Am heutigen Tag im Jahre 1750 wurde im sächsischen Essenrode unser preußischer Staatskanzler Karl August von Hardenberg geboren. Mit unserem Freiherrn Karl von Stein und unserem General Gerhard von Scharnhorst gehört er zu den Männern, welche im Jahre 1813 die Auferstehung unseres alten Preußens und damit die Befreiung unseres deutschen Vaterlandes von der gallischen Fremdherrschaft ins Werk gesetzt haben. Der Sohn des Ludwig von Hardenbergs und der Ehrengart von Bülow studierte in Göttingen und Leipzig die Rechtskunde und trat 1770 in den Dienst des Kurfürsten von Hannover. Von 1781 bis 1790 wirkte er im Herzogtum Braunschweig und trat anschließend in den Dienst des Markgrafen von Ansbach. Im Jahre 1792 wurde Ansbach Teil Preußens und seit dem war unser Hardenberg für das Haus Hohenzollern tätig. Nicht immer hat er sich dabei mit Ruhm bekleckert und mußte beispielsweise 1794 den Basler Frieden mit Gallien abschließen. Ebenso überschätzte er – wohl geblendet vom Kriegsruhm Friedrichs des Großen – die Kraft Preußens und glaubte sich des Kampfes gegen Napoleons enthalten und dafür Gebietsgewinne einheimsen zu können. Im Jahre 1806 erlitt unser altes Preußen dann bei Jena und Auerstedt Schiffbruch, nachdem es 1805 neutral geblieben war und so Napoleon die Niederwerfung Österreichs erlaubte. Nach dem Tilsiter Frieden wurde unser Hardenberg einer der wichtigsten Mitarbeiter unseres Freiherrn von Stein. Dessen schwere Nachfolge er 1810 antrat. Er mußte den Napoleon in Sicherheit wiegen, damit unser Scharnhorst ungestört seine Heeresreform durchziehen konnte. Im Jahre 1812 riet unserm Preußenkönig Friedrich Wilhelm dem Dritten dazu, Napoleon die geforderten 20,000 Mann Hilfstruppen zum Feldzug gegen Rußland zu überlassen. Feurige Geister – wie Gneisenau oder Clausewitz – wollten zwar an der Seite Rußlands kämpfen, doch hätte dies unserem alten Preußen den Untergang bereitet. So schnell war das preußische Heer nämlich nicht von 40,000 auf 120,000 Mann zu bringen und noch bevor die Russen ihre Truppen in den Westen hätten schicken können, würde Napoleon mit seiner riesigen Truppenmasse von 600,000 Mann unsere Preußen erdrückt haben. Hätte Napoleon andererseits in Rußland gesiegt, wäre unser altes Preußen ebenso verloren gewesen. Glück und Schicksal bestimmen eben das Geschick der Menschen und so erwarb sich unser Hardenberg großen Ruhm als einer der Befreier unseres deutschen Vaterlandes. Er vertrat unser altes Preußen auch auf Metternichs Wiener Kongreß und leitete die Westverschiebung Preußens ein. Die so folgen- und segensreiche Erwerbung des Rheinlandes. Seine ständischen Verfassungspläne konnte er in unserem alten Preußen nicht mehr verwirklichen. Metternichs Karlsbader Beschlüsse wirkten hier gar zu hemmend. Häusliches Glück war unserem Hardenberg leider nicht beschieden. Denn zwei seiner drei Ehen wurden geschieden. Mit seiner ersten Gattin Friederike von Reventlow hatte er die Tochter Lucie und den Sohn Christian. Die Herausgabe seiner Schriften verdanken wir unserem Geschichtsgroßmeister Leopold von Ranke. Im Jahre 1807 verfaßte unser Hardenberg seine berühmte Rigaer Denkschrift über die Neuordnung des preußischen Staates. Die Vorerinnerung und die allgemeinen Gesichtspunkte gibt es nun daraus: https://archive.org/details/denkwrdigkeite04harduoft
„Aufgefordert durch das Vertrauen Seiner Königlichen Majestät, meine Meinung über die künftige Verwaltung des preußischen Staats abzugeben und durchdrungen von der Wichtigkeit des Gegenstandes, habe ich die Erörterung desselben allein zu unternehmen nicht gewagt ; ich habe vorgezogen, mich derselben gemeinschaftlich mit zwei einsichtsvollen, rechtschaffenen und vorurteilsfreien Königlichen Dienern, – in Absicht aus das Ganze, mit dem Herrn Geheimen Finanzrat Freiherrn von Altenstein, und wegen verschiedener einzelner Gegenstände mit dem Herrn Geheimen Seehandlungsrat Niebuhr, – zu unterziehen. Zwischen dem Herrn von Altenstein und mir hat sowohl in unsern eng geknüpften Dienst-Verhältnissen, als im vertraulichen Umgange, seit mehreren Jahren eine fortgesetzte Mitteilung der Ideen und eine große Übereinstimmung der Ansichten stattgefunden. Nachdem wir den Gegenstand in reifliche Erwägung gezogen hatten, bat ich ihn, mir