„Wenn eine Spannung stattfindet, so wird die Entscheidung immer wirksamer sein, teils weil sich darin mehr Willenskraft und mehr Drang der Umstände kundtun wird, teils weil alles schon auf eine große Bewegung vorbereitet und zugerichtet ist. Die Entscheidung gleicht da der Wirkung einer wohl verschlossenen und verdämmten Mine, während eine an sich vielleicht ebenso große Begebenheit im Zustande der Ruhe einer in freier Luft verplatzten Pulvermasse mehr oder weniger ähnlich ist.“ (Carl von Clausewitz, „Vom Kriege“)
Damit ist das Unglück der Schillschen Erhebung im Jahre 1809 wohl recht gut umrissen. Denn eine solche Clausewitzsche Spannung herrschte damals in Westphalen nicht, weshalb die Wirkung der Gefechte und Handstreiche unseres Majors Ferdinand von Schill auch verpuffte. Erschwerend hinzu kamen die schlechten Nachrichten aus dem Süden. Denn unserem Kaiser Franz II. war die Kriegsgöttin Pallas Athene noch immer abhold (oder konnte sich – wie beim Homer – nicht gegen den Willen des Allvaters durchsetzen) und die Kunde von den neuen Niederlagen unserer Österreicher verbreite sich rasch im Norden. Die gallische Übermacht setzte sich in Bewegung und so mußte unser Schill auf Stralsund zurückgehen. Im Handstreich befreite er unsere alte Hansestadt und wollte diese zur Festung ausbauen. Vor Zeiten hatte Stralsund selbst Wallenstein getrotzt, aber im Jahre 1809 waren seine Befestigungen zu schwach. Mit großer Übermacht erstürmten die Gallier schließlich Stralsund. Im Straßenkampf fiel unser Major von Schill. In seinem Zorn ließ der gallische Gewaltherrscher Napoleon elf von Schills Offizieren öffentlich in Wesel ermorden und 500 seiner Soldaten auf die Galeeren verschleppen. Frei kamen diese Unglücklichen erst im Jahre 1814. In epischer Breite dargestellt hat uns die Schillsche Erhebung unserer Geschichtsschreiber Friedrich Karl von Vechelde in seinem Werk „Ferdinand von Schill und seine Schar“ – trotz der schlechten Nachrichten stimmen Schills Männer dafür den Kampf fortzusetzen: https://archive.org/details/bub_gb_tFRDAAAAYAAJ
„Von Dessau wurde eine Abteilung Husaren und reitender Jäger unter den Leutnants von Blankenburg und von Quistorp nach Saalhorn geschickt. um sich der Übergänge und Fähren über die Elbe und Saale zu versichern; eine andere. unter den Befehlen der Leutnants Leo von Lützow und von Francois nach Köthen, dessen Fürst als ein treuer Anhänger des französischen Kaisers bekannt war. Am 3ten zog das Regiment weiter nach Bernburg, während der Leutnant von Brünnow mit drei Zügen der vierten Schwadron des Regiments bis nach Halle streifte, welche Stadt er im Namen des Königs von Preußen in Besitz nahm, und die preußischen Adler an die Stelle der westphälischen Wappen aufrichten ließ. Nach einigen Stunden mußte er jedoch den Ort wieder verlassen, verstärkt durch 60 Freiwillige. Am 4ten Mai kamen indes böse Botschaften nach Bernburg: aus Hessen, daß Dörnbergs Unternehmen am 21ften April zu Kassel gescheitert, und nun auf den Beistand des seinem Kurfürsten treu ergebenen hessischen Landvolks nicht zu rechnen sei, da das Militär bei dem Ausbruche die Partei des Königs ergriffen habe; aus Berlin der erneuerte Befehl zur schleunigsten Rückkehr des Regiments; von der Donau indes die niederschlagendste, es habe Napoleon bei Regensburg gesiegt, und den Erzherzog Karl nach Böhmen zurückgedrängt. Solche Kunde war für Schill unerwartet, denn an Österreichs Siege war sein und jedes ähnliche Wagnis zu Deutschlands Erlösung geknüpft. In dieser Bedrängnis, in welcher ein letzter Entschluß gefaßt werden mußte, ließ er sämtliche Offiziere um sich versammeln. „Noch