Franz Schubert

Den Geburtstag von unserem großen deutschen Tondichter Franz Schubert feiern wir heute. Denn am heutigen Tag im Jahre 1797 erblickte unser Schubert in Himmelpfortgrund das Licht der Erdenwelt. In seinen leider nur 31 Jahren hat er um die 600 Tondichtungen geschaffen – darunter neun Symphonien, etliche geistliche Werke, reichlich Kammermusik, zahlreiche Sonaten, ein paar Opern und dazu noch einige Vertonungen und Lieder. Aber bevor ich hier noch einen musikgeschichtlichen Fachvortrag halte, lasse ich unseren alten Meister doch lieber seine Vierte Symphonie (genannt die Tragische) zum Besten geben: https://www.youtube.com/watch?v=r4Oxnf0Q20c Wer nun Schuberts Musik nicht nur hören will, sondern mehr über dessen Leben und Wirken erfahren möchte, der wird in der Lebensbeschreibung des Heinrich Kreissle von Hellborn hoffentlich fündig: http://www.zeno.org/Musik/M/Kreissle+von+Hellborn,+Heinrich/Franz+Schubert

„Nahezu sechs und dreißig Jahre – ein Menschenalter – sind vorübergezogen, seit, Franz Schubert nach kurzem Erdenwallen aus dieser Welt geschieden ist. Während des Verlaufes dieser drei Dezennien und darüber, nach seinem Tod, ganz hauptsächlich aber in neuester Zeit, war man rühmlichst darauf bedacht, den reichen Schatz seines inneren Lebens, insoweit dieser in der musikalischen Kunst zur Erscheinung gelangte, allgemach aufzudecken und die volle Würdigung seiner erstaunlichen in ihrer Vielseitigkeit noch zu wenig erfaßten künstlerischen Tätigkeit zu ermöglichen. Die Schilderung seiner stillen anspruchslosen äußeren Existenz dagegen beschränkte sich bis zur Stunde auf ein Paar dürftige Lebensumrisse, die bald nach des Tondichters Ableben in öffentlichen Blättern dem Publikum geboten wurden, und auf die von dem Verfasser dieses Buches vor drei Jahren herausgegebene »Biographische Skizze«, welcher von wohlwollenden, den Schwierigkeiten eines ersten derartigen Versuches Rechnung tragenden Personen, das Verdienst zugestanden wurde, eingehender, als es bis dahin der Fall war, auf die Lebensverhältnisse und die musikalische Produktivität Schuberts hingewiesen zu haben. Jene Skizze aber, so bescheiden ausgestattet sie war, barg doch den fruchtbringenden Keim neuen Lebens in sich; denn bald nach ihrem Erscheinen öffneten sich da und dort zwar spärlich fließende, aber dennoch höchst willkommene Quellen, deren Existenz mir entweder gar nicht bekannt war, oder die ich für versiegt gehalten hatte. So sah ich mich denn durch Mitteilungen verschiedener Art, welche teils Neues, teils Berichtigungen tatsächlicher Irrtümer enthielten, sowie durch eigene Bemühung allmälig in dem Besitz eines verhältnismäßig reichhaltigen Materiales, welches zu benützen und aufs neue zu verarbeiten ich mich durch mehrfache Gründe bestimmen ließ. Auch konnte ich mir nicht verhehlen, daß mein innigeres Vertrautwerden mit der Schubertschen Muse und die mir über seine äußeren Verhältnisse mittlerweile gewordenen Aufklärungen auf so manche in der »Skizze« ausgesprochene Ansicht modifizierend eingewirkt hatten. Die Schwierigkeiten, mit welchen eine Darstellung von Schuberts Leben zu kämpfen hat, sind freilich in Wesenheit dieselben geblieben. Sie gipfeln in der Unmöglichkeit, ein Leben, »in welchem es nicht Berg nicht Tal, sondern nur gebahnte, Fläche gab, auf der sich unser Tondichter in gleichmäßigem Rhythmus fortbewegte«, – als interessant und bedeutend hinzustellen, ohne dem Leser an Stelle der Wahrheit Phantasiestücke zu bieten, die wohl für den Augenblick Anregung und Erheiterung gewähren mögen, der Sache selbst aber in keiner Weise förderlich sind. Eben aus dieser Ursache haben auch Personen, in deren Macht es gestanden, über Schuberts Leben viele und zuverlässige Aufschlüsse zu geben, nach wiederholten Anläufen zu größeren Arbeiten in dieser Richtung, sich schließlich auf die Erklärung zurückgezogen, daß eine Biografie Schuberts ein geradezu unausführbares Unternehmen sei, weil sich dieser Tondichter, dessen äußere Existenz so ganz von alle dem losgelöst war, was geistig in ihm lebte und webte, nur aus seinen musikalischen Inspirationen darstellen und begreifen lasse. Es liegt in der Tat ein Körnchen Wahrheit in dieser Behauptung; – jede Biografie Schuberts wird wegen des Mangels an innigen Wechselbeziehungen zwischen innerem und äußerem Leben mehr oder weniger das Gepräge des Skizzenhaften an sich tragen, und die Aufzählung und Würdigung seiner künstlerischen Leistungen immerdar einen unverhältnismäßig großen Raum in Anspruch nehmen. Dennoch konnte mich diese Ansicht, da sie eben zu viel behauptet, in keiner Weise abhalten, den verpönten Versuch abermals mit verstärkter Kraft zu wagen und die Lösung der mir gestellten Aufgabe nach Tunlichkeit anzustreben. Es ist meine auf Erfahrung gestützte Überzeugung, daß in nicht ferner Zeit bei dem allmäligen Heimgange der noch lebenden Zeugen von Schuberts äußerer Existenz eine Biografie dieses Tondichters schlechterdings zu den Unmöglichkeiten gehören wird, und daß fürder, ungeachtet so mancher unvermeidlicher Lücken, im Wesentlichen kaum ein Mehreres geboten werden dürfte, als in dieser Darstellung enthalten ist, es müßte denn Jemand, auf rein musikalischen Boden sich stellend, Lust und Muse finden, die an die Zahl von Eintausend hinanreichenden Kompositionen Schuberts kritisch zu zergliedern. Für dieses Mal erkannte ich es als eine dringende Aufgabe, von dem allerorts zerstreuten trümmerhaften Materiale, das mir von vielen, in dieser Darstellung namhaft gemachten, Personen mit dankenswerter Bereitwilligkeit zur Verfügung gestellt wurde, zu retten, was zu retten war, und das Gesammelte, in chronologischer Reihenfolge geordnet, nach Möglichkeit zu einem Ganzen zusammenzufassen. Indem ich das Ergebnis meiner Forschungen der Öffentlichkeit übergebe, darf ich wohl dem Wunsche Ausdruck verleihen, daß es mir gelungen sein möge, zu der Wiederbelebung von Schuberts Andenken, welche man gerade jetzt teils durch liebevolles Eingehen in seine künstlerische Gesamtwirksamkeit, teils auf monumentalem Wege zu erzielen bestrebt ist, nach meiner Weise erfolgreich mitgewirkt zu haben…“

Die Einnahme der gallischen Hauptstadt Paris im Jahre 1871

Im Jahre 1871 streckte die gallische Hauptstadt Paris die Waffen. Alle Versuche zum Ausbruch und Entsatz seitens der Gallier schmetterten wir Deutschen ab. Hunger und Beschuß taten ein übriges. Mit dem Fall von Paris fand auch der gallische Krieg von 1870-71 ein Ende. Das gallische Feldheer war nämlich schon vorher fast gänzlich zerschlagen und mit dem Freiwerden unserer Belagerungsarmeen sah es für die Gallier zappenduster aus. Wir Deutschen waren also am Ziel und konnten unser Herzogtum Lothringen nach fast 200 Jahren gallischer Fremdherrschaft endlich befreien. Die Aufgabe von Paris schildert uns Moltke der Ältere zur Feier des Tages: https://archive.org/details/geschichtedesdeu00moltuoft

