„Man ist gewohnt, sich um den Dreißigjährigen Krieg wenig anders zu bekümmern, als um eine allgemeine historische Kenntnis davon zu haben und etwa die berühmten Namen kennen zu lernen, die von dem reichhaltigen Strome seiner Begebenheiten emporgetragen wurden. Wenn man sieht, wie oft verächtliche Blicke auf die Begebenheiten des Dreißigjährigen Krieges geworfen werden, um damit anzudeuten, daß diesen Begebenheiten die Seele, die entfaltete Kunst, fehle, daß man also wohl tue, sich an das Studium der späteren Kriege zu halten, so ist dies ein Irrtum, der befremden muß. Es läßt sich begreifen, daß der Geist des dreißigjährigen Krieges uns fremd geworden ist, weil wir mit der fortschreitenden Kultur manche unmenschliche und barbarische Kriegssitte aufgegeben, und von der andern Seite dafür auch manche notwendige Bedingung kriegerischer Größe verloren haben. Allein warum wir in dem Dreißigjährigen Kriege unsere eigene bessere Natur verleugnen wollten, ist nicht einzusehen.“ (Carl von Clausewitz)
Getreu diesem Gebot unseres preußischen Kriegsphilosophen wollen wir Panzertiere an unseren Generalleutnant Johann von Tilly erinnern. In der Schlacht bei Rain am Lech wurde er nämlich tödlich verwundet und ging heute heim. Mag der 30jährige Krieg auch die Hälfte unseres deutschen Volkes dahingerafft haben, so hätte es doch leicht auch Wilhelm dem Großen und den Helden unserer deutschen Einigungskriege ähnlich ergehen können wie unserem Kaiser Ferdinand dem Zweiten und seinen Mitstreitern. Geboren wurde unser Generalleutnant von Tilly um 1559 und diente als Soldat im Heer Alexander Farneses. Später stand er im Dienste der Habsburger und wurde 1609 zum Feldherr der Katholischen Liga ernannt. In 36 Feldschlachten siegte er und gehört damit zu den größten unserer deutschen Feldherren. Seine größten Siege errang er am Weißen Berg und bei Lutter. Erstere kostete dem Winterkönig Friedrich von der Pfalz die böhmische Krone und letztere zwang den Dänenkönig Christian den Vierten zum Frieden. Unbesiegbar war unser Tilly freilich nicht. Bei Breitenfeld unterlag er knapp den Schweden Gustav Adolfs, nachdem er die Sachsen auf seinem Flügel schon geschlagen hatte… Seinen schlechten Ruf hat unser Tilly vor allem der Zerstörung Magdeburgs zu verdanken. Wenn auch nicht sicher ist, ob seine plündernden Truppen oder die schwedischen Verteidiger das Feuer in der Stadt gelegt haben. Einen weiteren großen Schlachtensieg erfocht unser Tilly bei Stadtlohn, dessen Einzelheiten uns unser Geschichtsschreiber Onno Klopp („Tilly im dreißigjährigen Kriege“) nun berichtet: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10717043_00005.html
„Die Gefahr eines Zusammenstoßes lag vor Augen, und es mußte ein Ende gemacht werden. Die Not zwang die Fürsten des Kreises zu einer entschiedenen Erklärung. Am 20. Juli trafen ihre Abgeordneten den Halberstädter unter der Burg Plesse unfern von Göttingen. Sie stellten ihm die Wahl: Abdankung seines Heeres oder Abführung desselben aus dem Kreise binnen drei Tagen: im anderen Falle würden sie sich mit Tilly gegen ihn vereinen. Auch da noch hätte es in Christians Macht gestanden durch Entlassung seines Heeres Gnade zu erlangen. Sein Schritt am anderen Tage bewies, daß er es nie gewollt. Er erklärte, daß er sein Heer binnen drei Tagen nicht bloß aus dem Kreise, sondern auch aus dem Reiche abführen und abdanken wolle, um in eines anderen Potentaten Dienste zu treten. In wessen, das wußte er noch nicht. Er rief Wehe über diejenigen, die ihn so hilflos gelassen und dagegen den Katholischen, wie er immer mit wohl berechneter Absicht das kaiserliche Heer nannte, sich unter: werfen wollten. Er entsagte seinem Bistume Halberstadt, wie seinen anderen geistlichen Pfründen; nur sein Degen solle fortan ihn ernähren. Seltsamer Weise schloß er seine Erklärung mit der Forderung, daß nun auch Tilly zurückgehen müsse. Dann brach er auf am 21. Juli mit 21,000 Mann, überschritt am 25. Juli bei Hameln die Weser, und zog nordwestwärts, um sich, wie man allgemein glaubte, mit Mansfeld, der noch in Ostfriesland stand, im Stifte Münster zu vereinigen. Christian hatte die Erwartung ausgesprochen, daß Tilly ihn ziehen lassen werde. Daß er selbst an die Möglichkeit der Erfüllung dieser Erwartung geglaubt habe, ist kaum denkbar. Tilly verließ sofort den