Unser Luftwaffenführer und Befehlshaber im Mittelmeer, Feldmarschall Albert Kesselring, hat heute Geburtstag. Im fränkischen Marktsteft kam er 1885 zur Welt und trat 1904 in unser deutsches Heer ein. Im Vierjährigen Krieg war er noch Artillerist, ging dann aber zu den Fliegern und führte unsere Luftflotten in Polen, Gallien und Rußland mit großem Geschick und Erfolg. Das gelang ihm Anfangs auch im Mittelmeer und Nordafrika, dann wirkte sich aber die Übermacht des Feindes zu unseren Ungunsten aus. Ich gebe – zur Feier des Tages – eine kleine strategische Kritik unseres Kampfes ums Mittelmeer im Sechsjährigen Krieg zum Besten:
„Als zweiter möglicher Weg, der hätte eingeschlagen werden sollen, um Großbritannien niederzuringen, wird der Kampf um das Mittelmeer genannt. Man wirft Hitler, oder der deutschen militärischen Führung überhaupt, vor, daß sie sich nicht aus dem kontinentalen Denken hätten lösen können. Sie hätten niemals die Bedeutung des Mittelmeeres als der Lebensader des britischen Empire erkannt. Daß Hitler rein kontinental gedacht hat, mag richtig sein. Eine andere Frage aber ist, ob einerseits der Verlust seiner Mittelmeerstellung Großbritannien wirklich zur Aufgabe des Kampfes gezwungen haben würde und welche Folgen anderseits die Eroberung des Mittelmeerraumes das Reich gehabt hätte. Es ist unbestreitbar, daß der Verlust seiner Mittelmeerstellung für Großbritannien ein schwerer Schlag gewesen wäre. Die möglichen Folgen in bezug auf Indien, wie in bezug auf den Nahen Osten und damit auf die britische Ölversorgung konnten schwerwiegend sein. Die endgültige Sperrung der Durchfahrt durch das Mittelmeer hätte darüber hinaus die britische Versorgungslage wesentlich verschärft. Wäre aber dieser Schlag tödlich gewesen? Diese Frage ist meiner Ansicht nach doch wohl zu verneinen. Es blieb Großbritannien doch immer noch die Verbindung nach dem Fernen und Nahen Osten um das Kap der Guten Hoffnung offen, die in keinem Fall gesperrt werden konnte. Es sei denn durch eine enge Blockade der britischen Insel mittels des U-Boot- und Luftkrieges, also auf dem erstgenannten Wege. Dies hätte jedoch die Gesamtkräfte der Luftwaffe in Anspruch genommen, so daß für das Mittelmeer nichts mehr übrig geblieben wäre! So schmerzlich der Verlust von Gibraltar, Malta und der Stellung in Ägypten wie im Nahen Osten für Großbritannien auch immer sein mochte, tödlich wäre er nicht gewesen. Dagegen würden diese Einbußen, so wie die Briten nun einmal sind, voraussichtlich deren Kampfeswillen nur noch mehr versteift haben. Die britische Nation hätte sich geweigert, diese Verluste als endgültig hinzunehmen und nur um so erbitterter den Kampf fortgesetzt! Sie hätte aller Wahrscheinlichkeit nach das Schlagwort, daß das Mittelmeer die Lebensader des Empire darstelle, Lügen gestraft. Es ist auch durchaus zweifelhaft, ob die Dominions ihr bei der Fortsetzung des Kampfes die Gefolgschaft verweigert haben würden. Die zweite Frage ist die, welche Folgen der entscheidungssuchende Kampf um das Mittelmeer für das Reich gehabt hätte. Als erstes ist hierzu festzustellen, daß Italien für diesen Kampf wohl eine gute Basis abgeben konnte, daß seine Wehrmacht jedoch nur einen recht bescheidenen Beitrag in diesem Ringen hätte leisten können. Das brauchte nicht erst durch die Ereignisse bewiesen zu werden, sondern war bereits damals zu übersehen. Insbesondere war nicht zu erwarten, daß die italienische Flotte in der Lage sein würde, die Briten aus dem Mittelmeer zu vertreiben. Die Last dieses Kampfes hätte also im wesentlichen von Deutschland getragen werden müssen, wobei die Tatsache erschwerend wirken mußte, daß der Bundesgenosse das Mittelmeer als sein Reservat ansehen und dementsprechende Führungsansprüche stellen würde. Wollte man Großbritannien seiner Mittelmeerstellung berauben, in der Hoffnung, ihm dadurch einen tödlichen Schlag zu versetzen, so mußte man Malta und Gibraltar wegnehmen und die Briten aus Ägypten und aus Griechenland vertreiben. Es unterliegt wohl kaum einem Zweifel, daß die deutsche Wehrmacht, wenn sie den Schwerpunkt der Kriegführung in den Mittelmeerraum verlegte, militärisch diese Aufgabe hätte lösen können. Jedoch der Weg hätte