„Seitdem Herr Thiers von seiner diplomatischen Rundreise zurückgekehrt war, wußte man, daß ein vermittelndes Einschreiten der auswärtigen Mächte nicht zu erwarten sei. Die Bedrängnis der Hauptstadt war mehr und mehr gestiegen. Längst schon hatten Mangel und Teuerung auf den Bewohnern gelastet. Ihre Vorräte waren erschöpft, und selbst die Bestände der Besatzungsarmee bereits stark in Anspruch genommen. Bei der andauernden Kälte fehlte es an Heizmitteln, und die Gaserleuchtung konnte nur unzureichend durch Petroleum ersetzt werden. Vor der vom Gegner lange verzögerten Maßregel des Bombardements bargen sich im südlichen Teil von Paris die Einwohner in den Kellern oder flüchteten in entfernte Stadtviertel, während bei der nun auch im Norden beginnenden Beschießung die Bevölkerung von Sankt Denis massenweise zuströmte. Der große Ausfall am 19. war vollständig gescheitert, ein Entsatz von außerhalb nicht mehr zu hoffen, seitdem Gambetta den Mißerfolg bei Le Mans mitgeteilt hatte. Die Armee von Paris, welche er der Untätigkeit anklagte, war durch Frost, Krankheit und Desertion um ein Drittel ihrer Stärke vermindert und durch verunglückte Unternehmungen geistig herabgedrückt. Um Fleisch zur Ernährung der Einwohner zu beschaffen, hatte sie ihre Pferde hergeben müssen, auch erklärte General Trochu jede weitere Angriffsunternehmung für hoffnungslos, selbst für den passiven Widerstand seien die Mittel erschöpft. Bisher hatte die Regierung durch schöngefärbte Berichte die Bevölkerung bei guter Laune zu erhalten gewußt, aber die schlimme Lage der Dinge ließ sich nicht mehr verschleiern. Jetzt wurden alle ihre Maßregeln getadelt. Es gab in Paris eine zahlreiche Klasse, welche vor der allgemeinen Not wenig berührt war. Die aus der Zivilbevölkerung bewaffneten Vaterlandsverteidiger wurden von der Regierung ernährt und reichlich besoldet, ohne daß sie sich allzu sehr auszusetzen gehabt hätten. Ihnen schlossen sich alle die unsicheren Elemente an, welche bei ungeordneten Zuständen ihre Rechnung fanden. Diese waren mit den Verhältnissen ganz zufrieden, wie sie der 4. September geschaffen, und wenig später traten sie in der Schreckensgestalt der Kommune auf. Schon zuvor hatten Volksaufläufe nur mit Waffengewalt zerstreut werden können, und selbst ein Teil der Nationalgarde war meuterischen Kundgebungen nicht ferngeblieben. Unterstützt durch die Presse, forderten die demagogischen Klubs auch jetzt noch neue Unternehmungen, ja selbst einen Massenausfall aller Bewohner von Paris. So befand sich die schwache, weil nur auf Volksgunst ruhende Regierung im Gedränge zwischen unerfüllbaren Forderungen der einsichtslosen Menge und dem unerbittlichen Ernst der wirklichen Tatsachen. Unzweifelhaft gab es keinen Ausweg mehr als die Kapitulation der Hauptstadt, jede Zögerung steigerte die Not und zwang zur Annahme härterer Bedingungen. Wurden nicht ungesäumt alle Eisenbahnen freigegeben, um aus weitestem Umkreise Lebensmittel heranzuführen, so mußten unausbleiblich die Schrecknisse einer wirklichen Hungersnot über mehr als zwei Millionen Einwohner hereinbrechen, denen später nicht mehr zu begegnen war. Aber Niemand wagte das verhängnisvolle Wort Kapitulation auszusprechen, Niemand die Verantwortlichkeit für das unausweichlich Gewordene zu übernehmen. Am 21. wurde ein großer Kriegsrat gehalten. Da alle älteren General weitere Angriffsunternehmungen für unausführbar erklärten, glaubte man, sich auch bei den jungen Militärs Rat erholen zu sollen, kam jedoch zu keinem Entschluß. Weil aber doch irgend Jemand an allem Unheil schuldig sein mußte, so wurde nun General Trochu, das ursprünglich populärste der Regierungsmitglieder, seiner Stellung als Gouverneur enthoben und dem General Vinoy der Befehl über sämtliche Truppen verliehen. General Ducrot legte sein Kommando nieder. Gebessert wurde dadurch in den Verhältnissen nichts, und so erschien denn am 23. Herr Jules Favre in Versailles, um Verhandlungen, zunächst wegen Waffenstillstandes, anzuknüpfen. Auf deutscher Seite kam man diesem Wunsche entgegen, mußte aber selbstverständlich Bürgschaft dafür fordern, daß nach erfolgter Versorgung der Hauptstadt dort nicht der Widerstand fortgesetzt werde. Die Übergabe sämtlicher Forts, einschließlich des Mont Valerien und der Stadt Sankt Denis, sowie die Entwaffnung des Hauptwalles wurden gefordert und zugestanden. Am 26. abends sollten die Feindseligkeiten vor Paris eingestellt und alle Zufuhren freigegeben werden. Ein allgemeiner einundzwanzigtägiger Waffenstillstand würde dann mit dem 31. Januar in Kraft treten, ausgeschlossen von demselben aber würden die Departements Doubs, Jura und Cote d’Or sowie die Festung Belfort bleiben, wo zur Zeit noch Operationen sich im Gang befanden, von denen beide Teile sich Erfolg versprachen. Dieser Waffenstillstand gewährte der Defense Nationale die nötige Zeit, um eine drei gewählte Versammlung nach Bordeaux zu berufen, welche zu entscheiden haben werde, ob der Krieg fortzusetzen oder unter welchen Bedingungen der Friede zu schließen sei. Auch in den von den Deutschen Besetzen Landesteilen blieb die Wahl der Abgeordneten völlig ungehindert und unbeeinflußt. Die Kriegsbesatzung von Paris, Linientruppen, Marinesoldaten und Mobilgarden, hatten sofort die Massen auszuliefern, nur 12,000 Mann und die Nationalgarde durften sie zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern der Stadt behalten. Während des Waffenstillstandes blieb die Besatzung dort interniert, nach Ablauf desselben trat sie in Gefangenschaft. Von sofortiger Abführung nach Deutschland, wo schon alle irgend geeigneten Orte mit Gefangenen überfüllt waren, nahm man bei der nahen Friedensaussicht einstweilen Abstand. Ohne Störung erfolgte am 29. Januar die Besetzung der Forts. Ausgeliefert wurden von der Feldarmee 603 Geschütze, 1,770,000 Gewehre und über 1000 Munitionswagen, von der Festung 1362 schwere Geschütze, 1680 Lafetten, 860 Protzen, ferner 3,500,000 Patronen, 4000 Zentner Pulver, 200,000 Granaten und 100,000 Bomben. Die 132tägige Einschließung von Paris war beendet, der größere Teil der vor seinen Mauern festgehaltenen deutschen Streitkräfte frei geworden, um im offenen Felde das Ende des Krieges zu erkämpfen.“

Kaiser Wilhelm II.

Den Geburtstag von unserem letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. feiern wir heute. In Berlin erblickte er 1859 das Licht der Welt. Der Sohn Kaiser Friedrichs IV. und der Viktoria von England bestieg 1888 den deutschen Thron. Seine Regentschaft dauerte bis 1918, wo ihn der Dolchstoß der Novemberverbrecher traf. Die amerikanische Umerziehung versucht uns Deutschen einzureden, daß es sich bei unserem Kaiser Wilhelm II. um einen unfähigen, größenwahnsinnigen und kriegslüsternen Menschen gehandelt habe. Wie immer trifft man die Wahrheit sehr gut, wenn man vom Gegenteil der Behauptungen der amerikanischen Umerziehung ausgeht. Wenn man auch sagen muß, daß die Führung der Staatsgeschäfte durch Wilhelm II. nicht die Höhe der Geschäftsführung durch unseren preußischen Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. oder Friedrich den Großen erreicht hat. Was allerdings hauptsächlich am damals grassierenden Liberalismus lag. Etwas was die amerikanische Umerziehung nicht gerne hört. Dennoch gedieh unser altes deutsches Reich zu Zeiten Wilhelms II. gar sehr und seine gewachsene Wirtschaftskraft erlaubte den Bau einer mächtigen Kriegsflotte. Bei der Wahl seiner Kanzler hatte er kein Glück, mit unserem Admiral Tirpitz oder unseren Graf Schlieffen fand aber gute Kriegsmänner und er war es, der 1914 unseren Feldmarschall Paul von Hindenburg mit der Führung unserer VIII. Armee beauftragt hat und diesem und seinem Stabschef Ludendorff 1916 die Oberste Heeresleitung betraut. Aus seiner ersten Ehe mit Auguste Viktoria gingen sechs Söhne und eine Tochter hervor. Die zweite Ehe mit Hermine von Reuß blieb kinderlos. In den Niederlanden griff unser Kaiser Wilhelm zur Feder – „Aus meinem Leben. 1859–1888“, „Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878–1918“, „Erinnerungen an Korfu“, „Vergleichende Geschichtstabellen von 1878 bis zum Kriegsausbruch 1914“ oder „Meine Vorfahren“ nennen sich seine Bücher. Als alten Preußen freut es unseren letzten Kaiser Wilhelm II. bestimmt, wenn anläßlich seines Geburtstages der Helenenmarsch gespielt wird. https://www.youtube.com/watch?v=eXa2nSuNxoE Während Heer und Marine vor den Kriegsvorbereitungen der Landfeinde warnen, spielen die Diplomaten Vogel Strauß: https://archive.org/details/ereignisseundges00wilhuoft

„In Potsdam eingetroffen, fand ich den Kanzler und das Auswärtige Amt im Konflikt mit dem Chef des Generalstabes, weil General von Moltke die Ansicht vertrat, der Krieg werde unbedingt ausbrechen, während die beiden ersteren fest auf ihrer Auffassung bestanden, es werde nicht dazu kommen, der Krieg würde sich vermeiden lassen, wenn ich nur nicht mobil machen ließe. Dieser Streit dauerte die ganze Zeit über an. Erst als General von Moltke meldete, daß die Russen bereits ihre Grenz-Kordon-Häuser angesteckt, die Grenzbahngeleise aufgerissen und rote Mobilmachungszettel angeschlagen hätten, ging auch den Diplomaten in der Wilhelmstraße ein Licht auf. Ihre Widerstandskraft ein Licht auf. Ihre Widerstandskraft und sie selbst brachen zusammen. Sie hatten an den Krieg nicht glauben wollen. Hieraus geht deutlich hervor, wie wenig wir im Juli 1914 auf den Krieg gefaßt waren, geschweige denn, daß ihn vorbereitet hätten. Als im Frühjahr 1914 Zar Nikolaus II. von seinem Hofmarschall über sein Frühjahrs- und Sommerprogramm befragt wurde, antwortete er: „Je resterai chez moi cette annee, parce que nous aurons la guerre. [Ich werde in diesem Jahre zu Hause bleiben, weil wir Krieg bekommen.]“ (Diese Tatsache soll dem Reichskanzler von Bethmann gemeldet worden sein, ich habe damals nichts davon gehört und sie erst im November 1918 erfahren.) Das ist derselbe Zar, der mir zu zwei Malen, in Björkö und Baltisch-Port, ganz unaufgefordert und für mich überraschend sein feierliches Ehrenwort (word of honour of a sovereign), durch Handschlag und Umarmung bekräftigt, gegeben hat: er werde aus Dankbarkeit für die treue und freund-nachbarliche Haltung des Deutschen Kaisers im russisch-japanischen Kriege, den England allein Rußland eingebrockt habe, niemals gegen ihn das Schwert ziehen, wenn etwa ein Krieg in Europa ausbrechen sollte, am allerwenigsten als Bundesgenosse von England. Dieses Land hasse er, denn es habe ihm und Rußland zu schweres Unrecht angetan, indem es ihm Japan auf den Hals gehetzt habe. Zu derselben Zeit, als der Zar sein Sommerkriegsprogramm aussprach, beschäftigte ich mich in Korfu mit Ausgrabungen von Altertümern, dann reiste ich nach Wiesbaden und schließlich nach Norwegen. Ein Herrscher, der Krieg will und ihn vorbereitet, um seine Nachbarn zu überfallen, wozu es langer heimlicher Mobilmachungsvorbereitungen und Konzentrationen bedarf, der befindet sich nicht monatelang außer Landes und läßt nicht seinen Generalstabschef auf Sommerurlaub nach Karlsbad gehen. Die Feinde haben unterdessen planmäßig Vorbereitungen zum Überfall getroffen. Die ganze diplomatische Maschine bei uns hat versagt. Man sah den heraufziehenden Krieg nicht, weil das Auswärtige Amt mit seinem Standpunkt des „surtout pas d’histoires!“ von dem Gedanken des Friedens a tout prix dergestalt hypnotisiert war, daß es den Krieg als mögliches Mittel der Entente-Staatskunst aus seinen Berechnungen gänzlich ausgeschaltet hatte und deshalb die Kriegsanzeichen in ihrer Bedeutung nicht richtig einschätzte. Auch hierin liegt übrigens ein Beweis für die Friedfertigkeit Deutschlands. Jener Standpunkt des Auswärtigen Amtes brachte es in einen gewissen Gegensatz zum Generalstab und Admiralstab, die pflichtmäßig warnten und zur Abwehr vorbereiten wollten. Dieser Gegensatz hat noch lange nachgewirkt. Die Armee konnte dem Auswärtigen Amt nicht vergessen, daß sie durch seine Schuld überrascht worden war. Und die Diplomaten waren pikiert, daß es trotz ihrer Kunst zum Kriege gekommen war. Unzählig sind die Zeugnisse dafür, daß schon im Frühjahr und Sommer 1914, als bei uns noch niemand an den Angriff der Entente dachte, der Krieg in Rußland, Frankreich, Belgien und England vorbereitet worden ist. Die wesentlichen der mir bekannt gewordenen Beweise hierfür habe ich in die von mir zusammengestellten „Vergleichenden Geschichtstabellen“ aufgenommen. Aus ihrer großen Zahl möchte ich hier nur einige anführen. Wenn ich dabei nicht alle Namen nenne, so geschieht das aus begreiflichen Gründen. Dieses ganze Material ist mir natürlich erst nachträglich, zum Teil während des Krieges, größtenteils erst nach dem Kriege, bekannt geworden.“

