Kaiser Leopold der Erste

Zu Wien wurde 1640 unser alter deutscher Kaiser Leopold der Erste geboren. Der Sohn Kaiser Ferdinands des Dritten und der Maria Anna von Spanien wurde 1658 zum deutschen Kaiser gewählt. Er sah sich von Anfang an dem gallisch-türkischen Doppelangriff gegenüber und befand sich beständig in einer äußerst gefahrvollen Lage. Man kann diese mit der im Frühjahr und Sommer 1944 vergleichen: Der gewaltigen feindlichen Übermacht standen wohl noch deutsche Heere entgehen, aber eine einzige schwere Niederlage konnte das Schicksal unseres deutschen Vaterlandes besiegeln. Dieser Zustand währte fast 50 Jahre und besserte sich erst unter seinem Sohn Karl dem Sechsten und den dank der gewaltigen Waffentaten unseres Prinzen Eugen. Überhaupt bewies unser Kaiser Leopold der Erste ein vorzüglich Urteil bei der Wahl seiner Heerführer. So berief er den Grafen Raimund von Montecuccoli an die Spitze seines Ostheeres, der 1664 den türkischen Angriff bei Mogersdorf abschlug. Mit dem Entsatz Wiens beauftragte er 1683 unseren Herzog Karl dem Fünften von Lothringen, der am Kahlenberg die Belagerung Wiens sprengte und anschließend den Gegenangriff in Ungarn führte. Im Jahre 1687 schlug er die Türken vernichtend in der zweiten Schlacht von Mohacs. Unserem Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden übertrug er den Oberbefehl gegen die Türken und bei Slankamen wurden diese 1691 niedergeworfen. Diesen Streich wiederholte 1697 bei Zenta unser Prinz Eugen, woraufhin die Türken 1699 den Frieden von Karlowitz unterschreiben mußten. Im Westen waren die Erfolge durchwachsen, dennoch hob unser Kaiser Leopold den gallischen Fehdehandschuh auf und kämpfte mit Ludwig XVI. um das spanische Weltreich. Seine Söhne Joseph der Erste und Karl der Sechste sollten diesen blutigen Strauß weiterführen. Geheiratet hat unser Kaiser Leopold der Erste drei Mal: Margarita von Spanien (1666), Claudia Felicitas von Tirol (1673) und Eleonore von Neuburg (1676). Sechzehn Kinder gingen aus diesen Verbindungen hervor. Nebenbei war unser Kaiser Leopold auch als Tondichter am Werke und 240 Stücke sind von ihm auf uns gekommen. Bei unserem Geschichtsschreiber Reinhold Baumstark in „Kaiser Leopold I.“ scheitern nun die Verhandlungen mit den Galliern über die Regelung des spanischen Erbfalles: https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb11158641_00005.html

