Richard Strauss

Unsere deutsche Tondichtung ist wahrlich der Beweis für Nietzsches Satz, daß ohne die Musik das Leben ein Irrtum wäre. Und so wollen wir unsere alten Meister auch Ehren und in Erinnerung behalten. Dafür sind deren Geburtstage natürlich eine sehr schöne Gelegenheit. Richard Strauss, unser großer Tondichter aus München, hat am heutigen Tag Geburtstag. Zur Welt kam er 1864 als Sohn des Musikers Franz Strauss und seiner Frau Josephine, eine Bierbrauertochter. Im Laufe seines Schaffens brachte es unser Richard Strauss auf stolze 250 Werke, darunter Tondichtungen zu Nietzsches Zarathustra oder Shakespeares Macbeth, die Opern Elektra oder Ariadne auf Naxos, Konzerte, Kammermusik und Lieder. Sein Schaffen führte ihn nach Berlin und Wien, aber immer wieder kehrte er in sein heimisches München zurück. Zur Olympiade 1936 in Berlin hatte er die Ehre, die Hymne vertonen zu dürfen. Ein Werk des Meisters soll man sich in hörbarer Form heraussuchen… Den Herbert Karajan lasse ich die Tondichtung „Ein Heldenleben“ von unserem Richard Strauss zur Feier von dessen Geburtstag aufspielen: https://www.youtube.com/watch?v=nu5AXJGmkJk Unser Musikgelehrter Max Steinitzer ist in seinem Buch „Richard Strauss“ der Kunst unseres Tondichters ein wenig auf den Grund gegangen. Ihr hört daraus von den Vertonungen der alten und neueren Dichter durch unseren Strauss: https://archive.org/details/richardstraussb00steigoog