Friedrich Wilhelm von Schelling

Die Schule des deutschen Idealismus stellt unzweifelhaft einen Höhepunkt unseres deutschen Denkens dar und so ziemt es sich, dessen Vertreter hin und wieder in Erinnerung zu rufen. Deren Wiegenfeste bieten sich dafür natürlich geradezu an. In Leonberg im Schwabenland wurde mit unserem Friedrich Wilhelm von Schelling 1775 einer der Hauptvertreter unseres deutschen Idealismus geboren. Seine Werke tragen so illustere Namen wie „Über die Möglichkeit einer Form der Philosophie überhaupt“, „Vom Ich als Prinzip der Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen“, „Abhandlung zur Erläuterung des Idealismus der Wissenschaftslehre“, „Ideen zu einer Philosophie der Natur“, „Von der Weltseele“, „System des transzendentalen Idealismus“, „Über den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen“, „Philosophie der Kunst“, „Vorlesungen über die Methode des akademischen Studium“, „System der gesamten Philosophie und der Naturphilosophie insbesondere“, „Philosophische Untersuchungen über das Wesen der menschlichen Freiheit“, „Weltalter“, „Philosophie der Offenbarung“, „Philosophie der Mythologie“ oder „Philosophie der Kunst“ und sind bisweilen Mitschriften seiner Vorlesungen. Denn als Professor an den Universitäten von Jena, Würzburg, München und Berlin verdiente unser Schelling sein Brot. Studiert hat er in Tübingen. Sein häusliches Glück fand er 1803 mit Caroline Michaelis und 1812 mit Pauline Gotter ein zweites Mal. Mit seiner zweiten Frau Pauline hatte er sechs Kinder. Aus seiner Schrift „Von der Weltseele“ lese ich noch ein Stück vor: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schelling,+Friedrich+Wilhelm+Joseph

Jede in sich selbst zurückkehrende Bewegung setzt, als Bedingung ihrer Möglichkeit, voraus eine positive Kraft, die (als Impuls) die Bewegung anfacht (gleichsam den Ansatz zur Linie macht), und eine negative, die (als Anziehung) die Bewegung in sich selbst zurücklenkt (oder sie verhindert in eine gerade Linie auszuschlagen). In der Natur strebt alles kontinuierlich vorwärts; daß dies so ist, davon müssen wir den Grund in einem Prinzip suchen, das, eine unerschöpfliche Quelle positiver Kraft, die Bewegung immer von neuem anfacht und ununterbrochen unterhält. Dieses positive Prinzip ist die erste Kraft der Natur. Aber eine unsichtbare Gewalt führt alle Erscheinungen in der Welt in den ewigen Kreislauf zurück. Daß dies so ist, davon müssen wir den letzten Grund in einer negativen Kraft suchen, die, indem sie die Wirkungen des positiven Prinzips kontinuierlich beschränkt, die allgemeine Bewegung in ihre Quelle zurückleitet. Dieses negative Prinzip ist die zweite Kraft der Natur. Diese beiden streitenden Kräfte zugleich in der Einheit und im Konflikt vorgestellt, führen auf die Idee eines organisierenden, die Welt zum System bildenden Prinzips. Ein solches wollten vielleicht die Alten durch die Weltseele andeuten. Die ursprünglich-positive Kraft, wenn sie unendlich wäre, fiele ganz außerhalb aller Schranken möglicher Wahrnehmung. Durch die entgegengesetzte beschränkt, wird sie eine endliche Größe – sie fängt an Objekt der Wahrnehmung zu sein, oder sie offenbart sich in Erscheinungen. Das einzig-unmittelbare Objekt der Anschauung ist das Positive in jeder Erscheinung. Auf das Negative (als die Ursache des bloß Empfundenen) kann nur geschlossen werden. Das unmittelbare Objekt der höheren Naturlehre ist daher nur das positive Prinzip aller Bewegung, oder die erste Kraft der Natur. Sie selbst, die erste Kraft der Natur, verbirgt sich hinter den einzelnen Erscheinungen, in denen sie offenbar wird, vor dein begierigen Auge. In einzelnen Materien ergießt sie sich durch den ganzen Weltraum. Um diesen Proteus der Natur, der unter immer veränderter Gestalt in zahllosen Erscheinungen immer wiederkehrt, zu fesseln, müssen wir die Netze weiter ausstellen. Unser Gang sei langsam, aber desto sicherer. Die Materie, die in jedem System vom Zentrum gegen die Peripherie strömt, das Licht, bewegt sich mit solcher Kraft und Schnelligkeit, daß einige sogar an seiner Materialität gezweifelt haben, weil ihm der allgemeine Charakter der Materie, die Trägheit, abgehe. Aber allem Anschein nach kennen wir das Licht nur in seiner Entwicklung, höchstwahrscheinlich ist es auch nur in diesem Zustand ursprünglicher Bewegung fähig unser Auge als Licht zu rühren. Nun ist aber jede Entwicklung und jedes Werden einer Materie von eigentümlicher Bewegung begleitet. Wenn nun ein außerordentlich hoher, jedoch endlicher Grad der Elastizität augenblicklich erzeugt wird, so wird derselbe das Phänomen einer höchst elastischen Materie geben, die, weil das Wesen der Elastizität ausdehnende Kraft ist, in einem Raume sich verbreitet, der dem Grade dieser Kraft proportional ist. Dies wird den Schein einer freien Bewegung dieser Materie geben, gleichsam als ob sie vom allgemeinen Gesetze der Trägheit ausgenommen, in sich selbst die Ursache ihrer Bewegung hätte. Allein diese Bewegung, so groß und schnell wir sie auch annehmen, unterscheidet sich doch von jeder andern, wodurch in irgend einer Materie ein Gleichgewicht der Kräfte entsteht, nur dem Grade nach. Denn lassen wir etwa jene elastische Materie ohne allen Widerstand, den ein minder elastischer Körper durch seine Undurchdringlichkeit oder durch seine Anziehungskraft ihrer Verbreitung entgegensetzen könnte, in einem völlig leeren Raum sich ausbreiten, so müßte sie, da der Grad ihrer Elastizität doch ein endlicher ist, und die Elastizität jeder Materie in demselben Verhältnis abnimmt, in welchem der Raum, durch den sie sich verbreitet, zunimmt, doch endlich einen Grad der Verbreitung erreichen, bei welchem ihre allmählich verminderte Elastizität in ein relatives Gleichgewicht mit ihrer Masse käme, und so Ruhe, das heißt einen permanenten Zustand der Materie, möglich machte. Das Licht also, obgleich es sich mit wunderbarer Schnelligkeit bewegt, ist doch deswegen nicht mehr und nicht weniger träg, als jede andere Materie, deren Bewegung kein Gegenstand der Wahrnehmung ist. Denn daß ich es gleich anfangs sage, absolute Ruhe in der Welt – ist ein Unding, alle Ruhe in der Welt ist nur scheinbar, und eigentlich nur ein Minus, keineswegs aber ein gänzlicher Mangel der Bewegung (= 0). Die Bewegung des Lichts also ist eine ursprüngliche Bewegung; die jeder Materie, als solcher, zukommt, nur daß sie, sobald die Materie einen permanenten Zustand erreicht hat, mit einem Minimum von Geschwindigkeit geschieht, zu welchem das Licht gleichfalls gelangen würde, sobald seine ursprünglichen Kräfte ein gemeinschaftliches Moment erreicht hätten. Denn jede Materie erfüllt ihren bestimmten Raum nur durch eine Wechselwirkung entgegengesetzter Kräfte; daß sie also denselben Raum permanent erfüllen, das heißt daß der Körper in seinem Zustand beharrt, kann man nicht erklären, ohne jene Kräfte als in jedem Moment gleich tätig anzunehmen, wodurch denn das Unding von absoluter Ruhe von selbst verschwindet. Jede Ruhe, also auch jedes Beharren eines Körpers ist lediglich relativ. Der Körper ruht in bezug auf diesen bestimmten Zustand der Materie; solange dieser Zustand fortdauert (solange z.B. der Körper fest oder flüssig ist), werden die bewegenden Kräfte den Raum mit gleicher Quantität, das heißt sie werden denselben Raum ausfüllen, und insofern wird der Körper zu ruhen scheinen, obgleich, daß dieser Raum kontinuierlich erfüllt wird, nur aus einer kontinuierlichen Bewegung erklärbar ist…“

