„Die Gefahr, dass der Computer so wird wie der Mensch, ist nicht so groß wie die Gefahr, dass der Mensch so wird wie der Computer.“
Was uns Konrad Zuse, der Erfinder des Computers (der heute übrigens Geburtstag hat – 1910 in Wilmsdorf), damit zu sagen versucht, vermag ich zwar nicht zu erklären, hoffe aber daß die Computer die Feldherren und Staatsmänner nicht ersetzen werden. Die Chancen dazu sind übrigens recht gut, denn – wie im Falle Konrad Zuses – wurde der Computer von Leuten gebaut, die zu faul zum Rechnen sind. Der Krieg aber ist – laut Carl von Clausewitz – eine ganz besonders schwierige Rechenaufgabe:
„Wir sagen: der Feldherr wird zum Staatsmann, aber er darf nicht aufhören, das erstere zu sein; er umfaßt mit seinem Blick auf der einen Seite alle Staatsverhältnisse, auf der anderen ist er sich genau bewußt, was er mit den Mitteln leisten kann, die in seiner Hand liegen. Da hier die Mannigfaltigkeit und die unbestimmte Grenze aller Beziehungen eine große Menge von Größen in die Betrachtung bringen, da die meisten dieser Größen nur nach Wahrscheinlichkeitsgesetzen geschätzt werden können, so würde, wenn der Handelnde dies alles nicht mit dem Blick eines die Wahrheit überall ahnenden Geistes träfe, eine Verwicklung von Betrachtungen und Rücksichten entstehen, aus denen sich das Urteil gar nicht mehr herausfinden könnte. In diesem Sinne hat Bonaparte ganz richtig gesagt, daß viele dem Feldherrn vorliegende Entscheidungen eine Aufgabe mathematischer Kalküls bilden würden, der Kräfte eines Newton und Euler nicht unwürdig. Was hier von höheren Geisteskräften gefordert wird, ist Einheit und Urteil, zu einem wunderbaren Geistesblick gesteigert, der in seinem Fluge tausend halbdunkle Vorstellungen berührt und beseitigt, welche ein gewöhnlicher Verstand erst mühsam ans Licht ziehen und an denen er sich erschöpfen würde. Aber diese höhere Geistestätigkeit, dieser Blick des Genies würde doch nicht zur historischen Erscheinung werden, wenn die Gemüts- und Charaktereigenschaften, von denen wir gehandelt haben, ihn nicht unterstützten.“
Einen weiteren Auszug aus Zuses „Der Computer – Mein Lebenswerk“ gibt es natürlich auch von mir:
„Während des Krieges war meine Firma die einzige, die in Deutschland Rechengeräte entwickeln durfte. Dennoch hatten wir gegenüber den USA einen Entwicklungsvorsprung. Heute wissen wir, welch ein gewaltiger wirtschaftlicher Nutzen darin hätte liegen können. Damals sah man die Dinge anders. Kaum jemand konnte sich geschäftliche Aussichten für unsere Geräte vorstellen. Eine zivile Fertigung wäre auch gar nicht möglich gewesen; sie war offiziell verboten. Zwar hatte ich einige Förderer und Freunde, wie Professor Teichmann und Professor Wagner; aber die waren doch auch mit ihren eigenen Ideen beschäftigt und mehr als ausgelastet. Der Rechenmaschinenfabrikant Dr. Pannke wiederum, der mich in meiner Frühzeit unterstützt hatte, sah in unserer Arbeit letztendlich eher eine Konkurrenz für seine traditionellen mechanischen Geräte. Aus dieser Zeit stammt meine Erfahrung, daß sich ein Erfinder innerhalb seines Ideenkreises nach Möglichkeit auf kurzfristig erreichbare Ziele beschränken sollte. Über angewandte Logistik oder unglaubliche Geschwindigkeiten elektronischer Geräte konnte ich, wie schon berichtet, nur mit wenigen Vertrauten reden, wollte ich nicht als unseriös gelten. Zu diesen wenigen Vertrauten gehörte Professor Teichmann. Auf seine Unterstützung konnte ich, gegen alle Widerstände, rechnen. Und Widerstände gab es damals genug. Lange nach Kriegsende schrieb er mir einmal: „Für uns war es ein Lichtblick, als uns angekündigt wurde, ein Dipl. Ing. Zuse könne uns helfen. Die Direktion der damaligen Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt und das zuständige Ministerium wurden in Bewegung gesetzt; Geld wurde bewilligt. Aber dornenvoll war das Gestrüpp der Probleme rein technischer Art, das der damalige Dipl. Ing. Zuse durchdringen oder überwinden mußte. Von prominenter Seite wurde mir eines Tages ganz offen erklärt, ich sei wohl ein recht guter Wissenschaftler, aber hier sei ich auf einen a priori klar erkennbaren Schwindler hereingefallen. Als es dieserhalb zu einer harten Aussprache kam, bat ich, Herrn Prof. Dr. Ing. Wagner zu befragen. Ein Telefonanruf erfolgte, und Prof. Wagner sagte etwa: „Bei uns arbeitet Herrn Zuses Gerät in der zunächst entwickelten Stufe bereits.“ Das war für die kleine statisch-dynamische Arbeitsgruppe ein Triumph, weniger deshalb, weil wir die Unterstützung von Herrn Zuses Entwicklung befürwortet hatten, als deshalb, weil nun vor den Vertretern der höchsten Zweifler feststand, daß Herr Zuse Großes mit Erfolg zu entwickeln begonnen hatte.“ Teichmann hätte am liebsten schon während des Krieges einen Auftrag über ein großes elektronisches Rechengerät mit zweitausend Röhren befürwortet. Wegen der mangelnden Dringlichkeitsstufe hätten wir aber weder Personal noch ausreichendes Material dafür bekommen. Es war schon schwierig genug, Geräte in der verhältnismäßig einfachen und robusten Relaistechnik zu bauen. Schreyer erhielt immerhin den Auftrag, am Lehrstuhl von Professor Stäblein ein Versuchsmodell eines Rechenwerks für 10 Binärstellen zu bauen. Das Modell war Ende des Krieges funktionsfähig, ist dann aber in den Wirren der Nachkriegszeit verlorengegangen…“