig denkt, große Entschlüsse ergreift und in einem Kampfe auf Leben und Tod die Stellung erobert, auf die es ankam. Wenn man im Angesicht der eigenen Schriften Friedrichs den Mut zu einer historischen Arbeit über diese Zeiten verlieren könnte, so gewinnt man ihn wieder, sobald man bei archivalischen Forschungen die bei ihm kaum berührte Fülle von Tätigkeit wahrnimmt, mit der er selbst im Laufe der Dinge jeden Tag mit Leben und Geist erfüllte, die Unterstützung im Rat und Feld, die ihm Männer von den seltensten Eigenschaften, deren Andenken oft erst zu erneuern ist, gewährten, die Spannkraft und Energie, mit der sein Volk in allen Gefahren ihm folgte. Wollte ich mich aber nicht einer einseitigen Auffassung gleichsam mit Willen aussetzen, so durfte ich mich nicht auf Einen Standpunkt beschränken, wie bedeutend er auch sein mochte; ich mußte noch Freund und Feind hören…“

Beowulf

Zur Feier des Julfestes lesen wir Panzertiere aus dem altdeutschen Heldenlied Beowulf vor. Bei diesem handelt es sich um die älteste überlieferte deutsche Heldensage. Mit dem Troll Grendel, dessen erboster Mutter und einem Drachen hat darin der Held Beowulf zu kämpfen. Eine Abschrift in angelsächsischer Zunge hat uns die Sage überliefert. Die neudeutsche Fassung verdanken wir einmal mehr unserem Gelehrten Karl Simrock. Den fünfzehnten Gesang hören wir daraus. Der Dänenkönig Hrothgar sagt unserem Helden Beowulf Dank für die Erlegung des Trolls Grendel: https://reader.digitale-sammlungen.de/resolve/display/bsb10036848.html

„Hrodgar sprach, als er zur Halle kam,

An der Schwelle stehend den stolzen Bau ersah,

Den mit Gold gezierten und mit Grendels Hand:

„Dieses Anblicks sei dem Allwaltenden

Zuvor Dank gesagt. Viel Leid erduldet‘ ich,

Grimmes, von Grendeln! Aber Gott wirkt immer

Wunder über Wunder, der Walter aller Herrlichkeit.

Noch unlang ist es, daß ich mir alle dieses

Wehs nicht wähnte noch in weiten Zeiten

Buße noch Besserung, wenn ich blutig stehen sah

Das herrlichste der Häuser nach der Helden Mord.

Weh überwältigte die Weisen alle,

Die keine Hoffnung hegten, daß der Beherzteste selbst

Der Leute Landburg den Leidigen wehren möchte,

Vor Scheusalen schützen. Schauet, hier wirkte nun

Ein Held ein Heldenwerk durch des Herren Macht.

Wir alle lebenslang ließen uns solche

Tat nicht träumen. Traun, sie mag sagen,

Welche Maid auch immer unterm Menschenvolke

Diesen Helden gebar, wenn sie heute noch lebt,

Daß ihr Gott der Gute sich gnädig erwies

In des Kindes Geburt! Nun Beowulf, will ich dich,

Hehrster der Helden, von Herzen lieben

Wie den eigenen Sohn! Halt in Ehren hinfort

Die neue Sippe! Nichts gebreche dir mehr

Weltlicher Wunschgüter, deren ich Gewalt habe.

„Oft lohnt‘ ich reichlich geringere Tat

Mit Schatzgeschenken viel schwächerm Helden,

Der säumiger stritt. Dir selber hat nun

Tapfere Tat erwirkt, daß deine Tugend lebt

Immer und ewig. Der Allwalter möge dir

Mit Güte vergelten wie bis jetzt er tat.“

Da versetzte Beowulf, der Geborene Ecgtheows:

„Dies Heldenwerk hab ich williglich

Vollführt im Gefecht, mich freudig wagend

An des Unkunden Kraft. Ich kann ihn nicht beschreiben;

Hättest du ihn selber doch sehen mögen,

In dem schrecklichen Schmuck, den Schwerzufällenden!

Gern hätt ich ihn hurtig mit harten Stricken

Festgebunden an sein Todesbette,

Daß er unter den grimmen Griffen meiner Hände

Sich windend läge und sein Leben nicht rettete;

Doch vergönnt war mir nicht, da Gott nicht wollte,

Ihm die Flucht zu wehren. Zwar faßt‘ ich nicht leise

Den mordlichen Gegner: aber zu mächtig war

Auf den Füßen der Feind. Die Faust jedoch hat er

Als Lebenslösung hier lassen müßen

Mit Arm und Achsel. Aber einigen Trost

Hat der Wonnelose nicht gewonnen damit.

Nicht länger lebt darum der Leidanstifter,

Der Schuldbeschwerte: die schmerzhafte Wunde

Nimmt ihn nun mit scharfer Nötigung gefangen

In bittern Banden. So soll der Bösewicht

Dem großen Gerichte entgegenharren,

Welch Los ihm verleihe der erlauchte Schöpfer.“

Stille schwieg nun der Sohn des Ecglaf,

Ließ den Gelfspruch ruhn seiner rühmlichen Tat,

Da die Edlinge selber des Eorles Kraft

Und die Hand am hohen Hause ersahen.

Vorn war von des Feindes Fingern ein jeder

An der Nägel Statt wie von Stahl gebildet,

Des Heiden Handspornen, die unheimlichen Krallen

Des starken Streiters. Sie gestanden alle,

Da habe das Härteste nicht haften mögen,

Das edelste Eisen des Ungetüms

Blutige Kampffaust nicht brechen können…“