Die Befreiung von Metz und die Aufgabe der gallischen Rheinarmee

„Die Belagerungskunst ist zum Handwerk geworden wie das Tischler- oder Uhrmacherhandwerk. Bestimmte untrügliche Regeln haben sich herausgebildet, nach denen alles stets denselben Gang geht. Die gleiche Theorie wird immer wieder auf den gleichen Fall angewandt. So weiß jedermann, daß für das Depot am Ende des Laufgrabens ein gedeckter Platz angelegt wird, daß man die erste Parallele so nahe wie möglich an den gedeckten Weg heranschiebt, daß man, außer bei besonderer Eile, Sappen benutzt, um die Leute zu schonen, daß man Schächte gräbt, um die Minen zu entdecken, daß man die Minen des Feindes ausbläst, daß man die Überschwemmungen nach vorheriger Nivellierung des Geländes abläßt, daß man stets den schwächsten Punkt angreift, daß die ersten Batterien das Geschütz des Verteidigers zum Schweigen bringen, daß man in dem Maße, wie man neue Parallelen anlegt, auch die Batterien näher an die Festung heranrückt, daß man bei der zweiten oder dritten Parallele Rikoschettbatterien errichtet, um die Wallinien zu bestreichen, daß man, sobald man auf dem Glacis ist, die Kontreskarpe stürmt und auf ihr Batterien errichtet, um in die vor dem Hauptwall liegenden Werte Bresche zu schießen, daß man diese Werte durch neue Sturmangriffe nimmt, bis man an die Kernumwallung herankommt, die man durch neue Batterien breschiert, um schließlich durch die Sturmgasse zum Hauptsturm zu schreiten, und daß der Kommandant dann kapituliert und die Stadt übergibt. Das alles ist genauer Berechnung unterworfen, sodaß man, auch wenn man abwesend ist, ziemlich genau ausrechnen kann, an welchem Tage etwa sich die Festung ergeben wird, sofern nicht außergewöhnliche Umstände eintreten oder ein besonders tüchtiger Kommandant die Fortschritte der Belagerer durch die Zähigkeit seines Widerstandes länger als gewöhnlich aufhält.“ (Friedrich der Große)

Der welsche Monty Bazaine hätte sich also 1870 denken können, daß es kein sonderlich kluger Einfall von ihm gewesen ist, sich mit seiner Rheinarmee in die Festung Metz zu werfen. Diese war zwar stark befestigt und bestückt, verfügte aber keinesfalls über die nötigen Vorräte, um 200,000 welche Kriegsknechte über eine längere Zeit versorgen zu können. Dazu fehlte es an geeigneten Unterkünften. Hunger und Krankheit machten daher den welschen in der 72tägigen Belagerung von Metz weitaus mehr zu schaffen als wir Deutschen. Denn unser Prinz Friedrich Karl von Preußen begnügte sich mit unserer I. und II Armee der bloßen Einschließung von Metz und ließ dann die beiden Reiter der Götterdämmerung ihre Arbeit vollbringen. Denn bereits Anfang September wurde das welsche Entsatzheer bei Sedan geschlagen, eingekesselt und zur Aufgabe gezwungen. Mit einem weiteren Entsatzversuch war daher nicht mehr zu rechnen, zumal wir die Belagerung der welschen Hauptstadt Paris in Angriff nahmen. Den großen Ausbruchsversuch der Welschen vereitelte unser Feldmarschall Edwin von Manteuffel in der Schlacht von Noisseville. Gewiß, die Umzingelung ließ unsere Linien verhältnismäßig dünn erscheinen und an jedem beliebigen Punkt hätten die Welschen mit erdrückender taktischer Übermacht angreifen und den Durchbruch erzwingen können. Doch tat der welsche Monty Bazaine nicht und mußte so Ende Oktober die Waffen strecken. Mit 200,000 Mann ging die welsche Rheinarmee in die Gefangenschaft und wir erbeuteten 56 Feldzeichen, 1500 Geschütze und 260,000 Infanteriewaffen. Freiwillig hat sich der welsche Monty allerdings nicht nach Metz geworfen, sondern wurde durch die Schlachten von Colombey, Mars-la-Tour und Gravelotte in jene zurückgedrängt. Bei unserem Geschichtsschreiber Colmar von der Goltz geht in „Die Operationen der II. Armee. Vom Beginne des Krieges bis zur Kapitulation vom Metz“ nunmehr die Belagerung von Metz ihrem Ende entgegen: https://archive.org/details/feldzug187071vom01golt