„Auch das innig-ruhige Thema am Schluß des zweiten Teils kommt infolge seines volksliedmäßigen Charakters dem Hörer leicht bekannt vor. Die ganze Anlage wird fast beispiellos einheitlich dadurch, daß, ähnlich wie in Saint-Saëns‘ C-moll-Sinfonie mit Orgel, gleich der kurze erste Satz alle Hauptthemen aufstellt, die im Verlauf immer wieder auch häufig in Tonart, Lage und Instrumentation des ersten Auftretens wiederkehren, so das „gemächliche“ Motiv in f, von Fagotten und Celli, das „feurige“ in e, von den hohen Violinen vorgetragen, das „träumerische“, mit dem d der Oboe beginnend, das im dritten Satz eine thematisch-kontrapunktische Verarbeitung von größter Kunst und Schönheit erfährt; alle Soloinstrumente des Orchesters singen es ausdrucksvoll um die Wette. In dem Hauptteil, der zwischen dem abendlichen und morgendlichen Siebenuhrschlagen liegt, ist mit dämonisch zwingender Tonpoesie und einem hohen Grad reinmusikalischer Schönheit, nach dem Zubettbringen des Kindes mit dem Wiegenlied, die Einsamkeit der gedanken- und empfindungsreichen Dämmerstunde, und vor dem Erwachen das wesenlose Zwischenland zwischen Traum und Wirklichkeit gemalt. An das höchst diskret angedeutete Schlagen der Uhr, das unmittelbar stimmungsvoll und auch programmatisch orientierend wirkt, konnten sich manche Hörer nicht leicht gewöhnen. Die Schlußfuge hat an strömender Frische des Temperaments wohl kaum an einem seit der Zeit der Klassiker entstandenen Tonwerk ihresgleichen. Auf die schon vor Kenntnisnahme des Werkes vielfach aufgestellte Hypothese, die latente Viersätzigkeit bedeute die „Rückkehr zur absoluten Musik“, sei auf den köstlichen Brief an Oskar Bie verwiesen. Daß hier wie in den anderen Tondichtungen manche Stellen sind, deren Herauskennen und Verstehen infolge ihres programmatischen Ursprungs Schwierigkeit macht, beweist, daß sich der Autor über diese praktische Frage keine Rechenschaft gab, sondern nach seiner durch den Gegenstand beeinflußten Eingebung als einziger Quelle schuf. Wenn es ihm nun innerlich natürlich war, mit dem gewohnten Apparat des großen Orchesters auch sein eigenes Innenleben auszusprechen, so vermittelt die absolute Natürlichkeit, mit der es geschieht, den etwa vorhandenen Gegensatz. Die eigentliche Schwierigkeit zwischen Objekt und Mittel der Darstellung besteht nur in der Betrachtungsweise jenes Hörers, der einen wesentlich der bildenden Kunst angehörenden Gesichtspunkt, den Gegensatz von Großformat und dem äußerlich kleinen genrehaften Stoff, auf die Musik überträgt, die doch in der Domestika wesentlich Seelisches gibt. Die räumliche Enge des häuslichen Milieus heranzuziehn, lehrt durch den Vergleich nur, wie innerlich Strauß ist und wie äußerlich man ihn in diesem Fall nähme. Denn daß er zum Ausdruck des eigenen größten und groß erfaßten Lebensinhalts ein anderes Mittel hätte benützen sollen als das ihm nun einmal zur Aussprache natürliche des großen Orchesters, ist eine unbegründete Forderung. Wenn man aber schon diesen äußeren Apparat zum Maßstab nimmt, weshalb sollte hierin das Leben eines berühmten Künstlers hinter dem eines Eulenspiegel oder Don Quixote zurückstehn? Bei unbefangenem, von theoretischer Ästhetik freiem Genießen bietet das Werk unerschöpfliche Freude. Die Uraufführung war dem New Yorker SinfonieOrchester vorbehalten, dessen Leiter, der junge Hermann Hans Wetzler, für Strauß intensiv vorstudierte. Dieser kam am 23. Februar 1904 mit dem Schnelldampfer Moltke dort an. Von dem Umfang seiner Tätigkeit bei dieser Tournee gibt sein Brief an Schillings einen Begriff: „In 4 Wochen 21 Konzerte mit etwa 20 Orchestern absolviert, dazu Reisen Tag und Nacht, Festdiners und alles Teufelszeug.“ Der Erfolg der Tournee war sehr stark, auch Frau Strauß hatte in jedem Konzert 45 Dakapos. Im ganzen gab er bis in den April hinein in verschiedenen Städten der Vereinigten Staaten 35 Abende mit seiner Gattin. Am 27. Februar, dem 3., 9. und 21. März fanden in New York selbst vier große Strauß-Festkonzerte statt, in deren letztem Strauß die Domestika als Abschluß eines Zyklus seiner Tondichtungen leitete. Frau Strauß sang eine Reihe von ihm instrumentierter Lieder. Im März bot ihm der Chef des Warenhauses Wannemaker in New York 1000 Dollars für die Leitung von zwei Matineen in einer zum Konzertsaal umgestalteten Etage seines Etablissements. Nachdem sich Strauß sehr genau vergewissert, daß alle Vorbedingungen zu einer künstlerisch durchaus würdigen Aufführung vorhanden waren, fand er keinerlei Bedenken, hier so gut wie anderswo zu dirigieren, was er später mehrfachen Angriffen gegenüber in seiner frischen Art in der Berliner Allgemeinen Musikzeitung vom 20. April darlegte: „Wahre Kunst adelt jeden Saal, und anständiger Gelderwerb für Frau und Kind schändet nicht – einmal einen Künstler.“ Von Amerika aus, ja sogar noch an Bord des Schiffes Blücher, hatte er ausgedehnte Korrespondenzen zu führen wegen des bevorstehenden Tonkünstlerfestes in Frankfurt und der dort geplanten Aufführung der Domestika. Nach Hauseggers Wieland wollte er sie nicht spielen lassen; jener „ist ein vollkräftiges sehr brillantes Stück, nach dem die ganze erste Hälfte der domestica, die ganz in Wasserfarben und Pastell gemalt ist, gar nicht wirken kann“, wie er an Schillings schreibt. Jedenfalls aber gehe bei einer Kollision Hausegger vor, denn „ich bin Vereinspräsident, komme also zuletzt“. Am 28. April reiste er von New York ab und erwies sich erneut als seefest. Anfang Mai leitete er dann auf dem Bayerischen Musikfest in Regensburg unter anderem die Graner Messe und Bruckners Neunte nebst dem Tedeum mit dem Münchener Hoforchester, dann im Sommer noch zweimal die Domestika, auf der Tonkünstlerversammlung zu Frankfurt als erste Aufführung in Deutschland, und am 2. Oktober in Essen bei der Einweihung des neuen Stadtgartensaales. – Ein Jahr ging dahin, neben der Dirigententätigkeit mit einer für den Autor selbst, wie später für die Mitwelt, ganz neuartigen Arbeit, an dem Musikdrama Salome, die Strauß im Sommer 1903 begonnen hatte. Von der nächstjährigen Tonkünstlerversammlung in Graz, 1905, wo er sein Heldenleben leiten sollte, rief ihn der am 2. Juni plötzlich erfolgte Tod seines 83 jährigen Vaters ab. Im Anschluß an das Fest gab dann Gustav Mahler in Wien eine Musteraufführung der Feuersnot, neben der von Pfitzners Rose vom Liebesgarten und Liszts Heiliger Elisabeth. In die bisher glanzvollste Epoche von Strauß’ Schaffen, die der vier aufeinanderfolgenden Bühnenwerke, die uns sogleich eingehender beschäftigen soll, fiel noch, nach der Uraufführung der Salome, die des bereits erwähnten Bardengesangs durch den Dresdener Lehrergesangverein unter Friedrich Brandes, Ende Januar 1906, und ein enormer Erfolg der Domestika, Ende März, im Chatelettheater zu Paris. In Wien leitete er im Winter 1907/08 die Abonnementskonzerte der Philharmoniker, in der Academia Santa Caecilia zu Rom, Anfang Februar, gemischte Programme, die ihm große Triumphe brachten, ebenso Ende März im Colonne-Konzert zu Paris. Im Mai (1908) unternahm er mit den Berliner Philharmonikern eine Rundreise durch Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Schweiz und Süddeutschland, auf welcher er an 31 Tagen in ebensoviel Städten konzertierte, und sich trotzdem bis zum letzten Abend als der mit dem Zauber jugendlicher Elastizität und Anmut begnadete Meister erwies. Nach dem letzten Konzert, das den Abschluß dieser ungemein bewegten Zeit bildete, eilte er nach Garmisch bei München, wo ihm nach dem künstlerischen Entwurf Emanuel Seidls sein endlich errungener eigener Wohnsitz, die inmitten eines großen Parkes am Fuße des Kramers gelegene Villa erstanden war – um dort die Elektra zu vollenden…“

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