seine Gedanken schriftlich zu geben und dabei auch die Meinung des Herrn Geheimen Rats Niebuhr zu benutzen. Tiefes hat er in dem anliegenden Aufsatze bewerkstelligt, den er zwar bloß zu meinem Gebrauche fertigte, den ich aber ganz vorzulegen für Pflicht halte, sowie ich auch den des Herrn Niebuhr hier beifüge. Ich werde mich, indem ich im Ganzen der Ordnung ersterer in philosophischer Form und Sprache geschriebenen Abhandlung folge, aus eine kurze Darstellung meiner Ansicht der darin vorkommenden wichtigsten Gegenstände beschränken können, da wir uns während der Arbeit täglich über ihre einzelnen Teile besprachen. Wenn der Herr Verfasser den Tadel der bisherigen Verfassung und Staats-Verwaltung mit starken Farben austrug, so darf dieses dem Unbefangenen nicht mißfallen. Er schrieb, einesteils nur für mich und andernteils verträgt die Wahrheit keine Schminke. Nur jene haben wir im Auge und um die Mängel zu verbessern, muß man sie deutlich sehen. Irren können wir, sowohl in unsern Ansichten, als in unsern Vorschlägen, aber bei beiden, selbst bei dem Tadel, liegt nur die reinste Absicht – nichts Persönliches – nur Wohlwollen und heißer Wunsch nützlich zu werden, zum Grunde. Man prüfe, man wähle das Beste! Sehr groß sind allerdings die Schwierigkeiten bei der Aufstellung eines Verwaltungs-Plans unter den gegenwärtigen Umständen; denn es fehlt ja überall an festen Anhaltspunkten, allenthalben herrscht noch Ungewißheit und die Ausführung noch so guter Ideen hängt ja hauptsächlich von äußern Verhältnissen und von äußerm Druck ab; sie kann durch diese erschwert und gehemmt, oder wohl ganz vereitelt werden. Und immer wird es vornehmlich daraus ankommen, welchem Kopfe die Ausführung anvertraut wird und daß dieser, wenn er dem großen schweren Beruf gewachsen ist, weder in Rücksicht aus den Plan, noch aus die Mittel beschränkt sei. Die Begebenheiten, welche seit mehreren Jahren unser Staunen erregen und unserm kurzsichtigen Auge als fürchterliche Übel erscheinen, hängen mit dem großen Weltplan einer weisen Vorsehung zusammen. Nur darin können wir Beruhigung finden. Wenn gleich unserm Blick nicht vergönnt ist, tief in diesen Plan einzudringen, so läßt sich doch der Zweck dabei vermuten: das Schwache, kraftlose Veraltete überall zu zerstören und nach dem Gange, den die Natur auch im Physischen nimmt, neue Kräfte zu weitern Fortschritten zur Vollkommenheit zu beleben. Der Staat, dem es glückt, den wahren Geist der Zeit zu fassen und sich in jenen Weltplan durch die Weisheit seiner Regierung ruhig hinein zu arbeiten, ohne daß es gewaltsamer Zuckungen bedürfe, hat unstreitig große Vorzüge und seine Glieder müssen die Sorgfalt segnen, die für sie so wohltätig wirkt. Die französische Revolution, wovon die gegenwärtigen Kriege die Fortsetzung sind, gab den Franzosen unter Blutvergießen und Stürmen einen ganz neuen Schwung. Alle schlafenden Kräfte wurden geweckt, das Elende und Schwache, veraltete Vorurteile und Gebrechen, wurden – freilich zugleich mit manchem Guten – zerstört. Die Benachbarten und Überwundenen wurden mit dem Strome fortgerissen. Unkräftig waren alle die Dämme, welche man diesem entgegensetzte, weil Schwäche, egoistischer Eigennutz und falsche Ansicht sie bald ohne Zusammenhang ausführte, bald diesen, im gefährlichen Irrtum, unterbrach und dem verheerenden Strome Eingang und Wirkung verschaffte. Der Wahn, daß man der Revolution am sichersten durch Festhalten am Alten und durch strenge Verfolgung der durch solche geltend gemachten Grundsätze entgegen streben könne, hat besonders dazu beigetragen, die Revolution zu befördern, und der selben eine stets wachsende Ausdehnung zu geben. Die Gewalt dieser Grundsätze ist so groß, sie sind so allgemein anerkannt und verbreitet, daß der Staat, der sie nicht annimmt, entweder seinem Untergange oder der erzwungenen Annahme derselben entgegen sehen muß. Ia selbst die Raub- und Ehr- und Herrschsucht Napoleons und seiner begünstigten Gehilfen ist dieser Gewalt untergeordnet und wird es gegen ihren Willen bleiben. Es läßt sich auch nicht leugnen, daß ohnerachtet des eisernen Despotismus, womit er regiert, er dennoch in vielen wesentlichen Dingen jene Grundsätze befolgt, wenigstens ihnen dem Schein nach zu huldigen genötigt ist…“