Selten begeben wir Deutschen uns kriegerisch aufs Meer. Wenn wir dies freilich tun, so lassen wir dabei die alteingesessenen Seefahrervölker oftmals ziemlich alt aussehen. Man denke hier an unseren Wandalenkönig Geiserich oder an unsere Hanse. Nicht vergessen werden darf dabei unser Admiral Reinhard Scheer, der im Vierjährigen Krieg den berühmten Seesieg über die Engländer am Skagerrak erfocht. Das Licht der Welt erblickte er 1863 im sächsischen Obernkirchen. Seit 1879 fuhr er zur See und wurde 1904 zum Chef der Zentralabteilung ernannt. In dieser Stellung trug er viel zum Ausbau unserer Flotte bei und erhielt 1909 das Kommando über unser III. Geschwader. Die Beförderung zum Vizeadmiral erfolgte 1913. Im Januar 1916 wurde unser Admiral Scheer zum Oberbefehlshaber unserer deutschen Flotte ernannt. Strategisch-operativ ausnutzen konnte er seinen Seesieg am Skagerrak nicht, da ihm die englische Flotte fortan auswich und diese ab 1917 durch die amerikanischen Kriegsschiffe bedeutend verstärkt wurde. Die Meuterei der Flotte kann man unserem Admiral Scheer nicht zur Last legen, da hier Kräfte am Werk waren, deren Bekämpfung die Aufgabe der Regierung gewesen wäre… Seine Waffentaten brachten unserem Admiral Scheer den Hohenzollerhausorden, das Eiserne Kreuz, den Verdienstorden Friedrichs des Großen und den Roten Adlerorden ein. Seine Herzensdame Emilie Mohr führte er 1899 zum Traualtar. Es gingen zwei Töchter aus der Verbindung hervor. Zu lesen gibt es von unserem Admiral Scheer die Bücher „Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg“, „Vom Segelschiff zum U-Boot“, „Gedanken über die Seeschlacht von Skagerrak“, „Armierung der Kleinen Kreuzer“ und „Rückblick auf die Entwicklung der Marine seit 1853“, deren Anschaffung für die heimische Panzerbüchersammlung ist zu empfehlen. Vom Anfang des Kriegsjahres 1915 lasse ich unseren Admiral Scheer in seinem Panzerseefahrerbuch „Deutschlands Hochseeflotte im Weltkrieg“ berichten: https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/14808
„Unternehmungen auf See sind wohl in noch höherem Maße von Zufälligkeiten abhängig als solche auf dem Lande durch den Mangel an verläßlichen Nachrichten vom Feinde und die Schnelligkeit, mit der sich Veränderungen in der Lage vollziehen. Darum muß dem mit der Durchführung der Operation beauftragten Befehlshaber innerhalb des allgemein bezeichneten Operationszieles volle Handlungsfreiheit gelassen werden. Das allgemeine Ziel lautete für die Flotte kurz umschrieben immer noch etwa folgendermaßen: Keine Entscheidungsschlacht mit der gesamten englischen Flotte suchen, sondern erst Kräfteausgleich durch Erfolge gegen einzelne Teile derselben anstreben. Wenn aber die Übernahme der Verantwortung belastet ist durch Rücksichtnahme auf Anregungen und Weisungen, die der Ausführung der Pläne des Flottenchefs Schranken ziehen, so muß die Entschlußfähigkeit dadurch beeinträchtigt werden. Diesem Umstand war auch das Ausbleiben äußerer Erfolge bei den verschiedenen Flottenunternehmungen zuzuschreiben, ohne daß man dem Führer einen Vorwurf daraus machen kann, dessen ganze Charakteranlage die Gewähr bot, in voller Zuversicht auf die Leistungsfähigkeit der ihm anvertrauten Waffe diese rücksichtslos einzusetzen. Bei dem Anfang Februar 1915 erfolgten Wechsel im Flottenkommando folgte dem scheidenden Flottenchef Admiral von Ingenohl, der sich der höchsten Achtung und Wertschätzung seiner Persönlichkeit im Offizierkorps erfreuen durfte, das Bedauern der ganzen Flotte, daß ihm keine größeren Erfolge beschieden waren. Die Führung der Flotte wurde dem bisherigen Chef des Admiralstabes Admiral von Pohl übertragen. In dieser seiner letzten Stellung hatte der Admiral von Pohl die Eröffnung des U-Boot-Handelskrieges gegen England durchgesetzt, welcher am 4. Februar in der Form angekündigt wurde, daß die Gewässer um England als Kriegsgebiet erklärt wurden. Die Verwendung des U-Bootes zum Handelskrieg eröffnete der Seekriegführung ein neues Gebiet und konnte von größter Bedeutung für den Ausgang des Krieges werden Die Notwendigkeit, zu diesem Mittel zu greifen, ergab sich aus der Art der englischen Seekriegführung und