Wolfgang Amadeus Mozart

Mit unserem Wolfgang Amadeus Mozart hat heute einer unserer ganz unzweifelhaft größten deutschen Tondichter Geburtstag. Im Jahr 1756 wurde er in Salzburg geboren und wirkte später vor allem in Wien. Sein Werk ist mit über 600 Stücken recht umfangreich, wenn man bedenkt, daß der gute Mann nur 35 Jahre alt geworden ist. Unsere alten Tondichter feiern wir Deutschen am Besten mit ihrer Musik und so wollen wir es auch bei unserem Mozart halten. Sein Siebtes Violinkonzert trifft hierbei meine Wahl: https://www.youtube.com/watch?v=H7mXmWK-Nlg Mit unserem Musikgelehrten Ludwig Nohl fühlen wir dazu Mozarts Meisterwerk Fidelio auf den Zahn: http://www.zeno.org/Musik/M/Nohl,+Ludwig/W.A.+Mozart.+Ein+Beitrag+zur+Aesthetik+der+Tonkunst

„Wer nun unserm Meister zu den Gestalten seiner dramatischen Werke gesessen, wer kann es wissen? Von der „Entführung aus dem Serail“ ist bekannt, daß sie zu der Zeit geschrieben wurde, als Mozart um seine Constanze freite, und die erquickende Wärme, ja die tiefe Glut der Empfindung, die den meisten Gesängen der beiden Liebenden in dieser Oper eigen ist, ward von je dem Umstande zugeschrieben, daß Mozart selbst damals gerade in seiner Liebe von allen Seiten und besonders von seinem Vater hart bedrängt, sie nur um so tiefer in sein Herz hineindrückte. Wer ihm später zur Gräfin, zur Susanne, wer zur großen Donna Anna als Modell gedient, ist nicht bekannt, verschlägt auch nichts. Aber Ulibischeff wird von einem richtigen Instinkt geleitet, wenn er unserm Meister in Prag, wo der berühmte Don Giovanni geschrieben wurde, eine Umgebung zudichtet, die dem Treiben dieser Oper einigermaßen entsprach. Eine unendliche Fülle eigenster Erlebnisse gehörte dazu, diese Gestalten bis zum wirklichen Leben zu beseelen, die Textbücher hatten kaum die nötigen Umrisse dazu gegeben, und selbst diese nicht einmal immer psychologisch richtig. Und welche Psychologie, welche Feinheit der Seelenkenntnis entwickelt unser Meister in seiner Musik. Am Besten begreift sich das, wenn man wiederum Beethovens einzige Schöpfung auf diesem Gebiete, den schönen Fidelio, gegen die Mozartschen Opern hält. Gerade was diese auszeichnet, die bis zum höchsten Grade gebrachte individuelle Belebung, fehlt den Figuren des Fidelio meistens. Die Schönheiten, die uns hier entzücken, liegen nicht eigentlich im Dramatischen. Bis zur vollen Persönlichkeit, die frei einherwandelt, auf eigenen Füßen, ohne Anhalt, hat Beethoven selbst Leonore, „die edelste der Frauen“, nicht zu bringen vermocht; selbst diese in manchem Punkte so schön gezeichnete Figur lehnt sich noch so an das Orchester an, wie etwa die Figuren des haut-relief an die Marmorwand: sie möchten hervortreten und frei handelnd dastehen, aber sie können nicht, ihre Existenz, ihre Bewegungen sind an etwas Fremdes gebunden; es ist eine Art Pflanzenleben. Bei Mozart dagegen ist das Orchester in der Tat nur Piedestal, nur der Boden, nicht an dem die Gestalten festgewachsen sind, sondern auf dem sie sich frei bewegen; die Instrumente fesseln nicht die Person an sich, sie dienen vielmehr obendrein dazu, dieselbe nur noch mehr frei zu machen, indem sie ihr manches zu sagen abnehmen, wozu die Person im Momente nicht Mut hat oder nicht Zeit findet. Wir werden darauf zurückkommen. Im Fidelio aber liegt der Schwerpunkt so sehr im Orchester, daß man den größten Teil dieser Oper durchaus mit geschlossenen Augen zu hören vermag, ohne ein Bedürfnis zu bekommen auf die Bühne zu schauen, denn überall, wo die Musik wirklich schön ist, ist sie ein bloßer lyrischer Erguß, der nicht unbedingt gerade zu der Situation gehört, die auf der Bühne vor sich geht. Und wo die Musik mit der Handlung geht, hat sie einen Holzton, etwas Hohles, und sitzt niemals so dem Worte und der Tat auf dem Leibe fest gegossen, wie die Mozartsche. Selbst in den Stücken, die am meisten dramatisches Leben haben, kommen leere Stellen vor, dunkle Punkte, wo Licht und Klang nachläßt oder gar ganz aufhört; es reißt ihm gar oft die Schnur, an die Mozart mit solcher Sicherheit von Anfang bis zu Ende Alles anreiht, und selbst die schönsten Einzelnheiten, das unendlich frohe Aufjauchzen der Seele, das eine Beethovensche Melodie in jedem Zuhörer hervorruft, vermögen nicht für diesen Mangel zu entschädigen. Sogar das Duett: „O namen- namenlose Freude“, das im Schwunge seiner Empfindung kaum seines Gleichen hat, hat etwas von jenem ἰφωρ, wenn man als Beispiel dagegen hält, wie Belmonte und Constanze ihre Wiedervereinigung heraussingen. Und doch ist dies bei weitem keine der besten Kompositionen Mozarts; sie hat zu viel Bravour, wie die B-Dur Arie der Constanze; aber einzelne Stellen sind von einer Wahrheit, ja von einer Glut der Empfindung, daß Fidelio und Florestan dagegen höchstens Fischblut in den Adern zu haben scheinen. Wie kommt das? Konnte sich der Meister, dem es eigentümlich ist, die Empfindung bis zu dem Punkte zu verfolgen, wo sie in jedem Augenblicke zur Rede, zur Tat überzugehen droht, konnte er sich an das von einem Andern geredete Wort nicht binden? Fühlte er sich gebunden, wo seiner Empfindung von fremder Hand das Objekt entgegengebracht wurde? Er, der in seinen Instrumentalwerken frei waltet wie Keiner, erscheint in dieser Oper selten in seiner ganzen Persönlichkeit und Macht; es ist, als sei dem Heroen eine kleine Mütze aufgesetzt, die ihn beengt und entstellt und nach der er sich dennoch in seinen Bewegungen richten muß. Er selbst kommt die ganze Oper hindurch nicht eigentlich zur Freiheit, zum ungehemmten Erguß seiner Seele, und dadurch der Zuhörer auch nicht. Er soll in seinen Figuren die Wirklichkeit darstellen und kennt sie nicht. Hier rächt es sich, daß er sich zeitlebens vom Leben zurückzog, anstatt fortwährend zu hören und zu schauen, was im wirklichen Treiben der Menschen vor sich geht, mit ihnen zu leiden, mit ihnen sich zu freuen, wie Mozart tat. Er selbst schreibt einmal von zwei seiner Bekannten: „Ich betrachte ihn und… als bloße Instrumente, worauf ich, wenn’s mir gefällt, spiele, aber nie können sie Zeugen meiner innern und äußern Tätigkeit, ebensowenig als wahre Teilnehmer von mir werden; ich taxiere sie nur nach dem, was sie mir leisten.“ Und dies schrieb er, den man in Wien schon kurz nach seinem ersten Auftreten den Großmogul nannte, an »einen derjenigen, die sein Herz auserwählt hatte«, und zwar wie Marx (Biographie II, 40) meint, wahrscheinlich schon im Jahre 1801, also in einem Alter von 31 Jahren, wo der Mensch im vollen Drange seines Herzens dem Menschen noch so nahe steht. Halten wir daneben, was Gottfried von Jacquin seinem Freunde Mozart (am 11. April 1787, also als auch dieser 31 Jahre alt war) ins Stammbuch schrieb: „Wahres Genie ohne Herz ist Unding – denn nicht hoher Verstand, nicht Imagination, nicht beide zusammen machen Genie – Liebe! Liebe! Liebe! ist die Seele des Genies“, – so kommt man unwillkührlich auf den Gedanken, als sei selbst jene Freundschaft Beethovens für Amenda, „den sein Herz auserwählt hatte“, sowie jede Empfindung dieses Großen für einen einzelnen Menschen mehr Schwärmerei gewesen als Empfindung, mehr der Phantasie zuzuschreiben als dem Herzen. Und so war es in der Tat; wir könnten die Beispiele reichlich vermehren, dürften nur an Bettina von Arnim erinnern und an die Gräfin Giulietta, das einzige weibliche Wesen, das Beethoven mit der ganzen Kraft seines Innern liebte und bei dem sich die Empfindung bis zu einer Leidenschaft steigerte, die sein Herz zu sprengen drohte. Und doch belehrt uns hier eines Andern die Phantasiesonate in Cis-Moll, die jener Gräfin gewidmet und wie ein Brief ist, den er ihr schreibt, sie zu trösten durch ruhiges Zureden im Adagio, sie zu erquicken durch die Zärtlichkeit des Allegretto, – selbst die Leidenschaftlichkeit des letzten Satzes, die tiefe Erregung und Wahrheit der Empfindung, die der ganzen Sonate nicht abzusprechen ist, alles ist nicht so höchst persönlich, so individuell, wie die Liebe sein muß, es fühlt sich nicht so warm, so lebend an, wie wenn Mozart eine gleiche Empfindung ausspricht; es redet auch hier noch mehr die Phantasie als das Herz. Und doch ist es allein dieses, das der Phantasie des Künstlers selbst in dem Augenblicke, wo er mit kühlster Überlegung schafft, seine Wärme in die Gebilde oft unwillkührlich herabfließen läßt. Treffen wir Mozart irgendwo in solcher Erregung, so ist sein Werk gewiß, als habe es die Liebe selbst diktiert, so sehr beseelte diesen ewig jugendlichen Meister das, was man Liebesgefühl nennt.“