„Ich bin fest überzeugt, daß Ludwig XIV. keinen Augenblick daran gedacht hat, diesen Vertrag jemals zu halten, sondern daß es sich bei ihm einzig darum handelte, Österreich für den Augenblick zu ködern und einzuschläfern. Das war erreicht. Leopold hatte die Traditionen der österreichischen Politik geopfert, sich von Spanien getrennt: es ist in meinen Augen das düsterste Blatt seiner Geschichte. Die verhängnisreichen Folgen dieses Umschwungs zeigten sich sofort. England, Holland und Schweden hatten am 23. Januar 1668, also fast gleichzeitig mit dem französisch-österreichischen Abkommen, die in der Folge tat- und ruhmlos wieder aufgelöste Tripel-Allianz gegen Frankreichs wachsende Übermacht geschlossen; sie drängten Österreich zum Beitritt, aber des Kaisers Hand war durch die unsichtbare Kette gebunden. Und unter dem Druck der neugeschaffenen Lage schloß Spanien mit Frankreich unterm 2. Mai 1668 den Aachener Frieden, durch welchen letzteres in dem Besitz der so rechtlos eroberten niederländischen Städte und Landschaften anerkannt wurde. Dieser Friedensschluß zu Aachen, in Verbindung mit dem Pyrenäischen Frieden vom Jahre 1659 vollendete den Triumph Frankreichs über Spanien, gerade wie schon im Jahre 1648 der westphälische Friede den französischen Sieg über Österreich und Deutschland festgestellt hatte. Das Haus Habsburg war in seinen beiden Zweigen geschlagen, und protestantischer Fanatismus suchte damals und sucht noch heute in dem Triumph französischer Willkürherrschaft einen Sieg der Geistesfreiheit zu erblicken. In der Tat und Wahrheit war es die politische Größe der deutschen Nation, welche dem Protestantismus als Opfer dargebracht wurde. Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der damals kaum 28 Jahre alte Kaiser im tiefsten Herzen, bewußt oder unbewußt, immer gut österreichisch und, was in diesem Falle ganz das Nämliche war, gut deutsch und gut spanisch gesinnt blieb, er war durch seine Ratgeber überlistet und überrumpelt. Der Umstand, daß das Abkommen mit Frankreich das aller geheimste Eigentum der wenigen dabei tätig gewesenen Personen blieb, brachte gleichzeitig in die europäische Politik Österreichs ein Schwanken und eine Ungleichheit, welche für die Machtstellung der Monarchie nur die ungünstigsten Folgen haben konnte. So versprach Besserode, der österreichische Gesandte in Schweden, dieser Macht in einem förmlichen Vertrage, der natürlich nicht genehmigt ward, 100,000 Taler Hilfsgelder für den Fall eines Krieges mit Frankreich, und Lisola, der Gesandte in London und Frankreichs geschworner Feind, gab weder die Hoffnung noch die Bemühung auf, seinen Herrn zum Eintritt in die Tripel-Allianz zu bestimmen. Gleichzeitig war Auersperg einfältig genug, dem französischen König eine Tripel-Allianz zwischen Frankreich, Österreich und Spanien vorzuschlagen. Ludwig XIV. muß wohl herzlich gelacht haben. Und um die nämliche Zeit scheute er sich nicht, mit den aufständischen oder wenigstens unzufriedenen Ungarn in geheime Verbindung gegen ihren Monarchen zu treten. Aus seinem traurigen Schwanken zwischen den Folgen der geschehenen bösen Tat und zwischen den immer stärker anklopfenden Regungen des besseren politischen Gewissens wurde der Kaiser aufgeschreckt durch eine Mitteilung des päpstlichen Hofes. Leopold wurde mit den Beweisen versehen, daß sein erster Minister Auersperg, den er mit Gütern und Ehren überhäuft, der ihn zu dem Vertrage mit Frankreich bestimmt hatte, gleichzeitig und heimlich als Bettler vor Ludwig XIV. gekrochen war, um durch seine Hilfe gegen des Kaisers Willen Kardinal zu werden. Papst Klemens IX. war empört über dieses Benehmen des österreichischen Staatsmanns, und fühlte sich mit Recht verpflichtet, dem Kaiser die ganze Wahrheit zu sagen. Auersperg, ohne den Hergang zu erfahren, fühlte oder ahnte, daß sich etwas über seinem Haupte zusammenzog. Er bemühte sich, mit den Trägern des spanischen Einflusses am kaiserlichen Hofe wieder anzuknüpfen, aber es war zu spät. Der spanische Gesandte ersuchte den Kaiser amtlich, dem Fürsten Auersperg von den Geschäften, welche Spanien betreffen, Nichts mehr mitzuteilen, weil er die Interessen beider Häuser verrate, und am 10. Dezember 1669 erhielt Auersperg aus der Hand des Hofkanzlers Hocher ein kaiserliches Schreiben, welches ihn vom Hofe verbannte, ihm befahl, sich binnen drei Tagen nach Wels in Oberösterreich zu verfügen, sich aller Korrespondenz zu enthalten, und bis auf weiteren Befehl an besagtem Orte zu bleiben. Auersperg zeigte sich tief erschüttert, kläglich; er weinte, bettelte und erhielt schließlich die Erlaubnis, in Laibach zu wohnen. Dort ist er im Jahre 1677 gestorben, nachdem er noch den Sturz seines Nebenbuhlers und Nachfolgers Lobkowitz erlebt hatte…“

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