„General von Fransecky wurde ferner ersucht, sich betreffs der Dislozierung seiner Truppen auf dem linken Moselufer mit General von Manstein in Verbindung zu setzen. Es sei hier hinzugefügt, daß diese Anordnungen des Oberkommandos in der Folge in sofern eine Abänderung erlitten, als sich aus Eisenbahntechnischen Gründen am 25. die Transporte noch nicht bewerkstelligen ließen, diese vielmehr erst am 26. Nachmittags zwei Uhr zwölf Minuten beginnen konnten. Der Fahrplan wurde dem II. Armeekorps am 25. zugestellt, das danach mit dem sukzessiven Abmarsche der einzelnen Truppenteile aus der Zernierungsstellung begann. Am 24. um ein Uhr Nachmittags erließ Prinz Friedrich Carl ferner folgenden Armeebefehl: „Morgen früh um sieben Uhr stehen sämtliche Truppen der Zernierungsarmee in ihren Gefechtsstellungen und rücken erst wieder ein, wenn der Vormittag ruhig verläuft. Der General der Kavallerie. Gezeichnet Friedrich Carl.“ Generalleutnant von Hartmann sollte am XXV. die Reserven des Zernierungsdetaschements vor Thionville, auf dem linken Ufer oberhalb der Festung versammeln, zahlreiche Kavallerie aber zur Verwendung auf dem nördlich der mittleren Orne gelegenen Plateau bereit halten. Die III. Kavalleriedivision wurde ferner noch am 24. in das Moseltal (Noveant – Arnaville) herangezogen, um eventuell am 25. das Plateau links der Mosel erreichen zu können. Das IX. Armeekorps sollte die erste Linie bei Jussy durch zwei Bataillone der 25. (Großherzoglich Hessischen) Division verstärken. Diese letzten Maßregeln hatten ihren Grund in der von vielen Überläufern gemachten Angabe, die eingeschlossene Armee werde in südwestlicher Richtung (über Vaux und Gravelotte) eine verzweifelte Anstrengung machen, um zu entkommen. Die Abwehr des Feindes und auch die Verfolgung einzelner vielleicht sich durchschlagender Teile war in dieser Weise hinlänglich vorbereitet. Der 24. Oktober verging übrigens in tiefster Stille. Anstalten für die Waffenentscheidung wurden im Bereich der Festung auch heute nicht bemerkt. Der Feind begann sogar zum Beispiel bei Woippy seine äußeren Werke zu desarmieren und die Geschütze nach Metz hineinzuschaffen. Auf den Wällen des Forts Sankt Privat zeigten sich die Posten völlig ungedeckt. Am Nachmittag wurde einem Gefangenen die Nummer des Independant de la Moselle vom 24. abgenommen, aus welcher bereits weiter oben der Leitartikel wiedergegeben worden ist. Das Blatt enthielt viel Bemerkenswertes; unter Anderem einen Bericht über die Sitzung des Munizipalrats von Metz, die am 22. stattgefunden hatte. Die dabei gepflogenen Verhandlungen erklärten die beim Feinde auch jetzt herrschende Ruhe voll kommen. Der Bericht war mit folgenden Worten eingeleitet: „La seance du Conseil municipal de samedi (22) a ete portee hier a la connaissance du public par le „Journal de Metz“. Nous n’avons plus à en retarder la publication. Malgre le triste aveu, quelle renferme, nous ne perdrons pas confiance; un jour, une heure peuvent complètement changer la situation!“ Das sagte genug. In der Sitzung selbst war General Coffinieres erschienen und hatte den Vorsitz geführt. Gegenstand der Beratung war die Requisition und der Ankauf der im Privatbesitze befindlichen Pferde, da die Armee für die Ernährung der Stadt deren keine mehr herzugeben vermochte. Auch die Brotvorräte neigten sich schnell dem Ende zu. Bei der Interpellation eines Herrn Prost „ob auf die Ankunft einer Hilfsarmee zu hoffen sei“ hatte der General erklärt, daß es die Pflicht eines Platzkommandanten wäre, so lange als möglich Widerstand zu leisten, auch wenn jene Aussicht fortfiele. „Frage man ihn aber um seine persönliche Meinung – fügte er dabei hinzu – so müsse er antworten, daß man mit Recht nicht auf Entsatz rechnen dürfe.“ Zum Schluß hatte sich General Coffinieres von dem Munizipalrat mit folgenden Worten verabschiedet: ,,Dans un tres-petit nombre de jours toutes nos ressources seront epuisees; nous n’avons pas, il est vrai, subi un siege regulier, grace a la presence de l’armee, mais cette armee a combattu autour de nous, comme la garnison de la place l’aurait fait dans un siege, et notre situation est aujourd’hui au point de vue des approvisionne ments ce qu’elle serait à la fin de la lutte.“ Auf den Bericht folgte dann die Anführung der von dem Kommandanten getroffenen Maßnahmen. Es war dies die Niedersetzung einer Kommission, welche im Innern der Stadt und in den, mit dieser gemeinsam zernierten. Vorstädten die Requisitionen der im Privatbesitz befindlichen Pferde, sowie die Feststellung der Entschädigungssummen zu besorgen hatte. Ferner brachte das Blatt, aus dem ,,Voeu national“ abgedruckt. eine Art Abschied an die Armee du Rhin, der mit den Worten begann: ,,L’armae qui est devant Metz, va quitter ses cantonnements. Demain peut-etre elle sera partie pour une destination encore inneonnue.“ Dieser tiefe Einblick in die Lage des Gegners erschien besonders wertvoll, als gegen Abend des 24. Oktober Marschall Bazaine in seinem und seiner Korpskommandanten Namen den Prinzen Friedrich Carl schriftlich bat, dem General Changarnier eine Audienz zu gewähren. Wenn dies nun geschah, nachdem die Anstrengungen des General Bayer zu keinem Resultate geführt, so konnte es sich nur noch um einfache militärische Kapitulation handeln, nicht mehr um diplomatischen Ausgleich. Damit aber stand die Zernierungsarmee an dem Ziele, das sie seit dem 19. August, allen Hindernissen zum Trotz, unwandelbar erstrebt hatte…“

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