„Weiterhin wird sich der Tyrann bemühen, stets zu wissen, was die Untertanen sagen oder tun; er unterhält Beobachter, wie in Syrakus die sogenannten Potagogiden, und wie Hieron die Otakusten aussandte, wo immer eine Zusammenkunft und eine Versammlung stattfand; denn dann reden die Menschen weniger offen, da sie diese Horcher fürchteten, und wenn sie offen reden, wird es leichter bekannt. Außerdem wird der Tyrann die Menschen gegeneinander aufhetzen, Freunde untereinander und das Volk gegen die Angesehenen und die Reichen untereinander. Er wird auch die Untertanen arm machen, um seine eigene Wachmannschaft besolden zu können, und damit sie dauernd ihrem Lebensunterhalt nachgehen müssen und keine Zeit zu Konspirationen haben.“ (Aristoteles)
Man merkt es: Die kommunistischen Russenhandpuppen in Mitteldeutschland waren Gewaltherrscher wie sie schon bei den alten Griechen in den Büchern stehen und so verwundert es nicht, daß sich im Jahre 1953 das Volk gegen sie erhoben hat. Den Adel hatten die Russenknechte ja wohl weißlich beseitigt, denn sonst hätte leicht ein Mann vom Schlage Ferdinands von Schill an die Spitze der Volksmassen treten können und dann wäre das Ganze vielleicht ein wenig ernsthafter geworden. So wurden die kommunistischen Russenhandpuppen an einem Tag gestürzt und am nächsten Tag auch schon wieder von den russischen Besatzungstruppen abermals gewaltsam an die Macht gebracht. Ihre Rache war schlimm – so wie man es eben von erbärmlichen Schwächlingen kennt. Zeugnis über den mitteldeutschen Volksaufstand legt auch unser Erich Kluge („Die Macht war unser…“) ab: http://www.17juni53.de/material/zeitzeugen.html
„Am Morgen des 17. Juni gegen 7.30 Uhr legte die gesamte im Werk befindliche Belegschaft, etwa 5000 Menschen, die Arbeit nieder und versammelte sich vor dem Verwaltungsgebäude. Sprechchöre brandeten hoch. Stimmen wurden laut, die eine Streikleitung forderten. Namen wurden genannt, auch meiner. Um acht Uhr war es soweit: die Streikleitung, darunter ich, war gewählt. Wir gingen auf den Balkon. Dort ergriff ich das Mikrophon des Werkfunks und forderte die Kollegen auf, sich zu keinen Unbesonnenheiten hinreißen zu lassen. Im Auftrage der Streikleitung gab ich die Anweisung, daß alle lebenswichtigen Betriebe, wie Gas- und Wasserwerk, weiterarbeiten müßten, sonst aber jede Arbeit zu ruhen habe, bis unsere Forderungen erfüllt seien, die wir unter stürmischer Zustimmung proklamierten. Die wichtigsten Punkte waren: Zurücknahme der Normenerhöhung – Rücktritt der Regierung Grotewohl – Freilassung der politischen Gefangenen. Die SED war von der Bildfläche verschwunden, nachdem wir die Spitzenfunktionäre des Betriebes aufgefordert hatten, ihre Waffen abzugeben, das Parteizimmer aufzusuchen und diesen Raum nicht zu verlassen. Die Werkpolizei stand auf unserer Seite. Während wir dann mit der sowjetischen und der deutschen Werkleitung über die Erfüllung verschiedener Forderungen wie etwa der, daß keine Repressalien gegen Streikende ergriffen werden dürften, verhandelten, stimmte draußen die Menge die dritte Strophe des Deutschlandliedes an. Es war inzwischen 14.00 Uhr geworden. Der sowjetische Generaldirektor, der sich durchaus den Anschein gab, als sympathisiere er mit unseren Forderungen, bat sich Bedenkzeit aus, da er, wie er erklärte, mit seiner vorgesetzten Dienststelle in Weißensee telefonieren müsse. Erst später merkten wir, daß er nur auf Zeitgewinn aus war. Wie ein Lauffeuer hatte sich