zwangsläufig weiter geführt. Die Wegnahme Gibraltars bedurfte entweder der Zustimmung Spaniens, die tatsächlich nicht erreicht worden ist, oder mußte unter Druck auf Spanien durchgeführt werden. In beiden Fällen wäre das Ende der spanischen Neutralität die Folge gewesen. Es wäre dem Reich nichts anderes übrig geblieben, als die Sicherung auch der Küsten der iberischen Halbinsel mit oder gegen den Willen der spanischen und portugiesischen Regierung und zugleich die Versorgung dieses Gebietes zu übernehmen. Mit Widerständen sowohl in Spanien, wie vor allem in Portugal, das seine Kolonien alsbald von England besetzt gesehen hätte, wäre zu rechnen gewesen. In jedem Fall aber würde die iberische Halbinsel einen erheblichen Teil deutscher Heereskräfte auf die Dauer verschluckt haben. Die Rückwirkung einer gewaltsamen Besetzung der iberischen Länder auf die VSA wie auf die lateinamerikanischen Mächte konnte katastrophal werden. Gelangte man nicht mit Frankreich zu einer wirklichen Verständigung, was angesichts der italienischen und spanischen Ansprüche auf französische Kolonialgebiete ziemlich ausgeschlossen war, so würde in der Folge auch die Besetzung Französisch-Nordafrikas notwendig geworden sein, wenn man verhindern wollte, daß die Seemacht England nicht doch eines Tages wieder im Mittelmeerraum Fuß faßte. Hatte man die Briten aus Ägypten – und falls sie sich in Griechenland festsetzen, auch von dort – vertrieben, so hätte der Weg auch im östlichen Mittelmeer vermutlich zwangsläufig nach den Ländern des Nahen Ostens weitergeführt. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt, daß es notwendig sein würde, Großbritannien die Ölzufuhr abzuschneiden. Es ist die Auffassung vertreten worden, daß die Schaffung einer Basis im Nahen Osten Deutschland zwei Vorteile gebracht haben würde. Einmal die Möglichkeit einer Bedrohung Indiens. Zum anderen den Gewinn einer Flankenstellung gegenüber der Sowjetunion, die diese von einem Eingreifen gegen Deutschland abgehalten haben würde. Ich glaube, daß solche Gedankengänge irreal sind. Ganz abgesehen davon, daß es durchaus fraglich war, welche Wirkung die Festsetzung deutscher Streitkräfte in den Ländern des Nahen Ostens auf die Dauer auf die Haltung der dortigen Völker ausgeübt hätte, ist zweierlei festzustellen: Operationen aus dem Bereich des Nahen Ostens gegen Indien oder gegen die Sowjetunion konnten schon aus Nachschubgründen niemals in einer Stärke durchgeführt werden, die einen wirklichen Erfolg verbürgt hätte. Die Seemacht England saß hier immer am längeren Hebelarm. Das Erscheinen Deutschlands im Nahen Osten würde die Sowjetunion keineswegs von einem Eingreifen gegen Deutschland abgehalten, sondern ein solches eher herbeigeführt haben. Er springende Punkt der ganzen Frage eines Kampfes um den Mittelmeerraum scheint mir in folgendem zu liegen. Der Verlust seiner Mittelmeerstellung hätte Großbritannien wohl kaum tödlich getroffen. Des weiteren hätte ein entscheidungssuchender Kampf um das Mittelmeer so starke deutsche Kräfte auf die Dauer gebunden, daß die Verlockung für die Sowjetunion, in den Kampf gegen Deutschland einzugreifen, außerordentlich gestiegen wäre. Dies um so mehr, als dann die Preise, die sich die Sowjetunion vielleicht hätte holen wollen, der Balkan und der vorherrschende Einfluß im Nahen Osten, nur im Kampf gegen Deutschland zu gewinnen gewesen wären. Der Weg über das Mittelmeer, um Großbritannien niederzuringen, stellte einen Umweg dar, vergleichbar dem, welchen Napoleon I. eingeschlagen hatte, als er gedachte, England über Ägypten in Indien tödlich zu treffen. Sein Einschlagen mußte zu einer Festlegung der deutschen Kräfte auf lange Sicht in einer nicht entscheidenden Richtung führen. Eine Festlegung, die einerseits die Aufrüstung des britischen Mutterlandes ermöglicht, andererseits der Sowjetunion die große Chance gegenüber dem Reich gegeben hätte. Der Weg über das Mittelmeer wäre in Wahrheit ein Ausweichen vor der Entscheidung gewesen, die man gegen das britische Mutterland nicht glaubte erzwingen zu können. Damit kommt man zu dem dritten Weg, der im Jahre 1940 zur Debatte stand, dem einer Invasion der britischen Insel. Ehe zu dieser Frage Stellung genommen wird, sei hinsichtlich der Kriegführung im Mittelmeer, wie sie sich tatsächlich ergeben hat, bemerkt, daß auch hier – wie später in Rußland so oft – Hitler an Kräften nie das Notwendige rechtzeitig zur Verfügung stellte. Ein Kardinalfehler ist jedenfalls gewesen, daß er auf die Wegnahme Maltas, die zu einem frühen Zeitpunkt sehr wohl möglich gewesen wäre, verzichtet hat. Dieser Verzicht ist wohl letzten Endes mit von ausschlaggebender Bedeutung für den schließlichen Verlust Nordafrikas mit allen seinen Folgen gewesen…“