Ulrich von Liechtenstein

Ein Volk der Dichter und Denker sind wir Deutschen fürwahr. Zu den Ersteren gehören natürlich auch unsere alten Minnesänger, jene fahrenden Gesellen, die im hohen und späten Mittelalter von Hof zu Hof zogen und ihre Kunst zum Besten gaben. Die Lieder der größten Meister wurden von emsigen Schreibern in prunkvollen Handschriften wie der Manesser Liederhandschrift festgehalten. Darunter auch die Werke von unserem Ulrich von Liechtenstein, dem wir Panzertiere heute gedenken wollen. Der Grund dafür ist dessen heutiger Heimgang im Jahre 1276. Als Sproß eines steierischen Adelsgeschlechtes wurde er wohl um 1200 geboren. Seine Jugend verbrachte er als fahrender Ritter und Sänger, um dann im Alter als Amtsträger in der Steiermark in Erscheinung zu treten. Wir finden ihn dort als Truchsess, Marschall und Landrichter beurkundet und am Werke. Die Frauenburg war sein Sitz und auf dieser fand er sein häusliches Glück mit Perchta von Weißenstein. Vier Kinder entstammen dieser Ehe. Überliefert sind uns die Werke unseres Liechtensteins im Frauendienst. Darin finden wir 58 Lieder und die dichterische Erzählung seines Lebens. Vom Leben als fahrender Ritter lesen wir nun im Frauendienst unseres Liechtensteins, in der neudeutschen Übertragung von Ludwig Tieck: https://archive.org/details/frauendienstode00tiecgoog

„Den Winter ritt ich nun in die Land, um Frauen zu sehen, treu war zu der Holden mein Herz, und ich sann nur immer, woher ich einen Boten zu ihr nähme. Ich konnte mir aber keinen Boten überall das Land erspähen und erfinden, darum mußte mein sehnendes Herze trauern. Nun kam auch der Sommer mit seiner Schöne wieder und brachte manchen heitern Tag, ich dachte: ich will meiner Frauen heuer wieder dienen, ob ich ihr vielleicht bas gefalle. Ich war bald bereit mit Wappenkleid und Rossen und fuhr nach Kärnten und Krain, und dann gen Österreich, denn in Triest hatte der ehrenreiche von Görz eine Ritterschaft gelegt. Da tat der Grafe Meinhard sehr wohl, wie er schon sonst und auch seitdem getan hat, es wurden wohl fünfhundert Speer da verstochen. Ich verstach da fünfzehn Speer viel ritterlich. Indem tat man mir einen andern Turney zu Brixen kund, da fuhr ich gleich ritterlich hin, um meiner lieben Frauen zu dienen. Da ich zu Brixen kam, empfingen mich die Ritter nach Ritters Sitten, ich war ihnen ein lieber Gast, ich dankte ihren Grüßen mit frohem Gemüt. Der Turney war geteilet, und wir zogen des Morgens früh auf ein Feld, die Murre genannt. Wohl hundert Ritter übten sich an dem Tage in ritterlicher Arbeit. Als sich der Turney zerließ, bat mich der Herr Ulschalch von Botzen, um meine Frau ein Speer mit ihm zu verstechen, ich band meinen Helm alsbald auf, und so auch er, und mit zween starken Speeren rannten wir auf einander, es geschah ein schöner Tyost, aber der hochgelobte Ulschalch stach mir einen Finger aus der Hand. Als ich die Wunde fühlte, band ich den Helm ab und mußte das Stechen lassen. Alle Ritter beklagten gar sehr meinen Schaden, ich sprach: Ihr sollt das lassen, denn ich bin dessen froh, weil es mir ist um ein Weib geschehen, die meinen Dienst daran erkennen muß. Wir zogen wieder in die Stadt, und ich ließ mir einen Meister kommen; da er die Wunde besah, und wie der Finger nur noch an der Hand hing, sprach er: er wird wieder heil, wenn man Euch so tut, wie man soll. Des Trostes war ich von Herzen froh und sprach: betrügt mich nicht und seid mir getreu, so geb‘ ich Euch mit gutem Willen so kräftiges Gut, daß Ihr dessen immer Freude habt. Er unterwand sich mein und verband mir den Finger. Bis an den sechsten Tag lag ich in Banden, und als er nun die Wunde besehen wollte, war sie ganz schwarz, dessen ich und der Meister erschrak. Da sprach ich: wie, Meister, ich mag wohl versäumt sein mit Eurer Meisterschaft, die Wunde ist so häßlich. Er schwieg und sprach kein Wort, nur daß er jämmerlich sah, in großen Sorgen saß er bei mir, ich sprach: nun fahrt durch Gottes Haß als ein Bösewicht von mir, Ihr seid ein Mann gar ohne Sinn, daß Ihr Euch keines biedern Mannes annehmen dürft mit Arznei, denn Ihr könnt es nicht. Mein Herz war ungemut, da hört‘ ich, daß ein guter Meister zu Botzen wäre, dahin ritt ich, man tröstete mich, daß, wenn ich bald hin käme, er mir den Finger mit seiner Meisterschaft gesund machte. Ich ritt alsbald hin, und auf dem Wege verschwand mir zum Teil mein Leid, ich dachte: ich mag wohl froh sein, daß ich der Werten dienen soll. Da riet mir mein Herz von meiner Frauen diese Lied zu singen…“

Feldmarschall Walter Model

Unser Feldmarschall Walter Model wurde im sächsischen Genthin im Jahre 1891 geboren. Ab 1909 diente er im deutschen Heer und kämpfte im Vierjährigen Krieg als Offizier. Die dunklen Jahre der Novemberverbrecher überdauerte er in unserer Reichswehr und wirkte beim Aufbau unserer Wehrmacht mit. Im Sechsjährigen Krieg diente er zuerst als Stabschef bei unserem IV. Armeekorps in Polen und bei unserer XVI. Armee in Gallien. In Rußland bekam er dann sein eigenes Kommando in Form von unserer III. Panzerdivision, mit der er an den Schlachten von Bialystok, Smolensk und Kiew teilnahm. Doch schon im Oktober 1941 wurde ihm der Befehl über unser XLI. Panzerkorps übertragen, mit dem er in der Doppelschlacht von Wjasma und Brjansk kämpfte. Im Januar 1942 wurde er zum Befehlshaber unserer IX. Armee ernannt und verteidigte mit dieser dann ein Jahr lang den Frontbogen bei Rschew. Danach haben wir dann das Unternehmen Zitadelle ausgeführt, dessen Mißlingen allerdings unseren Model sein Kommando gekostet hat. Lange mußte er aber nicht untätig bleiben, denn schon im Januar 1944 erhielt er das Kommando über unsere Heeresgruppe Nord und die Beförderung zum Feldmarschall. Im Juni mußte er dann unsere Heeresgruppe Mitte wiederherstellen und im August im Westen mit unserer Heeresgruppe B den Vormarsch der Amerikaner und Engländer aufhalten. Dabei hat er dann im September auch das große englische Luftlandeunternehmen bei Arnheim abgewehrt. Eine wahrhaft große Leistung. In der Normandie hatten wir nämlich 40 unserer 50 Divisionen im Westen eingebüßt. Als Befehlshaber unserer III. Panzerdivision kämpfte unser Feldmarschall Model in Guderians legendärer Panzergruppe II mit und daher finden er immer mal wieder Erwähnung in dessen „Erinnerungen eines Soldaten“, in diesem Fall im Rahmen der Kesselschlacht von Kiew: https://archive.org/details/heinz-guderian-erinnerungen-eines-soldaten-1960

„Bei meinem Eintreffen in Ksendowka berichtete General Freiherr von Geyr, daß die III. Panzer-Division Romny genommen und einen Brückenkopf über den Romenfluß gebildet habe. Die III. Panzerdivision war an Konotop vorbeigestoßen, ohne die Stadt zu nehmen. Die IV. Panzerdivision befand sich im Vorgehen auf Bachmatsch, die SS-Division „Das Reich“ auf Borsna. Aus den Aussagen Gefangener ergab sich, daß die in der Ukraine fechtenden russischen Verbände zwar noch die Kraft hatten, sich zu verteidigen, daß aber ihre Angriffskraft gebrochen war. General Freiherr von Geyr wurde angewiesen, für die baldige Besetzung des wichtigen Bahnhofs von Konotop zu sorgen, über den unser Nachschub geleitet werden mußte, sowie die IV. Panzerdivision von Bachmatsch nach Süden und die SS-Division „Das Reich“ von Borsna auf Kustowzy anzusetzen. Letztere Division sollte Verbindung mit der II. Armee aufnehmen. Danach setzte ich meine Fahrt zur III. Panzerdivision fort. An der Sejm-Brücke erlebten wir einen russischen Bombenangriff, auf der Marschstraße lag Artilleriefeuer. Der Weg wurde durch Regenwetter immer schlechter und steckte voll liegen gebliebener Fahrzeuge. Die Kolonnen waren auf ein Vielfaches ihrer sonstigen Marschlänge auseinandergezogen. Die Zugmaschinen der Artillerie mußten bereits die Lkw schleppen. In Chmeljow ließ ich beim Stabe der III. Panzerdivision Unterkunft für die Nacht vorbereiten, da mit einer Rückfahrt an diesem Tage nicht mehr zu rechnen war. Dann fuhr ich weiter nach Romny. Nördlich der Stadt bildet der Romen einen starken Abschnitt, der überdies durch Panzergräben und Drahthindernisse der Russen gesichert war. Daß die Russen diesen starken Abschnitt nicht hatten halten können, bewies, daß das Erscheinen der III. Panzerdivision sie völlig überrascht hatte, und daß mit diesem Stoß der Durchbruch vollzogen war. Unmittelbar vor Romny traf ich General Model, der Einzelheiten berichtete. Die Stadt war in seiner Hand, jedoch trieben sich noch Versprengte in den Gärten herum, und man konnte sie nur im gepanzerten Fahrzeug durchqueren. Um 17 Uhr sollte eine Säuberungsaktion beginnen. Im Nordteil der Stadt stieß ich auf eine Gruppe von Stabsoffizieren beim Befehlsempfang unter Oberst Kleemann. Sie war besonders durch die russischen Fliegerangriffe gestört worden, denen keine genügende Abwehr entgegengeflogen werden konnte, weil die Russen aus einer Gutwetterzone starteten, während unsere Flugplätze in einer Schlechtwetterzone lagen, die den Start an diesem Regentage unmöglich machte. Wir wurden sodann auch prompt von drei russischen Fliegern mit MG-Feuer angegriffen, während die Bomben anderwärts fielen. Von Romny aus funkte ich die Direktiven für den nächsten Tag an meinen Stab, durch die das inzwischen eingetroffene XXXXVI. Panzerkorps mit der ihm unterstellten XVII. Panzerdivision und das Infanterieregiment „Großdeutschland“ auf Putiwl-Schilowka (17 km südlich Putiwl) angesetzt wurde. Für Model wurde starker Jagdschutz erbeten. An diesem Tage wurde Bachmatsch genommen. Das Infanterieregiment „Großdeutschland“ erreichte Putiwl. Wir erhielten den Auftrag der Heeresgruppe, uns zum Angriff auf den Udaj-Abschnitt beiderseits Priluki bereitzuhalten. Die Heeresgruppe „Süd“ bereitete den Übergang über den Dniepr bei Krementschug vor, von wo aus sie nach Norden vorgehen sollte, um uns bei Romny die Hand zu reichen.“