während unserer Verhandlungen die Nachricht von einer großen Kundgebung auf dem Platz der Jugend in Bitterfeld herumgesprochen. Endlose Kolonnen von Arbeitern aus allen Betrieben der Umgebung wälzten sich dorthin. Auch eine zentrale Streikleitung war inzwischen gebildet worden, und an uns erging die Einladung, an ihrer Sitzung im Rathaus Bitterfeld teilzunehmen. Die Macht lag zu diesem Zeitpunkt praktisch in unseren Händen. Gegen 17.00 Uhr war ich wieder im Werk. Dort bot sich mir ein erschütterndes Bild. Sowjetische Mannschafts- und Kampfwagen fuhren durch das Tor, während die SED-Leute aus ihren Löchern hervorgekrochen kamen, um händeklatschend ihren Befreiern nachzulaufen, sie zu umarmen und abzuküssen. Nachts 23.00 Uhr – ich war mit dem Fahrrad zu einem Kollegen von der Streikleitung unterwegs – wurde ich von einer Streife, bestehend aus zwei sowjetischen Offizieren und zwei Beamten des SSD, verhaftet, niedergeschlagen und in die alte Leopoldkaserne nach Dessau, dem Sitz des SSD, gebracht. Nach sechs Tagen, nachdem wir vor allem von dem Vopo-Meister Schellenberg unmenschlich schikaniert worden waren, brachte man mich und zahlreiche verhaftete Kollegen aus anderen Betrieben, mit Handschellen aneinander geschlossen, in den berüchtigten „Roten Ochsen“ (Zuchthaus) in Halle. In der nun folgenden Zeit der Vernehmungen wurde immer wieder versucht, mich durch Erpressungsmanöver und körperliche Torturen zu dem „Geständnis“ zu bewegen, ich sei Angehöriger einer „westdeutschen Agentengruppe“, der vom amerikanischen Geheimdienst der Auftrag gestellt worden sei, den Sturz der Regierung Grotewohl vorzubereiten. Ich blieb hart. Erst 14 Tage nach meiner Festnahme erhielt ich den Haftbefehl vom Untersuchungsrichter Pasche (Halle) vorgelegt. Der 1. Strafsenat des Bezirksgerichtes Halle verurteilte mich am 21. Juli zu drei Jahren Zuchthaus. Sofort nach der Rückkehr in den „Roten Ochsen“ wurde ich mit 17 anderen Verurteilten in eine Kellerzelle gelegt, die von Ratten wimmelte. Die Wachmannschaft begrüßte uns mit den Worten: „Für euch Schweine wäre lebenslänglich richtig gewesen!“ Das Essen war erbärmlich und der Hunger unser täglicher Gast. Als „17.-Juni-Verurteilte“ waren wir von der Vergünstigung des „Nachschlages“ ausgeschlossen. Die wenigen Pakete, die mich erreichten, waren zerschnitten, der Inhalt war nur noch eine formlose Masse. Im Jahr 1954 begann meine Wanderung durch verschiedene Haftanstalten. Zunächst brachte man mich in die SSD-Haftanstalt Hohenschönhausen. Als Autoklempner mußte ich hier mit anderen Häftlingen in der Zuchthauswerkstatt EMW-Wagen als Taxen umarbeiten. Es wurde offen davon gesprochen, daß diese Wagen vom SSD bei Menschenraub-Aktionen eingesetzt werden sollten. Nächste Station: Zuchthaus Luckau, wo uns der als Schläger berüchtigte Oberkommissar Lau das Leben zur Hölle machte. Dann: Haftarbeitslager Rüdersdorf. Dort wurde der untaugliche Versuch unternommen, uns politische Häftlinge umzuschulen. Als Lehrer betätigten sich die Lagerältesten Fritz Hohmuth, ein ehemaliger SED-Kreisleiter aus Chemnitz, der wegen Unterschlagung von Unterstützungsgeldern für Wismut-Kumpels saß, und Erich Albrecht, ein ehemaliger SED-Bürgermeister aus Mecklenburg, der sich gleichfalls an einer Kasse vergriffen hatte. Die Zuchthausjahre haben in mir die Überzeugung gestärkt, daß es richtig war, was wir am 17. Juni 1953 unternommen haben. Aus dieser Tat wird einst die Einheit Deutschlands in Freiheit wachsen…“