Selbst plant unser Feldmarschall Kesselring (in seinem epischen Panzerbuch „Soldat bis zum letzten Tag“) die Einnahme von Rotterdam mittels Fallschirmjägern und Panzerkampfwagen:
„Den ersten Flügen zu den Kommandobehörden folgten von Februar bis Anfang Mai arbeitsreiche Wochen, die mit Einsatz- und Führungsbesprechungen bei den Stäben, Planübungen und Kriegsspielen bei den Truppen, praktischen Übungen im Gelände und in der Luft sowie Exerzierübungen ausgefüllt waren. Nach diesen drei Monaten war ich gut im Bilde. Die zum Teil recht verlustreichen Umschulungen der Verbände auf He 111 (Kampfgeschwader IV) und auf Ju 88 (Kampfgeschwader XXX) waren abgeschlossen, Kommandostellen und Verbände auf ihre ersten Aufgaben eingedrillt und das vollkommene Einvernehmen mit den Heeresstellen hergestellt. Beim Luftlandekorps machte ich am 8. Mai 1940 die Abschlußbesprechung mit, an der alle selbständigen Führer teilnahmen. Die letzten Zweifel wurden noch behoben; die Befehlsführung war nach meinem Geschmack etwas kompliziert, zumal General Student auch die XXII. Infanteriedivision am kurzen Zügel führen wollte. Die Führung wurde noch dadurch erschwert, daß sich Hitler und Göring selbst in die Vorbereitung des Luftlandeunternehmens sehr stark eingeschaltet hatten (Die Einführung der „Hohlminen“ zum Beispiel, die die Panzertürme im Fort Emael knackten, ist der unmittelbaren Initiative Hitlers zuzuschreiben.) und General Student eine gewisse Immediatstellung, die auch gerne angenommen wurde. Es sollte sich schon in den ersten Stunden zeigen, daß die Luftflotte als der einzig ruhende Pol in immer stärkerem Umfang in die Führung des Luftlandeunternehmens eingreifen mußte. General Student wollte, wie schon gesagt, den Befehl an der Front selbst übernehmen. Es wäre besser gewesen, wenn er bei Beginn von seinem rückwärtigen Gefechtsstand aus geführt und die Führung auf dem Gefechtsfeld erst dann übernommen hätte, wenn die beiden Landedivisionen tatsächlich im Kampfraum von einer Führungsstelle aus geführt werden konnten. Selbstverständlich hätte die VII. Fliegerdivision eines eigenen Führungsstabes bedurft, ihn zu schaffen wäre nicht unmöglich gewesen. Daneben gab es noch andere Punkte, die mir Sorge machten. Die Ju 52 als Transporter hatten, trotz der in die Augen springenden Vorteile, große Nachteile; sie hatten keinen schußsicheren Tank, waren behelfsmäßig und dementsprechend ungenügend bewaffnet und hatten keine genügende Reichweite. Der Verkehr über den Absprungstellen verlangte die Einhaltung eines Minutenplans durch viele Stunden. Den Jagdfliegern oblag die Sicherung auf der Hunderte von Kilometern langen Strecke, was bei den Me 109 mit ihrer geringen Flugdauer fast nicht lösbar war, aber von General Osterkamp und seinen prachtvollen Jagdfliegern doch geleistet wurde. Die zeitliche Abstimmung vom vorbereitenden Bombenabwurf gegen die holländischen Flugplätze mit dem Absetzen der Fallschirmer war auf dem Papier leichter als in Wirklichkeit. Dazu kam noch, daß am 9. Mai abends vom Oberbefehlshaber der Luftwaffe der reichlich nervöse Befehl zum Einsatz von zwei schweren Kampfgruppen gegen überraschend aufgetretene Feindfahrzeuge vor der holländischen Küste gegeben wurde, der in meiner Abwesenheit nicht von meinem Chef rückgängig gemacht werden konnte; die Befürchtung war nicht unberechtigt, daß deswegen die Fallschirmerlandungen nicht programmäßig durchgeführt werden könnten. Und trotzdem – wie so oft in den späteren Feldzügen – sah ich den Ereignissen mit Ruhe und hoffnungsvoll entgegen; was wir kleinen Erdenmenschen tun konnten, war getan; zur glücklichen Durchführung mußte der Herrgott seinen Segen geben…“