„In solchen Lagen pflegen Meldungen, die über diese entscheidende Frage Klarheit schaffen könnten, auszubleiben. Der Schleier der Ungewißheit, das einzige, was im Kriege Bestand hat, verhüllte Lage und Absichten des Gegners. Unvorsichtiges Vorpreschen kann zu schweren Rückschlägen führen. Anderseits kann das Verschenken nur weniger Stunden dem Feind die Möglichkeit bieten, eine neue Verteidigung aufzubauen, die dann wiederum unter schweren Verlusten überwältigt werden muß. Der höhere Truppenführer, der in solcher Lage abwarten will, bis er durch einwandfreie Meldungen Klarheit gewinnt, wird kaum einen Zipfel des Mantels der Bellona ergreifen. Er wird die Stunde des Glücks verpassen.“
Lesen wir in den verlorenen Siegen und Schwarzenberg war ein solcher Feldherr, der niemals eine solche Gelegenheit ergriffen hat. Mit seiner überlegenen Truppenmacht stieß er vorsichtig auf Paris vor und wich auch schon mal zurück, wenn es einen kleinen Rückschlag gab. Zu Zeiten Moltkes des Älteren oder Prinz Eugens wäre diese Art der Kriegführung sicherlich schlimm ausgegangen. Doch damals war Gallien derart erschöpft, daß selbst Napoleon wohl noch so manchen Erfolg erfechten, aber die verbündete Hauptmacht konnte er nicht mehr schlagen. Und so erntete auch ein Schwarzenberg so manchen Sieg. Die Schlacht von Bar-sur-Aube ist ein solcher Sieg, dessen Jahrestag wir heute feiern. Dort schlug Schwarzenberg 1814 mit 35,000 Mann 18,000 Gallier unter Oudinot. Nicht entscheiden, wohl aber mit einem Verlust von 3000 Mann, denen zwar auch 2000 eigene Verluste gegenüberstanden, aber die Übermacht erdrückte hier dann doch den Napoleon. Wenn es auch bis zur Einnahme von Paris noch ein weiter Weg war. Den Feldzug von 1814 in Gallien erläutert uns nun der alte Clausewitz ein wenig strategisch in einem weiteren Auszug:
„VI. Festungen. Die Eroberung einer Anzahl feindlicher Festungen war nicht der Gegenstand des Angriffs, denn dieser Gegenstand war, wie wir gezeigt haben, ein ganz anderer. Die förmliche Belagerung einer Festung kostet ungleich mehr Kräfte, als ihre bloße Einschließung, und die Einschließung wieder mehr als die bloße Beobachtung. Da der Plan des Feldzugs darauf gerichtet war, mit einer so früh als möglich herbeizuführenden Hauptschlacht alles zu entscheiden, so war die Eroberung von einigen Festungen in jedem Falle für diesen Augenblick eine untergeordnete Sache, an die man erst denken konnte, nachdem der Schlag geschehen war, oder wenn man sah, daß sich der Krieg trotz unseres Plans in die Länge zog. Es kam also darauf an, den Einfluß der französischen Festungen mit so Wenigem als möglich zu beseitigen. Unter diesen Umständen war es hinreichend, besonders im ersten Augenblick und bis die nachrückenden Reserven ankamen, überhaupt nur auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die auf den Straßen selbst oder nahe daran gelegen waren, auf denen man vorgehen wollte; unter diesen aber diejenigen, welche an und für sich oder durch ihre Lage weniger wichtig waren, nur zu beobachten, die andern aber förmlich einzuschließen. Zur Zahl der ersteren gehörten Erfurt, Würzburg, die Forts im Elsaß und Straßburg; die anderen waren: Mainz, Landau, Saarlouis, Thionville, Metz, Luxemburg, Longwy und eventuell Verdun. Hierzu waren 65,000 Mann hinreichend. Von Paris selbst ließ sich zwar eine Befestigung und Verteidigung gerade nicht mit großer Wahrscheinlichkeit erwarten, doch mußte man sich darauf gefaßt machen. Es konnte aber in jedem Falle nur eine verschanzte Stellung zwischen den Barrieren dieser Hauptstadt sein, verteidigt entweder durch die französische Hauptmacht selbst mit Hilfe einer beträchtlichen Nationalmiliz, oder hauptsächlich von dieser, verstärkt durch ein Armeekorps. Wenn der erstere Fall stattfand, so war die Schlacht unter den Mauern von Paris zu liefern; im letzteren Falle, wo die feindliche Hauptmacht sich also südlich von Paris befinden mußte, wäre eine beträchtliche Detachierung gegen Paris, um diesen Ort wegzunehmen, vor entschiedener Hauptschlacht zwar kein unnützes und deshalb fehlerhaftes Unternehmen gewesen, denn der Verlust der Hauptstadt würde vermutlich einen entscheidenden Einfluß auf die Kriegsbegebenheiten gehabt haben; allein eine solche Detachierung wäre sehr gewagt gewesen, denn ohne eine beträchtliche Überlegenheit der Hauptarmee konnte man auf keinen Sieg derselben mit Bestimmtheit rechnen, und es war also zu befürchten, daß man sich dadurch zu sehr schwächen werde. Paris mußte also vor der Entscheidung der Hauptschlacht nicht in Betracht kommen, den einzigen Fall ausgenommen, daß die Trümmer der französischen Armee sich dahin zurückgezogen, und sich von da weiter gegen die Loire gewendet hätten, so daß Paris in die natürliche Richtungslinie des Verfolgens gefallen wäre. In diesem Falle mußte es mit der Hauptmacht selbst angegriffen werden.“