Mit unserem Haydn hat einer unserer großen deutschen Tondichter Geburtstag. Im niederösterreichischen Rohrau erblickte er 1732 das Licht der Erdenwelt und sollte unsere deutsche Musik um 750 Meisterwerke vermehren. Dies tat er vorwiegend in Wien, ging aber auch auf so manche Konzertreise. Musik soll und muß man aber hören und so ehre ich unseren Haydn mit seiner neunundsechzigsten Symphonie, die man nachträglich dem österreichischem Feldmarschall Laudon, einem der Widersacher Friedrichs des Großen im Siebenjährigen Krieg, gewidmet hat: https://www.youtube.com/watch?v=jEr9r9sEKmg Was dem Feldherren die Kadettenzeit ist, wahr unserem Haydn seine Zeit als Chorknabe in Wien, wie uns unser Musikgeschichtsschreiber Carl Ferdinand Pohl nun berichtet: http://www.zeno.org/Musik/M/Pohl,+Carl+Ferdinand/Joseph+Haydn
„Wie wir früher schon erfuhren, wurde im Kapellhause kein Unterricht in der Kompositionslehre erteilt. Griesinger sagt, daß sich Haydn erinnerte, in der theoretischen Musik nur zwei Lektionen von dem „braven“ Reutter erhalten zu haben. Dies geht der Frage vorsichtig aus dem Wege, muß aber doch die vernachlässigten Studien eingestehen und läßt Reutter dabei so glimpflich wie möglich durchschlüpfen. „Sobald Joseph (sagt Dies) in seinem neu angetretenen Stande so viel Unterricht empfangen hatte, als nötig war, die Pflichten eines Chorknaben zu erfüllen, erfolgte im Unterricht ein großer Stillstand, woran vielleicht die zu sehr überhäuften Geschäfte des Kapellmeisters Schuld waren.“ Beide Gewährsmänner aber, Dies und Griesinger, stimmen darin überein, daß es den Knaben gar bald mächtig antrieb, selbst zu schaffen. Auf jedem Blatt Papier, dessen er habhaft werden konnte, wurden mühsam fünflinige Netze gezogen und Notenköpfe neben- und übereinander aufgestapelt, denn Haydn glaubte damals, „es sei schon recht, wenn nur das Papier hübsch voll sei“. So ertappte ihn Reutter einmal auch bei einem, sich mit zwölf und mehr Stimmen brüstendenSalve regina, lachte herzlich über die Figuren, die keine Kehle und kein Instrument hätte ausführen können, wie auch über die Einfalt des Knaben, so viele Stimmen bewältigen zu wollen, ehe er noch im Stande sei, auch nur mit Zweien fertig werden zu können. „O du dummes Büberl“ (schalt er ihn aus), „sind dir denn zwei Stimmen nicht genug?“ Statt ihm aber diese zwei Stimmen führen zu lehren, gab er ihm den mühelosern Rat, die Vespern und Motetten, die in der Kirche aufgeführt wurden, zu variieren, welche Arbeiten dann der vielbeschäftigte Mann gelegentlich mag durchgesehen haben. „Das Talent lag freilich in mir“ (sagte Haydn): „dadurch und durch vielen Fleiß schritt ich vorwärts.“ Trotzdem ist nicht anzunehmen, daß die Entstehung von Haydns erster Messe F-Dur, obwohl sogar, genauer bezeichnet, das Jahr 1742 angegeben wird, schon in diese Zeit fallen sollte; vielmehr wird dieselbe naturgemäßer in die 50er Jahre zu setzen sein. – Einer Mitwirkung Haydns bei etwaigen theatralischen Vorstellungen im Kapellhause wird nirgends Erwähnung getan. Daß zwei seiner Mitschüler, Typer und Wittmann, zu einer ähnlichen außer Haus stattgefundenen Gelegenheit beigezogen wurden, haben wir früher bestätigt gesehen. Diesen Beiden können wir als Mitschüler Haydns noch einen Dritten, den nachmaligen Altisten Vincenz Kneer anreihen. Er war nach Dlabaczs Angabe im Jahre 1738 zu Klosterneuburg geboren, kam zuerst in die Singschule des Franz Witzig, Musikers im dortigen Stift der regulierten Chorherren und wurde (etwa im Jahre 1746) von Reutter als Sängerknabe aufgenommen. Neben Joseph und Michael Haydn sang er in der Karwoche vor Maria Theresia und ihrem Gemahl Franz I. die Lamentationen. Er wurde später ein vortrefflicher Baß-Sänger im Orden der barmherzigen Brüder und starb im Jahre 1808. (Privat-Mitteilungen bezeichnen auch einen Ignaz Gegenbauer, in den 60er Jahren Schullehrer in Tulln in Nieder-Oesterreich, als Mitschüler Haydns. Es kann dieser jedoch kein Sohn des vorgenannten Gegenbauer gewesen sein, da dessen hinterlassener einziger Sohn, Johann Georg, beim Tode des Vaters, wie erwähnt, erst zehn Jahre zählte.) – Die Masse Musik, die Haydn beim täglichen Kirchendienste im Verlauf eines Decenniums in sich aufnahm, konnte nicht spurlos an einem obendrein so empfänglichen Gemüte vorübergehen. Seine Domäne wurde allerdings vorzugsweise Symphonie und Quartett, in denen er seinen eigenen Weg ging, wogegen er in der größeren ersten Hälfte seiner Gesangswerke und selbst in seinen späteren besten Kirchenwerken sich nie ganz frei zu machen wußte von traditionellen Überlieferungen und notgedrungenen Konzessionen an den herrschenden Geschmack. Nichtsdestoweniger haben die meisten dieser Werke, einen Teil der kleineren so gut wie verschollenen ersten Kirchenstücke ausgenommen, ihre Lebenskraft bis auf den heutigen Tag bewährt und verdanken diese besonders ihrer klaren, abgerundeten Anlage, der sangbaren und wirkungsvollen Behandlung der Singstimmen und dem ungesuchten, frischen und kernigen Zuge, der sie durchströmt. Bemerkenswert sind besonders so manche Chornummern, in denen der Einfluß der ernsten, gediegenen Werke eines Palotta, Tuma, Fux und Caldara (aus seiner früheren Zeit) unverkennbar hervortritt, nur daß sie der Meister gleichsam verjüngt wiederzugeben wußte. Den Einladungen zu bürgerlichen Festlichkeiten, wobei die Sängerknaben passende Gesänge vortrugen, von den Festgebern bewirtet wurden und mitunter sogar Tafeldienste versahen, kamen die im Kapellhause knapp gehaltenen Schüler mit Leidenschaft entgegen. Auch Haydn, nachdem er einmal die Vorteile dieser Ausflüge kennen gelernt hatte, gewann eine erstaunliche Zuneigung zu ihnen und verdoppelte seinen Fleiß, als geschickter Sänger möglichst bekannt zu werden. Denn mit dem Wachstum seiner kleinen Figur hielt auch sein Hunger gleichen Schritt, und um diesen zu stillen, stopfte er sich (wie er noch als Greis den Gebrüdern Prinster, seinen braven Waldhornisten, gestand) gar oft beim Aufwarten die Taschen voll Nudeln und ähnlichen Leckerbissen…“