König Friedrich der Große von Preußen (Der Alte Fritz)

„Der Krieg ist nicht immer ein freier Entschluß der Politik, und am wenigsten ist er es da, wo die Kräfte sehr ungleich sind; folglich läßt sich jedes Machtverhältnis im Kriege denken, und es wäre eine sonderbare Kriegstheorie, die sich da ganz lossagen wollte, wo sie am meisten gebraucht wird. Wie wünschenswert die Theorie also eine angemessene Streitkraft finden muß, so kann sie doch auch von der unangemessensten nicht sagen, daß sie keine Anwendung mehr zuließe. Es sind hier keine Grenzen zu bestimmen. Je schwächer die Kraft, um so kleiner müssen die Zwecke sein; ferner: je schwächer die Kraft, um so kürzer die Dauer. Nach diesen beiden Seiten hin hat also die Schwäche Raum auszuweichen, wenn wir uns so ausdrücken dürfen. Welche Veränderungen nun das Maß der Kraft in der Kriegführung hervorbringt, werden wir nur nach und nach sagen können, wie die Dinge vorkommen; hier ist es genug, den allgemeinen Gesichtspunkt angegeben zu haben; um denselben aber zu vervollständigen, wollen wir nur noch das eine hinzufügen. Je mehr dem in einen ungleichen Kampf Hineingezogenen der Umfang der Kräfte fehlt, um so größer muß, von der Gefahr gedrängt, die innere Spannung, die Energie derselben werden. Wo das Entgegengesetzte stattfindet, wo statt einer heldenmütigen Verzweiflung eine mutlose eintritt, da hört freilich alle Kriegskunst auf. Verbindet sich mit jener Energie der Kräfte eine weise Mäßigung in den vorgesetzten Zwecken, so entsteht jenes Spiel von glänzenden Schlägen und vorsichtiger Zurückhaltung, welches wir in Friedrichs des Großen Kriegen bewundern müssen.“

Schreibt Carl von Clausewitz in seinem Hauptwerk „Vom Kriege“ und mit unserem Preußenkönig Friedrich der Große hat heute einer seiner großen Lehrmeister Geburtstag. Denn unser Friedrich der Große lieferte unserem Clausewitz mit seinen Schlachten und Feldzügen viel Stoff zur Anschauung und zum Nachdenken. Im Gegenzug wird er wohl ebenso unsterblich werden wie das Buch vom Kriege, welches hoffentlich mindestens ebenso lange überdauert wie die Kriegskunst des Sun Tzu. Die Schlachten und Feldzüge Friedrichs des Großen und dessen Regierungsführung in Preußen sollten eigentlich bekannt sein, aber in den finsteren Zeiten der amerikanischen Umerziehung weiß man ja nie… Also: Geboren wurde der alte Fritz 1712 in Berlin als Sohn des preußischen Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. und der Sophie Dorothea von Hannover. Im Jahre 1740 bestieg er den preußischen Thron und gewann Schlesien im Österreichischen Erbfolgekrieg und behauptet selbiges im Siebenjährigen Krieg und hat im Bayrischen Erbfolgekrieg Bayern vor der Einverleibung durch Österreich gerettet, dieses Mal allerdings ohne Blutvergießen (Maria Theresia gab dieses Mal vor Ausbruch des Kampfes nach). Im Inneren führte er die Verwaltungs- und Wirtschaftspolitik seines Vaters fort und bemühte sich um die Hebung des Wohlstandes und um volkswirtschaftliche Selbstgenügsamkeit. Dazu brachte er die Rechtsprechung auf Vordermann und ließ das allgemeine preußische Landrecht ausarbeiten. Grund genug also, um seinen Geburtstag zu feiern. Und da unser Preußenkönig auch als Geschichtsschreiber und Philosoph tätig war, so können wir das mit seinen eigenen Worten tun, die uns sein Denken und Handeln wohl am Besten näher bringen. Meine Wahl fällt auf seine Überlegungen zur Feldzugsplanung gegen stark überlegene Feinde aus Generalprinzipien des Krieges: http://friedrich.uni-trier.de/de/volz/6/3/

„Wenn ich auch einen Feldzugsplan mißbillige, der sich auf die reine Defensive beschränkt, so bin ich mir doch bewußt, daß man nicht immer einen völligen Offensivkrieg führen kann. Ich verlange nur, daß dem Heerführer in der Defensive nicht durch irgend welche Befehle die Hände gebunden werden, sondern daß die Defensive vielmehr eine List sei, die das Selbstgefühl der Feinde reizt und sie zu Fehlern verleitet, aus denen ein geschickter Feldherr seinen Vorteil ziehen kann. In der Defensive besteht die größte Kunst des Heerführers darin, seinen Feind auszuhungern. Das ist ein Mittel, bei dem er nichts aufs Spiel setzt, aber alles gewinnen kann. Dazu ist erforderlich, daß man durch Klugheit und gewandtes Benehmen das Spiel des Zufalls soweit als möglich ausschaltet. Der Hunger besiegt einen Menschen weit sicherer als der Mut des Gegners. Da aber die Wegnahme eines Proviantzuges oder der Verlust eines Magazins den Krieg noch nicht gleich beendigt und nur Schlachten zur Entscheidung führen, so muß man zum Erreichen seines Ziels beide Mittel anwenden. Ich begnüge mich damit, zwei Defensivpläne nach meinen Prinzipien zu entwerfen: einen für Niederschlesien, den andren für die Kurmark. Ich nehme an, die Österreicher wollen Niederschlesien von Böhmen her angreifen, und trete ihren Absichten folgendermaßen entgegen: Ich errichte mein Hauptmagazin in Schweidnitz und lege 5 Bataillone und 3 Husarenschwadronen hinein. Außerdem errichte ich ein Depot im Schlosse von Liegnitz, um den Feind begleiten zu können, falls er auf dieser Seite eindringen sollte. Erfordern es die Umstände, so schicke ich auch ein Detachement nach Neiße. Vor allem aber lege ich eine Besatzung von 7 Bataillonen und 3 Husarenregimentern nach Glatz, damit dies Korps in Böhmen eindringen, dem Feinde seine Zufuhr abschneiden und ihm wohl gar, wenn es möglich ist, sein Magazin in Königgrätz wegnehmen oder zerstören kann. Dadurch ginge der ganze Feldzug für die Österreicher verloren, und wir wären leichten Kaufs von ihnen befreit. Ich lasse meine Armee bei Schönberg und Liebau lagern, wodurch ich die Straße von Schatzlar decke. Dann sieht dem Feinde nur noch der Weg über Braunau nach Schlesien frei. Ich lasse mein Lager sogar verschanzen, um allen Anschein der Furcht zu erwecken. Dringt der Feind nun über Braunau in Schlesien ein, so lasse ich ihn ruhig vorrücken und lagere mich dann unversehens in seinem Rücken, wozu die Armee allerdings für vierzehn Tage Brot und Mehl haben muß. Dadurch zwinge ich den Feind zur Schlacht, und da ich in seinem Rücken stehe, hängt es ganz von mir ab, ein Schlachtfeld zu wählen, das mir die größten Vorteile bietet. Durch dies Manöver setze ich nichts aufs Spiel, sobald die Befestigung von Schweidnitz vollendet ist. Dem Feind hingegen, wenn er unter solchen Umständen geschlagen wird, sieht kein Weg zum Rückzug mehr offen. Am genommen aber, die Österreicher gingen nur tastend vor, so muß ich über eins ihrer Detachements oder über ihre Avantgarde herfallen und alle List gebrauchen, um sie dreist zu machen, dann aber aus ihrer Verwegenheit Nutzen ziehen. Weit schwieriger ist die Verteidigung der Kurmark, weil sie ein offenes Land ist und die an Sachsen grenzenden Wälder für Lager und Märsche gleich ungünstig sind. Doch glaube ich, daß man sich folgendermaßen benehmen müßte. Berlin, eine offene Stadt, erfordert als Landeshauptstadt meine größte Aufmerksamkeit. Es liegt nur 12 Meilen von Wittenberg. Ich nehme an, die feindliche Armee versammelt sich dort. Dann könnte der Feind drei Pläne ausführen. Der eine wäre, an der Elbe entlang zu marschieren; das aber würde ihm wegen Magdeburg schwer fallen, denn einen solchen Platz kann man nicht hinter sich lassen. Zweitens könnte der Feind über die Oder und den neuen Kanal kommen. Dann aber ließe er sein ganzes Land offen, und man könnte ihn durch einen Vorstoß gegen Wittenberg gleich nach Sachsen zurückwerfen. Der dritte Plan wäre der, stracks auf Berlin loszumarschieren. Die beste Defensive besteht darin, in Sachsen einzufallen, wie wir es im Winter 1745 getan haben. Sich hinter die Spree oder Havel zurückziehen, hieße das Land preisgeben. Lieber würde ich meine Armee bei Brandenburg versammeln, meine Lebensmittel nach Brandenburg und Spandau schaffen, alle Havelbrücken außer denen zu Brandenburg und Spandau zerstören und einige Eilmärsche machen, um die Sachsen in ihrem eigenen Lande anzugreifen, sie zu schlagen und sie selbst in die Defensive zu werfen. Man sage, was man will, aber es gibt keinen andren Entschluß. Am schwierigsten sind die Feldzugspläne, bei denen man sich vieler starker und mächtiger Feinde zu erwehren hat. Dann muß man seine Zuflucht zur Politik nehmen und seine Feinde untereinander zu entzweien suchen oder den einen und andern durch Vorteile, die man ihm verschafft, von ihnen trennen. In militärischer Hinsicht muß man dann zur rechten Zeit zu verlieren wissen (wer alles verteidigen will, verteidigt nichts), muß eine Provinz dem Feinde opfern und derweil mit seiner ganzen Macht den andern zu Leibe gehen, sie zur Schlacht zwingen und alles aufbieten, um sie zu vernichten. Dann muß man Detachements gegen die übrigen senden. Solche Kriege richten die Heere durch die Strapazen und Märsche, die man ihnen zumutet, zugrunde, und dauern sie lange, so nehmen sie zuletzt doch ein schlimmes Ende. Überhaupt müssen alle Feldzugspläne sich nach den Zeitumständen und der Art und Anzahl der Feinde richten, mit denen man zu tun hat. Man soll den Feind nie am grünen Tisch verachten, vielmehr sich an seine Stelle versetzen und sich fragen, was man in seiner Lage tun würde. Je mehr Hindernisse man in seinen Plänen voraussieht, desto weniger wird man nachher bei der Ausführung finden. Kurz, man muß alles voraussehen, alle Schwierigkeiten erkennen und sie zu beseitigen wissen.“