wird in einem späteren Abschnitt eingehender gewürdigt werden. Die Betätigung der Flotte unter Pohls Führung entsprach der von ihm als Chef des Admiralstabes vertretenen Auffassung, daß die Erhaltung der Flotte im gegenwärtigen Stadium des Krieges eine Notwendigkeit sei. Er verfolgte den Plan, den Gegner durch möglichst häufige Vorstöße der gesamten Hochseeflotte in die Nordsee hinein zu Bewegungen zu veranlassen. die uns entweder zu Teilerfolgen verhalfen oder zur Entscheidungsschlacht unter für uns brauchbaren Verhältnissen in der Nähe unserer Gewässer führen sollten, wo selbst bei unentschiedenem Ausgang des eigentlichen Kampfes die Totalverluste des Gegners wegen des längeren Rückmarsches seiner havarierten Schiffe größer werden mußten als die unsrigen. Dazu wollte er jeden Vorstoß mit möglichst starken Kräften ausführen. Wichtige Kampfmittel wie die Torpedoboote oder wesentliche Kampfeinheiten (große Linienschiffe oder Schlachtkreuzer) durften nicht fehlen. Die Vorstöße sollten nicht weiter vorgetrieben werden, als mit der Absicht vereinbar war, näher an unseren als den feindlichen Gewässern zu schlagen; daher nicht länger als eine Nacht oder einen Tag in Anspruch nehmen. Bei unserer der Zahl unserer Kreuzer wegen unzulänglichen Aufklärung mußte Luftschiffaufklärung sichergestellt sein. Vor dem Zusammentreffen mit dem Feind und während des Marsches muhte mit allen Mitteln verhindert werden, daß wir irgendwelchen unterseeischen Beschädigungen ausgesetzt wurden, also waren gründliches Absuchen auf Minen, Vertreiben feindlicher U-Boote aus unseren Küstengewässern, Marschsicherung durch Torpedoboote gegen U-Boot-Angriffe und auf dem Marsche selbst höchste Geschwindigkeit erforderlich. Zur Erfüllung dieser Vorbedingungen war außer der Bereitschaft der mitzunehmenden Streitkräfte auch gutes Wetter nötig, so daß die Möglichkeit von Vorstößen nicht jederzeit gegeben war. In den Monaten Februar und März kam daher nur einer zur Ausführung, in den günstigeren Monaten April und Mai deren vier. Zu einem Zusammenstoß mit dem Gegner kam es bei allen diesen Unternehmungen nicht. Sie bewegten sich in westlicher bis nordnordwestlicher Richtung von Helgoland bis auf 100 und 120 Seemeilen Entfernung, wobei die mitgenommenen Luftschiffe noch ein erheblich weiteres Gebiet übersahen, aber auch dort nichts vom Feinde feststellen konnten. Am 18. Mai lief bei einem solchen Vorstoß der Kleine Kreuzer „Danzig“, 45 Seemeilen von Helgoland entfernt, auf eine Minensperre, konnte jedoch mit eigener Kraft die Werft erreichen. Auf die Nachricht von unserem Inseegehen hatte sich der Gegner, wie aus der Beobachtung seines Funktelegrafen-Verkehrs geschlossen werden konnte und durch andere Nachrichten Bestätigung fand, jedesmal auch in Bewegung gesetzt, ohne aber aus dem nördlichen Teil der Nordsee herauszugehen. Der Feind überließ uns also das Seegebiet, in dem sich unsere Bewegungen abspielten, und beobachtete ein ähnliches Verfahren, so daß ein Zusammentreffen beider Flotten unwahrscheinlich war. Wenn der Gegner damit die Absicht verfolgte, uns näher an seine Küsten zu locken, um die Schlacht in seinen Gewässern zu suchen, so hat er sie nicht erreicht, wir haben ihm nicht den Gefallen getan, unsere Handlungsweise nach seinem Willen zu bestimmen. Für eine derartige große Offensive hielt Admiral von Pohl einen Kräfteüberschuß für erforderlich, der wohl dem Feind, aber nicht uns zur Verfügung stand. Wenn demnach unsere Flottenvorstöße wenig Aussicht boten, so ließ der Flottenchef, trotz der immerhin damit verbundenen unterseeischen Gefahren, nicht davon ab, weil ohne sie eine Erhaltung der Sicherheit im Fahren der Schiffe, der Vertrautheit mit den Gefahren des U-Boots- und Minenkrieges nicht zu erwarten war. Die Hauptschädigung des Feindes glaubte der Flottenchef vom II-Boots- und Minenkrieg erwarten zu müssen. Da aber der U-Boots-Handelskrieg eingeleitet war, so konnten zum Aufsuchen der englischen Grand Fleet nur wenige U-Boote abgezweigt werden. Ein Vorgehen von Minendampfern bis vor die im Norden gelegenen englischen Flottenstützpunkte konnte nur unter jedesmaliger Preisgabe der Schiffe erfolgen…“