jetzt“, sprach er am Ende seiner Rede zu ihnen, „sei er Herr beider Flüsse, der Elbe und der Saale, bald vielleicht nicht mehr. Sie Alle ständen, bei den ihnen schon bekannten Nachrichten über das österreichische Heer, am Scheidewege, jeder Einzelne möge unumwunden seine Meinung sagen, was zu tun sei; die Mehrzahl aber müsse den Ausschlag geben. Er rate, sich jetzt über die Elbe zurückzuziehen, und mit den Österreichern sich zu verbinden. bis ein günstiger Zeitraum für sie in Norddeutschland erscheine. Er fürchte, getäuscht zu sein, das Volk in Westphalen sei nicht so enthusiastisch, wie man es ihm geschildert habe.“ Unter den zwanzig Versammelten herrschten aber über die Wahl des Entschlusses verschiedene Ansichten; doch erklärte man sich allgemein gegen einen Rückzug über die Elbe und Saale. Vorwärts winke die Ehre und im äußersten Falle ein rühmlicher Untergang; rückwärts warte nur Strafe und Schande, Der Leutnant Stock sprach sich mit herzergreifender Begeisterung für die Fortsetzung des einmal begonnenen Bühnen Unternehmens aus. „Man müsse weiter in Westphalen vordringen, ziehe das Volk den Druck, der Freiheit vor, dann hätten sie das Ihrige getan, und es bleibe ihnen nichts übrig, als so groß zu enden, wie sie angefangen.“ Ein allgemeines „Vorwärts! Vorwärts!“ (begleitete den Schluß dieser Worte. Noch schwankte Schill, aber die Stimme seines edlen und besonnenen Freundes, des Leutnants von Dieczelsky, entschied, und so wurde ein Bund auf Leben und Tod geschlossen. Die Nachricht indes, daß der französische Befehlshaber in Magdeburg. Divisionsgeneral Micheaud, eine Heeresabteilung aus jener Festung gegen das Korps entsandt habe, bewog Schill, am 4ten Mai Bernburg zu verlassen, und kühn wider den heranrückenden Feind zu gehen. Schon am andern Tage stieß er auf ihn bei Dodendorf, einer Ortschaft, durch welche die von Bernburg nach Magdeburg führende Heerstraße geht, und die eine starke Meile von letzterer Stadt entfernt liegt. Nachdem der Anfang der Feindseligkeiten durch Aufhebung einiger Vedetten gemacht worden. welche der Leutnant Heinrich von Wedell gefangen einbrachte, schien es wohl des Versuches wert, ob nicht die westphälischen Truppen durch unblutige Mittel bewogen werden könnten, die Sache des fremden Usurpators zu verlassen, und sich mit ihren deutschen Landsleuten zu verbinden. Der Leutnant von Stock erbot sich daher, von einem edlen Eifer erfüllt. ihnen die Worte des Friedens zu bringen. Er ritt an das nächste vor dem Dorfe aufgestellte westphälische Quarre, den Soldaten mit einem weißen Schnupftuch winkend, und forderte sie auf, nicht gegen ihre deutschen Brüder zu fechten, welche nur gekommen wären, sie von einem drückenden Joche zu befreien. Ein Offizier, der westphälische Infanterieleutnant von Haas, näherte sich ihm, und es kam zu einem Gespräche, dessen Inhalt man nicht erfahren hat; denn in dem nämlichen Augenblick da Stock sich zu den Seinigen wandte, fiel ein Schuß in feinem Rücken, der ihn entseelt zu Boden streckte. Bestürzt durch dieses unglückliche Ereignis, aber doch in der Meinung, daß es nur durch irgend ein Mißverständnis herbeigeführt fein könnte, sprengte der Leutnant Bärsch, begleitet von dem Wachtmeister Halsband und einem Trompeter. herbei, um den Versuch des gütlichen Zuredens zu wiederholen; doch statt der Antwort erfolgte ein heftiges Feuer, von welchem gleichwohl Niemand verletzt wurde. Allein ein so feindliches, undeutsches Benehmen konnte nicht verfehlen, die Gemüter allesamt aufs Höchste zu erbittern. Man forderte das Zeichen zum Angriff, und gelobte sichs, jede fernere Schonung bei Seite zu setzen…“