Kaiser Otto III.

Der vierte Liudolfinger auf dem deutschen Thron, Kaiser Otto III., ist heute heimgegangen und so wollen wir seiner und seiner Zeit auch gedenken. Der Sohn Kaiser Ottos II. und der Theophanu von Byzanz saß von 983 bis 1002 auf dem deutschen Thron, wenn er auch Anfangs unter der Vormundschaft seiner Mutter und seiner Großmutter Adelheid stand. Ist ja auch schwierig, mit drei Jahren unser altes Reich so ganz alleine zu regieren. Das Glück des ottonischen Hauses schien auch auf die Herrschaft Ottos III. und so trotzte er dem Versuch Heinrichs des Zänkers, sich des Thrones zu bemächtigen, und herrschte im Ganzen glücklich, wenn es auch immer mal wieder ein kleineres Mißgeschick gab. Nachzulesen sind seine Taten und die Ereignisse seiner Zeit beim Geschichtsschreiber Thietmar von Merseburg. Bei diesem läßt sich nun die Reichsregentin Theophanu unkluger Weise in die Fehden der Polen und Böhmen verwickeln:

„Damals gerieten die Herzoge Miseko, (von Polen) und Bolizlav (von Böhmen) mit einander in Fehde, und fügten sich vielen Schaden zu. Bolizlav rief die Liutizen, die seinen Eltern und ihm immer treu gewesen waren, zu Hilfe, Miseko aber bat die Kaiserin Theophanu um Unterstützung. Diese, die sich damals in Magdeburg aufhielt, sandte den dortigen Erzbischof Gisiler samt den Grafen Eckhard, Esico (von Merseburg), Binizo, so wie meinen Vater und seinen Namensvetter Siegfried, Bruno und Udo und viele andre Ritter dorthin. Diese brachen mit beinah vier Fähnlein auf, und kamen in einen Gau, Selpuli genannt, und lagerten an einem Wasser, über welches eine lange Brücke führte. Und siehe! da kam in der Stille der Nacht einer von den Gefährten des Willo, der den Tag vorher, um sein Landgut zu besichtigen, vor dem Heere vorauf gereist und von den Böhmen gefangen genommen war, zu den Unsrigen, (nachdem er nämlich der Haft entronnen war) und zeigte zuerst dem Grafen Binizo die drohende Gefahr an. Auf seine Aufforderung standen dann die Unseren schnell auf, kleideten sich an, und hörten mit Anbruch der Morgenröte die heilige Messe, einige stehend, andere zu Pferde; beim Aufgang der Sonne aber verließen sie in Spannung über den Ausgang des bevorstehenden Kampfes das Lager. Da rückte Bolizlavs Heer am 13. Juli Schar bei Schar heran, und von beiden Seiten wurden Boten ausgeschickt. Von Seiten des Bolizlav kam ein Ritter, Namens Slopan, um unser Heer auszukundschaften, an uns heran, und als er nun zu seinem Fürsten zurückkam, fragte ihn derselbe, wie unsre Streitmacht beschaffen wäre, ob man mit derselben sich messen könne, oder nicht. Denn Bolizlav war von seinen Getreuen aufgefordert, er möchte doch keinen von den Unsern lebendig entkommen lassen. Slopan aber meldete ihm: „Das Heer der Feinde ist an Zahl klein, aber der Beschaffenheit nach vortrefflich, und steckt von Kopf bis zu Fuß in Eisen. Kämpfen kannst du mit ihnen, aber selbst wenn dir heute der Sieg zu Teil wird, so wirst du so geschwächt werden, daß du deinem dich fortwährend verfolgenden Feinde Miseko nur mit Mühe, oder gar nicht entrinnen wirst; und zudem wirst du dir die Sachsen für immer zu Feinden machen. Wirst du aber besiegt, so ist es mit dir selbst und deinem ganzen Reiche aus; denn du hast keine Hoffnung, dem dich von allen Seiten einschließenden Feinde zu widerstehen.“ Durch solches Zureden ward Bolizlavs Ungestüm gedämpft, und indem er Frieden schloß, bat er unsere Führer, die gegen ihn herangezogen waren, mit ihm zu Miseko sich zu begeben, und sich bei demselben für die Herausgabe seiner Besitzungen zu verwenden. Dies gelobten die Unseren, und Erzbischof Gisiler reiste nebst den Grafen Eckhard, Esico und Binizo mit ihm, indem die Übrigen alle in Frieden heimkehrten. Jedoch wurden diesen allen vorher (es war schon gegen Abend) die Waffen abgenommen und erst, nachdem sie eidlich die Aufrechthaltung des Friedens gelobt hatten, zurückgegeben. Bolizlav kam mit den Unseren an die Oder. Da schickte er an den Miseko die Anzeige, er habe jetzt dessen Helfer in seiner Gewalt. Wenn nun Miseko ihm sein Reich, das er ihm geraubt habe, wieder herausgäbe, so wolle er jene unangetastet fortlassen, wo nicht, sie alle ums Leben bringen. Miseko aber antwortete: Wenn König Otto III. die Seinen retten oder die Gemordeten rächen wolle, so werde er das tun, und auch wenn das nicht geschehe, so werde er, Miseko, doch um jener willen durchaus keinen Verlust leiden. Als Bolizlav dies vernahm, plünderte und verbrannte er, indem er die Unseren ungefährdet ließ, die umliegenden Orte. Von da zurückkehrend, belagerte er eine Stadt, Namens Nimptsch und bekam dieselbe, ohne daß die Einwohner irgend Widerstand leisteten, samt dem Herrn derselben in seine Gewalt. Den letzteren aber übergab er den Liutizen zur Enthauptung, worauf sie auch ohne Verzug vor der Stadt dies Opfer den gnädigen Göttern darbrachten und allesamt die Heimkehr betrieben. Darauf entließ Bolizlav, der wohl wußte, daß ohne seine Hilfe die Unseren vor den Liutizen nicht sicher heim, kommen könnten, dieselben den nächsten Tag in der Morgendämmerung, indem sie, wie man sie ermahnt hatte, sich sehr beeilten. Als das die erwähnten Feinde erfuhren, waren sie bemüht, den Unseren mit einer sehr großen Menge auserlesener Leute nachzusetzen. Bolizlav aber beschwichtigte sie durch folgende Anrede: „Ihr seid gekommen, mir zu helfen: so vollendet denn auch eure Güte gegen mich, wie ihr sie zu erweisen begonnen habt; denn seid gewiß, daß ich mein Leben daran setzen werde, daß jenen, die ich in meinen Schutz genommen und in Frieden entlassen habe, am heutigen Tage kein Leides geschehe. Ehre und Klugheit mahnen uns ab, uns die, welche bisher unsere guten Freunde waren, nun zu offenbaren Feinden zu machen. Wohl weiß ich, daß zwischen euch und ihnen große Feindschaft herrscht, aber es kommt eine weit passendere Zeit, als jetzt, eure Rache zu befriedigen.“ Durch diese Vorstellungen gezügelt, zogen die Liutizen, nachdem er sie noch zwei Tage lang bei sich festgehalten hatte, heim, indem von beiden Seiten bei ihrem Abzuge Freundschaftsbezeugungen und Erneuerung des alten Bündnisses statt fanden. Und darauf wählten jene Ungläubigen, indem sie doch den Unseren nachsetzten, nur 200 Krieger aus, weil der Unseren ja nicht viele waren. Dieses wurde den Unseren aber bald von einem Lehnsmanne des Grafen Udo hinterbracht. Deshalb eilten sie auf der Stelle weiter und erreichten (Gott sei Dank!) wohlbehalten Magdeburg, indem sich folglich die Feinde vergeblich also abgemüht hatten.“

Feldmarschall Ernst Rüdiger von Starhemberg, der zweite Verteidiger unserer alten Reichshauptstadt Wien

Ein vollkommener Feldherr besteht nur in der Idee, wie die Republik Platos, das Gravitationszentrum der Philosophen und der Stein der Weisen. Vollkommenheit ist den Menschen in nichts beschieden. Allein das Bewußtsein unsrer Unvollkommenheit darf uns nicht abhalten, Ideale aufzustellen, damit edle, von Ehrgefühl und Wetteifer beseelte Geister ihnen nahe kommen, wenn sie sie auch nicht ganz erreichen können. Überhaupt sind es die großen Beispiele und Muster, die die Menschen bilden. Wenn schon Helden wie Eugen, Conde, Turenne oder Cäsar unsre Bewunderung erregen, wieviel mehr muß uns dann erst ein Bild ergreifen, das ihre verschiedenen Vollkommenheiten vereinigt darstellt!“ – Friedrich der Große, „Die Generalprinzipien des Krieges“