niedersächsischen Kreis; denn nicht um dessen willen war er gesendet, sondern gegen Christian. Am 30. Juli setzte Tilly bei Höxter über die Weser und eilte durch das Paderbornische, Lippe und Ravensberg seinem Gegner nach. Christian hatte mithin fünf volle Tage voraus, und dazu von Hameln aus nach dem Stifte Münster einen bedeutend kürzeren Weg als Tilly von Höxter. Es galt für Tilly ihn einzuholen. Christian scheint anfangs nicht große Eile gehabt zu haben. Wir finden ihn am 20. Juli zu Borgholzhausen südöstlich von Osnabrück. Dort schreibt er auf den 22. Juli eine Lieferung von 75,000 Pfund Brod nach Iburg aus, eine geringe Strecke weiter westwärts. Er selbst verweilt auf dem Schlosse zu Iburg. Erst dann mochte er Nachricht erhalten haben, wie schnell Tilly herannahe. Er bricht auf und eilt nun auch selber rastlos weiter. Jegliches Zurückbleiben ist bei Todesstrafe verboten. Diese wird vollstreckt selbst an dem Weibe eines Soldaten, welches im Augenblicke des Hängens ein lebensfähiges Kind gebiert. Dennoch rächte sich die Rast der zwei Tage. Tilly vergönnte den Seinen keine Rast. Als er am Abend des 4. August in Greven an der Ems einrückte, meldeten die Bewohner, daß Christian am Morgen über den Fluß gegangen. Sie behaupteten noch vor einer halben Stunde die Feldmusik desselben vernommen zu haben. Aber die Soldaten Tillys waren ermüdet. Er gewährte Ruhe, um in der Frühe des nächsten Morgens, durch Anholt verstärkt, um so eifriger nachzueilen. Es war klar, daß Christian nicht wie man zuerst erwartet, die Richtung nach Mansfeld hin einschlug, der bis Meppen südwärts gezogen war, sondern daß er westwärts die holländische Grenze zu gewinnen suchte. Tilly wollte vorher ihn schlagen, auf deutschem Boden. Am Abend des 5. August wechselte man einige Kugeln. Der Tagesanbruch am 6. beleuchtete Tillys Krieger wieder in Bewegung. Sie fanden die Feuer im Lager der Gegner noch brennend. Rascher ging der Marsch. Um acht Uhr wurden die vordersten der Reiter Tillys mit den letzten Christians handgemein. Christian suchte durch Scharmützel den Verfolger aufzuhalten. Es war nicht mehr möglich. Das ganze Heer drückte nach. Um Mittag mußten die Scharen des Halberstädters unweit Stadtlohn Stand halten zum Treffen. Die ersten beiden Treffen geschehen bei Alms, dann bei dem Dorfe Wullen, das legte auf dem Lohner Bruche. Der Ort war nicht ungünstig gewählt, ein Morast deckte die eine Seite; aber die Führung, die Ordnung, der Kampfesmut waren sehr verschieden. Zwei Stunden dauerte das Treffen. Christian und seine Offiziere mahnten mit abgezogenen Hüten die Soldaten zum Treffen. Es half nicht mehr. Tilly hatte geboten der Gegner zu schonen und jedem Pardon zu gewähren, der darum bitten würde. Man sah ganze Fähnlein auf den Knien flehend ihre Hände empor halten und um ihr Leben bitten. In dem ersten Anlaufe war die Wut der Soldaten nicht zu bändigen, bis Tilly durch Trompetenschall Aufhören des Blutbades gebot. 4000 der Braunschweiger lagen auf dem Schlachtfelde, 7000 wurden gefangen, die übrigen waren zerstreut. Alles Gepäck, alle Kanonen wurden genommen, zum großen Teil holländische, das Fußvolk war völlig da: hin. Nur ein Teil der Reiter rettete sich mit dem Führer auf das nahe holländische Gebiet, wo das schützende Breevoort sie aufnahm. Die Gefangenen, so viele ihrer sich nicht erboten Dienste zu nehmen, wurden nach Münster geführt. Dort lagerten sie zu Tausenden an der Zahl am 9., 10., 11. August vor dem Liebfrauen- und dem Judefelder Tore. Es war ein erbärmlicher Anblick. Man sah Geistliche und Weltliche, Jesuiten und Kapuziner ihnen Brod, Wein, Bier, Kleider zubringen. Unter den Gefangenen waren die Herzöge Wilhelm von Weimar und Friedrich von Altenburg, derselbe, der für Spanien geworben, und dann mit den Geworbenen zu Christian gezogen war. Ein Herzog von Weimar war gefallen. Der Kaiser verzieh jenen beiden. Wir werden ersehen, wozu sie die wiedererlangte Freiheit benutzten. Abermals hatte Tilly gesiegt. Bis an die Grenze verfolgte er den Gegner. Dort hielt er an und schaute hinüber auf das Gebiet, von wo aller Jammer dem deutschen Vaterlande entsprang. Es zuckte in der Seele des Feldherrn dem Feinde weiter nachzusetzen, und seinen Sieg vollständig zu machen. Es lag in seiner Macht. Es lag in seiner Hand den Generalstaaten Ruhe zu gebieten…“