Was den alten Griechen ihre Ilias und den Spaniern ihr Gesang von meinem Cid ist, das ist uns Deutschen unser Nibelungenlied. Unser Nationalepos wurde im hohen Mittelalter gedichtet und erfreute sich bis ins XVI. Jahrhundert einiger Beliebtheit – zumindest hat niemand geringeres als Hans Sachs noch ein Trauerspiel auf dessen Grundlage geschrieben. Danach geriet es etwas in Vergessenheit, bis es 1755 von Hermann Obereit im Schloß Hohenems wiedergefunden wurde. Seitdem wird es gehegt und gepflegt und viele unserer deutschen Dichter, Musiker und Maler haben bedeutende Kunstwerke auf seiner Grundlage geschaffen. Wir Panzertiere halten uns aber ans Original und suchen uns zur Feier des Tages ein paar schöne Auszüge heraus. Heimtückisch würden die Knechte unserer Burgunder von Etzels Bruder Blödel, auf Anstiften Kriemhilds, überfallen und niedergemacht, jedoch kann sich Hagens Bruder Dankwart zum Festsaal von König Etzel durchschlagen und auf seine Kunde hin kommt es auch dort zum schlimmen Gemetzel: http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/19Jh/Simrock/sim_ni00.html
„Als der kühne Dankwart unter die Türe trat
Und Etzels Ingesinde zurückzuweichen bat,
Mit Blut war beronnen all sein Gewand;
Eine scharfe Waffe trug er bloß an seiner Hand.
Gerade in der Stunde, als Dankwart trat zur Tür,
Trug man Ortlieben im Saale für und für
Von einem Tisch zum andern den Fürsten wohlgeboren:
Durch seine schlimme Botschaft ging das Kindlein verloren.
Hellauf rief da Dankwart einem Degen zu:
„Ihr sitzt, Bruder Hagen, hier zu lang in Ruh.
Euch und Gott vom Himmel klag ich unsre Not:
Ritter und Knechte sind in der Herberge tot.“
Der rief ihn hin entgegen: „Wer hat das getan?“
„Das tat der Degen Blödel und Die ihm untertan.
Auch hat ers schwer entgolten, das will ich euch sagen:
Mit diesen Händen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen.“
„Das ist ein kleiner Schade“, sprach Hagen unverzagt,
„Wenn man solche Märe von einem Degen sagt,
Daß er von Heldenhänden zu Tode sei geschlagen:
Den sollen desto minder die schönen Frauen beklagen.
„Nun sagt mir, lieber Bruder, wie seid ihr so rot?
Ich glaube gar, ihr leidet von Wunden große Not.
Ist der wo hier im Lande, von dem das ist geschehn?
Der üble Teufel helf ihm denn: sonst muß es ihm ans Leben gehn.“
„Ihr seht mich unverwundet: mein Kleid ist naß von Blut.
Das floß nur aus Wunden andrer Degen gut,
Deren ich so Manchen heute hab erschlagen,
Wenn ichs beschwören sollte, ich wüste nicht die Zahl zu sagen.“
Da sprach er: „Bruder Dankwart, so hütet uns die Tür
Und laßt von den Heunen nicht Einen Mann herfür.
So red ich mit den Recken, wie uns zwingt die Not:
Unser Ingesinde liegt ohne Schuld von ihnen tot.“
„Soll ich Kämmrer werden?“ sprach der kühne Mann,
„Bei so reichen Königen steht mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich hüten nach allen Ehren mein.“
Kriemhildens Recken konnte das nicht leider sein.
„Nun nimmt mich doch Wunder“, sprach wieder Hagen,
„Was sich die Heunen hier in die Ohren sagen:
Sie möchten sein entbehren, der dort die Tür bewacht
Und der die Hofmären den Burgunden hat gebracht.
„Ich hörte schon lange von Kriemhilden sagen,
Daß sie nicht ungerochen ihr Herzleid wolle tragen.
Nun trinken wir die Minne und zahlen Etzels Wein:
Der junge Vogt der Heunen muß hier der allererste sein.“
Ortlieb das Kind erschlug da Hagen der Degen gut,
Daß vom Schwerte nieder zur Hand ihm floß das Blut
Und das Haupt herabsprang der Köngin in den Schoß.
Da hob sich unter Degen ein Morden grimmig und groß.
Darauf dem Hofmeister der des Kindes pflag,
Mit beiden Händen schlug er einen schnellen Schlag,
Daß vor des Tisches Füße das Haupt ihm niederflog:
Es war ein jämmerlicher Lohn, den er dem Hofmeister wog.
Er sah vor Etzels Tische einen Spielmann:
Hagen in seinem Zorne lief zu ihm heran.
Er schlug ihm auf der Geigen herab die rechte Hand.
„Das habe für die Botschaft in der Burgunden Land.“
„Ach meine Hand“, sprach Werbel, Etzels Spielmann
„Herr Hagen von Tronje, was hatt ich euch getan?
Ich kam in großer Treue in eurer Herren Land:
Wie kläng ich nun die Töne, da ich verlor meine Hand?“
Hagen fragte wenig, und geigt‘ er nimmermehr.
Da kühlt‘ er in dem Hause die grimme Mordlust sehr
An König Etzels Recken, deren er viel erschlug:
Er bracht in dem Saale zu Tod der Recken genug.
Volker sein Geselle von dem Tische sprang,
Daß laut der Fiedelbogen ihm an der Hand erklang.
Ungefüge siedelte Gunthers Fiedelmann:
Hei! was er sich zu Feinden der kühnen Heunen gewann!
Auch sprangen von den Tischen die drei Könge hehr.
Sie wolltens gerne schlichten, eh Schadens würde mehr.
Doch strebten ihre Kräfte umsonst dawider an,
Da Volker mit Hagen so sehr zu wüten begann.
Nun sah der Vogt vom Rheine, er scheide nicht den Streit:
Da schlug der König selber manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer den argen Feinden sein.
Der Held war behende, das zeigte hier der Augenschein.
Da kam auch zu dem Streite der starke Gernot:
Wohl schlug er den Heunen manchen Helden tot
Mit dem scharfen Schwerte, das Rüdiger ihm gab:
Damit bracht er Manche von Etzels Recken ins Grab…“