Zu der Reihe der großen Feldherren, die man sich zum Vorbild nehmen soll, muß man auch unseren Feldmarschall Ernst Rüdiger von Starhemberg zählen. Wir verdanken ihm nämlich die Verteidigung unserer alten deutschen Reichshauptstadt Wien im Jahre 1683 gegen die Türken. Mit kaum 16,000 Mann vermochte er dem Ansturm von über 300,000 Türken standzuhalten. Volle zwei Monate behauptete er sich. Zeit genug, um unserem Kaiser Leopold I. das Zusammenbringen eines Entsatzheeres zu ermöglichen. Am Kahlenberg führte dieses unser Herzog Karl V. von Lothringen zum Sieg über die Türken. Mit der Abwehr begnügte sich Leopold I. freilich nicht und befahl den sofortigen Gegenangriff. Bei diesem befehligte unser Feldmarschall von Starhemberg, der sich seinen Marschallstab mit der Verteidigung Wiens wahrhaft verdient hat, unser Fußvolk. Glänzend hätte seine kriegerische Laufbahn noch werden können, aber eine Verwundung beendete diese jäh im Jahre 1686. Doch als Präsident des Hofkriegsrates wurde er unserem Prinzen Eugen und unserem Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden, was später unser Feldmarschall Albrecht von Roon Moltke dem Älteren werden sollte. Er sorgte nämlich für Nachschub, Verstärkung und Ergänzung unserer Feldheere. Begonnen hat unser Starhemberg seine kriegerische Laufbahn im Jahre 1659. Raimund von Montecuccoli wurde sein Lehrmeister und unter diesem focht er 1664 in der Schlacht von Mogersdorf und später auch am Rhein und in den Niederlanden. Seine Teilnahme an der blutigen Schlacht von Seneffe im Jahre 1674 und seine Verdienste bei der Rückeroberung von Philippsburg verdienen bessere Erwähnung. Seit 1680 war er Festungskommandant von Wien und verstärkte dessen Befestigungsanlagen nach Kräften. Geboren wurde der Sohn Konrads von Starhembergs und der Elisabeth von Zinzendorf im Jahre 1638. Geehelicht hat er 1658 Helena Dorothea von Starhemberg und schloß 1689 eine zweite Ehe mit Maria von Jörger. Aus beiden Verbindungen gingen elf Kinder hervor. Bei unserem Geschichtsschreiber Andreas von Thürheim kommen wir in „Feldmarschall Ernst Rüdiger Graf Starhemberg“ nunmehr zur Vorgeschichte der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken. Angestiftet vom Gallierkönig Ludwig XIV. wälzt sich ein riesiger Heerwurm der Türken auf unsere alte deutsche Reichshauptstadt zu: https://archive.org/details/feldmarschallern01thur

„Der neue Stadtkommandant Graf Starhemberg widmete seine volle Aufmerksamkeit und Tätigkeit insbesondere der Befestigung der Residenzstadt, leider scheiterten viele seiner zweckmäßigsten Entwürfe an der Leere der Kassen. Doch erzählt uns Schenkels Diarium Leopoldi 1702, daß Feldmarschall-Leutnant Graf Starhemberg am 2. Mm 1681 den Festungsbau um die ganze Stadt Wien eifrig fortzusetzen befahl; es mußten bei allen Toren Brücken angebracht werden, damit man schwere Geschütze überführen und leichter in die Außenwerke bringen könne, ebenso wurden die Außenwerke, welche bisher von Wasen angefertigt waren, von nun an mit Quaderstücken und Ziegelsteinen eingefaßt. Wir nähern uns jetzt der Glanzepoche in Ernst Rüdiger Starhembergs viel bewegtem, ruhmvollen Leben: es ist jene, wo er durch die Verteidigung Wiens, wie der Geschichtsschreiber Majlath so treffend sagt: „die letzte Sturmflut des Islam von Europa abwehrte!“ – Die harte Belagerung und die tapfere Verteidigung der deutschen Kaiserstadt au der Donau sind ein weltgeschichtliches Ereignis, und ehe wir zur Schilderung dieses wichtigen Abschnittes in der biographischen Skizze unseres Helden schreiten, sei uns ein flüchtiger Rückblick und eine kurze Umschau auf die damalige Lage des heutigen österreichischen Kaiserstaates gestattet. Der durch Montecuccolis Sieg bei Sankt Gotthard 1664 herbeigeführte zwanzigjährige Waffenstillstand, der sogenannte Väsvarer Friede, nahte seinem Ende. Um die Pforte zur Erneuerung des selben zu bewegen, hatte Kaiser Leopold I. den Grafen Albrecht Caprara (Bruder des spätern Feldmarschalls) als kaiserlichen Internuntius nach Konstantinopel gesendet. Derselbe ging mit einem Gefolge von 60 Personen auf 17 Schiffen am 3. Februar 1682 von Wien dahin ab, führte prachtvolle Geschenke mit sich und hatte den Auftrag, alles mit der Ehre des Reiches Vereinbare zu versuchen, um einen Krieg abzuwenden. – Die Antwort auf diese Friedensbestrebungen, enthielt aber Forderungen, deren Anmaßung und Unerfüllbarkeit sie zu einer förmlichen Kriegserklärung stempelte: „der Kaiser sollte eine Million Dukaten zahlen, ganz Ungarn bis an die Theiß und überdies alles Land zwischen Neuhäusel und Trentschin abtreten, die Festung Leopoldstadt schleifen, und endlich den ungarischen Rebellen die eingezogenen Güter wieder zurückgeben“. – Die Ulemas widersprachen zwar mit Nachdruck dem Bruche des Waffenstillstandes; allein der Gesandte des allerchristlichen Königs von Frankreich und das Haupt der ungarischen Malkontenten (dieser Titel war ihnen amtlich beigelegt worden), Graf Emerich Tökely), sprachen für den Krieg und siegten im Divan, wo ihre Vorschläge und Lockungen bei dem damaligen Großvezier Kara Mustapha, dem mächtigen Günstlinge des schwachen Mahomed IV., nur zu geneigtes Gehör fanden, und bald sammelte sich unter Kara Mustaphas Oberbefehl eine Heeresmacht, wie sie seit des großen Solimans Zeiten sich nimmer gegen Westen bewegte. Die Situation des Reiches – der Kaiser und die deutschen Fürsten hatten schon auf dem Reichstage in Frankfurt 1682 „eifrigst an dem Puncto securitatis publulicae und perpetui militis laboriert“ – war eine sehr ernste geworden. Indeß gelang es der kaiserlichen Regierung schon zu Anfang 1683, mehrfache Bündnisse zu schließen, welche die Kriegsmacht des Kaisers einigermaßen verstärkten. So jenes mit dem Kurfürsten von Sachsen, ferner die am 26. Januar ratifizierte Allianz mit dem Kurfürsten von Bayern, Max Emanuel. Auch eine Reichsarmee war ausgerüstet worden. Den wichtigsten Dienst aber hatte dem Kaiser sein Gesandter in Warschau, Graf Carl Waldstein geleistet, indem er, die Verstimmung der Königin Maria Casimira gegen Ludwig XIV. mit diplomatischer Schlauheit benützend, am 31. März mit dem Könige von Polen, Johann Sobieski, ein Schutz- und Trutzbündnis zu Stande gebracht hatte, wonach Polen 40,000 Mann gegen die Türken ins Feld stellte. Papst Innozenz XI., der wesentlichen Einfluß auf die Vermittlung dieses Allianzvertrages übte, übernahm die Garantie für sich und seinen Nachfolger. Während der Dauer der erfolglosen Verhandlungen mit dem kaiserlichen Internuntins machte die Pforte die ausgedehntesten Zurüstungen zu dem Zuge gegen Wien, und als dieser jene weiter oben angeführten schimpflichen Anträge mit Entrüstung zurückgewiesen, erklärte der Sultan den Krieg, und zugleich wurde dem Grafen Caprara gegen alles Völkerrecht bedeutet, daß er Gefangener und dazu bestimmt sei, den Zug des großen Heeres zu begleiten, um Zeuge von dessen siegreichem Vorrücken, ja von der Einnahme Wiens, an die man unbezweifelt glaubte, zu werden. Man erlaubte Caprara nicht einmal, Kuriere nach Wien abzuschicken, und nur mit vieler Mühe gelang es ihm durch ein paar vertraute Diener, die heimlich über Venedig nach Wien eilten, dem Kaiser die Kunde der zerstörten Friedenshoffnungen und Nachricht von dem bevorstehenden, mit so großen Rüstungen betriebenen Kriege zu bringen, eines blutigen Kampfes, der fünfzehn Jahre währen sollte. – Am 8. Dezember 1682 waren diese in der Residenzstadt angelangt und hatten durch ihre Botschaft unter den Bewohnern derselben die größte Bestürzung verbreitet. An demselben Tage (30. März 1683), an welchem Kaiser Leopold I. das Bündnis mit dem Polenkönige Sobieski unterzeichnete, brach das türkische Heer von Adrianopel auf. Sultan Mahomed hatte es von Stmnbul aus bis dahin begleitet und noch einmal Heerschau gehalten über das zahllose Kriegsvolk, das seinem Großwezier Kara Mustapha, dem er die heilige Standarte des Propheten übergeben hatte, folgte. Caprara war Augenzeuge dieser Musterung; nach dessen eigenen Angaben und anderen glaubwürdigen Berichten bestand das vor Adrianopel gemusterte Heer aus über 270,000 Mann, darunter 230,000 reguläre Truppen, ungerechnet des übrigen unermeßlichen Trosses, der bei der Bagage, dem Proviant, den Kamelen und Pferden angestellt war und der nie gezählt wurde. Wenn man noch die Streitkräfte, welche unter Tökely bereits in Ungarn standen, dazurechnet, so ergibt sich eine Zahl von mehr als 400,000 Mann, und die Angabe ist beglaubigt, daß seit den Tagen Solimans kein so zahlreiches türkisches Heer in das Feld gezogen ist. – Denn Tökelys eigene Armee war bereits auf 60,000 Mann angewachsen, unter welchen sich 12,000 Tataren, gegen 13,000 Janitscharen und 2000 Spahis befanden.“